Stücke 2019: Monochrom nicht monoton
Die Abweichungen lassen viel Raum für Spekulationen

Klare Linien im Bauhausstil im Bühnenbild, monochrom die Kostüme - vor diesem Hintergrund traten die Abweichungen die Reaktionen darauf umso deutlicher hervor. | Foto: Björn Klein
  • Klare Linien im Bauhausstil im Bühnenbild, monochrom die Kostüme - vor diesem Hintergrund traten die Abweichungen die Reaktionen darauf umso deutlicher hervor.
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Der Schweizer Clemens J. Setz ist mit "Die Abweichungen" bereits zum zweiten Mal für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert. Schon 2017 begeisterte sein Werk "Vereinte Nationen". Das aktuelle Stück wird vom Schauspiel Stuttgart unter der Regie Elmar Goerden auf die Bühne gebracht.

Von Andrea Rosenthal

Setz erzählt eine interessante Geschichte: Die Putzfrau Jennifer Yasím begeht Selbstmord. Die Tatortreiniger finden bei ihr Miniaturen der Wohnungen ihrer Kunden, die so kunstvoll gearbeitet sind, dass sie den Weg in eine Ausstellung finden. Die Kuratorin lädt die Wohnungseigentümer zur Vorbesichtigung ein, bei der einige Abweichungen der Kunststücke zur realen Welt sichtbar werden. Die Reaktion der Wohnungsbesitzer fällt sehr unterschiedlich aus.

Die Geschichte trägt. Die Schauspieler Katharina Hauter, Sven Prietz, Julius Forster, Josephine Köhler, Boris Burgstaller, Reinhard Mahlberg, Anke Schubert, Peter Rühring und Verena Buss schlüpfen teils in drei verschiedene Rollen, bringen die einzelnen Charaktere mit wenigen Requisiten überzeugend auf die Bühne.

Besonders Peter Rühring brilliert als dementer Hans Schab, der mit Verwirrtheit, Ängstlichkeit, Sturrheit und verzweifelter Aggressivität alle Symptome der Krankheit darstellt. Anke Schubert spielt seine liebende Ehefrau, die ihn umsorgt, aber an der Krankheit ihres "Eselchens" zerbricht.

Auch Katharina Hauter, Sven Prietz und Julius Forster die als Familie Kaindl agieren, denen die Putzfrau in ihrer Kunst ein zusätzliches Kind untergeschoben hat, zeigen die Schwankungen zwischen Unsicherheit, Verzweifelung und Angriffslust auf die "unverschämte Tote" und alternativ die dreiste Kuratorin überzeugend.

Die dritte Gruppe, die durch die Abweichung in der Miniatur aus der Bahn geworfen wird, sind Walter (Boris Birgstaller) und Adam Oesterle (Reinhard Mahlberg), die als schwules Ehepaar mit ihrer Tochter Emily (Josephine Köhler) zusammen leben. Sie stößt die Abweichung zurück in die Vergangenheit und zeigt einen Stillstand im Leben der Familie, der diese in tiefe Trauer stürzt.

Die Dialoge von Clemens J. Setz sorgen oft für Lacher im Publikum. Die Geschichte unterhält. Einzig die Metaebenen, die der Autor eingebaut hat, verlangen zumindest einiges an kulturellen Vorkenntnissen. Ob es die Parallele zur Outsider Art mit ihrem Vertreter Henry Darger oder die Kunst des Dokumentarfilms von Werner Herzog ist, deren Theorien Setz beim Schreiben von "Die Abweichungen" hat einfließen lassen, das Publikum wird davon nicht vollständig mitgenommen. Die Geschichte allein jedoch trägt und überzeugt. Das Publikum dankte es dem Ensemble des Schauspiels Stuttgart mit lang anhaltendem Applaus.

Autor:

Andrea Rosenthal aus Mülheim an der Ruhr

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