Schule: Jetzt sind die Eltern gefragt

Foto: Heinz Holzbach
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Das Interesse war riesig – die Materborner Mehrzweckhalle rappelvoll. Die Stadt Kleve hatte Eltern von Grundschul- und Kindergartenkindern eingeladen, um zum einen über die kommende Schullandschaft in Kleve, Bedburg-Hau und Kranenburg, zum anderen über die bis 21. November angesetzte Elternbefragung zu informieren. In dieser Befragung sollen Eltern ihren Willen hinsichtlich der Schullaufbahn ihrer Kinder und der von bevorzugten Schulform bekunden.

Neben den Bürgermeistern der drei Gemeinden hatten sich Mitglieder aus Räten und Verwaltungen eingefunden. Dr. Detlef Garbe, Schulentwickler von Garbe Consult, gab einen Überblick über die momentane Situation und führte in die auf statischen Berechnungen beruhende, mögliche Entwicklung der weiterführenden Schulen in den drei Gemeinden ein. Zum Schulgesetz, das am 21. Oktober in dritter Lesung den Landtag passiert hatte, nahm Heinz Gniostko, Referent für gesamt- und sekundarschulen bei der Bezirksregierung Düsseldorf, Stellung. Sigrid Beer, bildungspolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen und MdL, griff zeitweise schlichtend in die Diskussion ein.

Den Auftakt machte Dr. Detlef Garbe, der anhand zahlreicher statistischer Schaubilder die Schulsituation der drei Gemeinden erläuterte. Die Hauptschulen in Bedburg-Hau und Kranenburg haben demnach keine Chance auf Weiterführung des Schulbetriebes, während die Klever Hauptschulen, die zwei Realschulen und auch die Gymnasien nicht im Bestand gefährdet seien – bliebe die Situation so, wie sie jetzt ist.

Zwei Probleme stellte Garbe heraus. Die demographische Entwicklung und das veränderte Wahlverhalten der Eltern beim Übergang von der Grund- auf eine weiterführende Schule. „Heute können die Eltern selbst entscheiden, können die Schulform, die sie für ihr Kind wollen, wählen. Dieses Wahlverhalten signalisiert, dass ein breiteres Klientel als bisher in Realschule und Gymnasium aufgenommen werden und so gefördert werden muss, dass ein Schulabschluss erreicht wird.“

Garbe zeigte zwei Alternativen für die drei Gemeinden auf: Neben der Option alles zu lassen wie es ist, könne eine Gesamtschule oder eine oder mehrere Sekundarschulen gegründet werden.

Bei Gründung einer Gesamtschule blieben Gymnasien und Realschulen bestehen, müssten aber in den kommenden Jahren mit sinkenden Anmeldezahlen rechnen. 100 Schüler müssten für den Besuch der fünften Klasse einer anzunehmenden Gesamtschule angemeldet werden.

Die Gründung von Sekundarschulen brächte die Auflösung von Haupt- und Realschulen mit sich – die Kinder würden gemeinsam in der neuen Schule unterrichtet. Die Gymnasien würden von dieser Maßnahme nicht tangiert.

Eckdaten zur Gesamtschule: Klassen von 5 bis 13, das Abitur kann nach neun Jahren (Gymnasien in Kleve: acht Jahren) abgelegt werden. In Klasse zehn legen die Schülerinnen und Schüler die zentralen Prüfungen zur Erreichung des mittleren Schulabschlusses ab. Das ist, so betonten die Referenten, an Gymnasien nicht möglich. Schüler, die das Gymnasium beispielsweise nach Klasse zehn verlassen, haben keinen anerkannten Schulabschluss.
Gelernt wird in Klasse fünf und sechs gemeinsam, der Klassenverband bleibt bis zur zehnten Klasse erhalten. Ab Klasse sieben werden Grund- und Erweiterungskurse angeboten, zunächst in zwei, später in vier Fächern. Eine zweite Fremdsprache kommt hinzu. Schüler, die in Klasse zehn die Gymnasialanforderungen erfüllen, können ihre Schullaufbahn in der schulinternen Oberstufe fortsetzen.

Eckdaten zur Sekundarschule: Klassen fünf bis zehn. Auch hier werden Schülerinnen und Schüler in Klasse fünf und sechs gemeinsam unterrichtet. Je nach pädagogischer Ausrichtung kann die Sekundarschule so wie Gesamtschulen in integrierter Form (s.o) zum mittleren Schulabschluss führen. Je nach Entscheidung des Schulträgers und der pädagogischen Fachkräfte kann nach Klasse sechs im bekannten dreigliedrigen System unterrichtet werden. Das, so betonte Heinz Gniostko, sei aber bisher bei keiner Antragsstellung vorgesehen gewesen. Schüler, die an der Sekundarschule einen mittleren Schulabschluss mit Gymnasialstandards erreicht haben, müssen die Schule wechseln. Zwingend vorgeschrieben ist die Kooperation mit einem oder mehreren Gymnasien, dem Berufskolleg und/oder der Gesamtschule, damit nach Klasse zehn die gymnasiale Oberstufe besucht werden kann. Die Kooperation ist ab Klasse fünf vorgeschrieben. Schüler haben allerdings die freie Wahl und können die gymnasiale Oberstufe besuchen, die ihnen zusagt.

Sowohl in der Gesamt- als auch in der Sekundarschule orientiert sich der Lehrplan an gymnasialen Standards.

Für die Gesamt- als auch für die Sekundarschule müsste, so die Eltern eine oder beide Schulformen im Kleverland wünschen, ein pädagogisches Konzept erstellt werden.

Sollte eine Sekundarschule gegründet werden, könnte in Bedburg-Hau und Kranenburg je eine Schule mit je zwei Eingangsklassen gebildet werden. Die Schülerinnen und Schüler können, so Bürgermeister Peter Driessen, Bedburg-Hau, ihre Schule frei wählen.

Detlef Garbe konnte nicht anders: „Wenn ich eine Empfehlung abgeben darf, würde ich die Sekundarschule empfehlen“, gab er den Eltern mit auf den Weg.

Dass in Garbes Konzept eine denkbare Möglichkeit fehlte, wurde in der anschließenden Fragerunde deutlich: „Warum können wir nicht eine Gesamt- und eine Sekundarschule gründen“, wurde gefragt. Diese Möglichkeit habe er in seiner statistischen Erhebung nicht erfasst, musste Garbe zugeben.

Heinz Gniostko macht auf eine weitere Schwierigkeit aufmerksam: Auf die Aussagekraft der Grundschulgutachten. Je nach Schule würden Schüler mit einem Notendurchschnitt von 2 zur Hauptschule oder zum Gymnasium empfohlen. „Der Bildungsgang Gesamtschule hat sich bewährt – er ist besonders erfolgreich, wenn schon im fünften Schuljahr eine Verzahnung stattfindet.“ Schülern, die eine solche Schule besuchten, bliebe zudem die falsche Zuordnugn durch das Grundschulgutachten erspart. Er unterstrich, dass gemeinsames Lernen immer Zeit brauche. „Daher sind die integrierten Schulen immer Ganztagsschulen.“

„Die Schulentwicklung muss neue Wege gehen – die interkommunale Zusammenarbeit wie sie hier geschieht, ist nicht selbstverständlich“, so Sigrid Beer. Die wohnortnahe Schulstandortsicherung und die Bildungsgerechtigkeit seien wichtige Stichpunkte in Sachen Schulentwicklung. Sie wandte sich direkt an den Schulentwickler, dessen Gutachten sie gerne lese. „Aber Sie sprechen mir zu wenig von Chancen und zu viel von Risiken. Außerdem gibt es bei der Abiturquote im Kreis noch ‚leichten“ Aufholbedarf“, spielte sie auf das schlechte Abschneiden des Kreises Kleve in Sachen Abiturquote an. „Haben Sie keine Angst vor einer weiteren Oberstufe“, forderte Beer alle am Bildungsprozess Beteiligten auf. „Ich glaube, im Gegensatz zu Dr.Garbe an das Mit- und Nebeneinader. Wer jetzt sagt‚das mache ich nicht mit, kann die Hand heben oder gehen.’“

Eltern können vom 16. bis 21. November ihre Stimme abgeben. Sowohl bei der Sekundar- als auch der Gesamtschule gibt es vier Antwortmöglichkeiten: Ja, bestimmt, eher ja, eher nein, nein. „Bei eher ja werden zwei Voten als ein Ja gezählt“, informierte Dr. Garbe auf Nachfrage.

Die Elternbefragung werde ernst genommen, versicherte Bürgermeister Theo Brauer. Neben der Befragung müssten allerdings weitere Punkte beachtet werden.

Am 9. Dezember tagt der nächste öffentliche, interkommunale Schulausschuss, den natürlich auch interessierte Eltern verfolgen können.

In Kleve wird sich der Stadtrat während seiner Sitzung am 14. Dezember mit dem Thema beschäftigen.

Autor:

Annette Henseler aus Kleve

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