"Gewehrsmann" Trenelle
In Saarn knallte es immerzu

Was liegt näher als aus einem Kloster eine Gewehrfabrik zu machen?
So ziemlich alles. - Mag sein, dass solche Geschmacklosigkeit heute gar nicht mehr auffällt, wo wir uns an ähnlich Abstruses wie eine Kletterkirche in Mönchengladbach gewöhnen mussten.
Nein, es bedurfte in Saarn schon zweier außergewöhnlicher Figuren, um das christliche Kreuz ins militärische Fadenkreuz zu transferieren: Napoleon und Trenelle.
Der eine verstaatlichte alles kirchliche Besitztum und versuchte möglichst viel davon zu Geld zu machen. Der andere formte Blech zu militärtauglichen Gerätschaften mit hoher Absatzgarantie: Militärbetten und Gewehre.
Das Kloster Saarn war auch gar nicht mal einzigartig als Produktionsstätte von Militärbedarf. Trenelles Schwager Jacob Benjamin erwarb in Dixmont für 42000 Livres ein fast ebenso altes Kloster wie in Saarn.
Dies und erstaunlich viele andere Details erfährt man in dem jetzt erschienenen Buch von Dirk Ziesing: „S. Trenelle – Ein Franzose in Deutschland“ - Geschichte der Königlich Preußischen Gewehrfabrik in Saarn.
Den Saarnern vom Anfang des 19.Jh. noch bekannter war allerdings der technische Direktor Scheuerwasser, der hier voll integriert war. Der Grabstein seiner Frau steht heute noch eng bei der Dorfkirche.
Ziesings Buch ist sehr detailversessen und eine echte Ergänzung zu Heinz Weirauchs „Von Nonnen und Pistolen“. Während dieser sehr anschaulich die Saarner Situation vor Ort im Fokus hat, nähert sich Ziesing in sehr weiten Kreisen. Man erfährt z.B. von der langen Tradition reicher „Hofjuden“, die als Kaufleute für einen Fürsten, also bei Hofe, für alle Arten von Beschaffung und Versorgung tätig waren.
Samuel („Schmul“) Trenelle wurde 1776 als Franzose geboren, also nur 6 Jahre nach Beethoven, dessen Großvater aus Belgien stammte. Trenelle starb 1845. Das wallonische Lüttich war damals Zentrum der Schusswaffen-Produktion in Europa. Von dort wurden Arbeiter für die Gewehrfabrik in Saarn angeworben.
Trenelles Bruder Moyse war Offizier von zweifelhaftem Charakter in der französischen Armee.
Manchen mag bei den akribischen Aufzählungen von Lebensbeschreibungen vieler weiterer Familienmitglieder rund um S. Trenelle der Kopf so schwirren wie den zeitgenössischen Saarnern, wenn sie am Kloster vorbeigingen: Es knallte immerzu! Denn jede Waffe musste ja eingeschossen werden.
Der Aufenthalt von Felix Mendelssohn-Bartholdy 1834 bei Trenelle in Saarn bleibt leider unerwähnt. Dafür bringen die Zitate des Malers Feuerbach ein wenig menschliche Farbe hinein.

Fazit: Für den detailverliebten Heimatgeschichtler, um im Bild zu bleiben, ein Volltreffer!

Dirk Ziesing: „S. Trenelle – Ein Franzose in Deutschland", agenda Verlag, Münster 2019, - 24,90 €

Autor:

Franz Bertram Firla aus Mülheim an der Ruhr

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