Der Tag, an dem die Synagoge brannte

Gedenkfeier auf dem Platz der ehemaligen Synagoge: „Vor 74 Jahren brannten Bethäuser, wurden Menschen an Leib und Leben bedroht und später ermordet.“ | Foto: Heinz Holzbach
  • Gedenkfeier auf dem Platz der ehemaligen Synagoge: „Vor 74 Jahren brannten Bethäuser, wurden Menschen an Leib und Leben bedroht und später ermordet.“
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Vor 74 Jahren brannten die Synagogen. Mehr als 1000 deutschlandweit - eine davon stand in Kleve. Am Freitag wurde auf dem Platz der ehemaligen Synagoge einmal mehr an jenen 9. November im Jahre 1938 erinnert, an dem die Synagogen brannten und den Bürgermeister Theo Brauer als Fanal bezeichnete.

Fanal - das bedeutet Signalgeber. Bürgermeister Brauer: „In jener schreckerfüllten Nacht gingen über 1000 Synagogen in Flammen auf, jüdische Geschäfte wurden verwüstet und geplündert - danach wurden zahllose jüdische Mitmenschen an Leib und Leben bedroht - und später ermordet. Der Befehl kam von ganz oben, aus der Machtzentrale der Nazis.“
Die Meisten hätten zugesehen, nur Wenige geholfen. Brauer erinnerte an das preußische Gleichstellungsgesetz von 1812, das der jüdischen Bevölkerung mehr Rechte als zuvor einräumte - und an die Wannseekonferenz 1940, bei der der systematische Mord an der jüdischen Bevölkerung beschlossen wurde. Er griff aber auch die aktuelle Entwicklung auf: Immerhin gelten neueren Umfragen zufolge 20 Prozent der Deutschen als latent antisemitisch eingestellt.
Das Internet leiste zudem dem Tabubruch Vorschub. Die Morde der NSU-Gruppe seien ein erschreckendes, mahnendes Beispiel dafür, dass die historischen Tatsachen immer wieder neu an die jüngere Generation vermittelt werden müssten.

Aus Amsterdam war Eva Ritz-Weyl nach Kleve gekommen. „Die Älteren kennen sicher noch das Haus Weyl, das dort stand, wo heute der Kaufhof steht“, sagte Maria Diedenhofen, Verein Nachbarn ohne Grenzen - Buren zonder grensen. Der Verein organisiert die alljährliche Gedenkveranstaltung.
Eva Ritz-Weyl erzählte von ihrer Familie, ihren Vorfahren, die im Jahr 1880 von Erkelenz nach Kleve zogen. Vater, Mutter und zehn Kinder gehörten zur Familie. Urgroßvater Anselm Weyl eröffnete an der Großen Straße das Manufakturkaufhaus Weyl, heute Galeria Kaufhof. 1933 sei schon deutlich geworden, dass „man in Deutschland nicht mehr leben konnte.“ Ein Teil der Familie wanderte in die Niederlande aus - 1935 wurde Eva Ritz-Weyl in Arnheim geboren. Im Januar 1942 wurde die Familie ins Lager Westerborg deportiert. „Die Lebensumstände waren furchtbar.“ Insgesamt seien 107 000 Juden nach Westerborg verschleppt worden - nur rund 5000 hätten überlebt. „Wir haben überlebt - wir wurden nicht ins Vernichtungslager deportiert.“ Ihre Geschichte erzählt Eva Ritz-Weyl heute Schülern. „Sie sehen, wie wichtig es heute für mich ist, für mich, eine Weyl, mit tiefen Wurzeln in Kleve.“
Schülerinnen und Schüler der neunten Klasse des Freiherr vom Stein Gymnasiums und Kinder der Karl-Leisner-Grundschule waren an der Gestaltung des Gedenkfeier beteiligt.

Das Kaddisch, das jüdische Totengebet, sprach Jem van den Burg, das Duo Mir Tsvey, Josine Franken und Leo Driesenaar, spielte jiddische Lieder.

Autor:

Annette Henseler aus Kleve

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