Theater, das bewegen will: Auch die 41. Mülheimer Theatertage spiegeln die Realitäten und Widersprüche unserer Gesellschaft

Bei der Vorstellung des Stücke-Programms im Theater an der Ruhr (v.l.) Kulturdezernent Ulrich Ernst, der Jury-Vorsitzende der Kinderstücke, Werner Mink, der Jury-Vorsitzende der Mülheimer Theatertage, Franz Wille, NRW-Staatssekretär Bernd Neuendorf und Festivalleiterin Stefanie Steinberg (Foto: Emons)
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  • Bei der Vorstellung des Stücke-Programms im Theater an der Ruhr (v.l.) Kulturdezernent Ulrich Ernst, der Jury-Vorsitzende der Kinderstücke, Werner Mink, der Jury-Vorsitzende der Mülheimer Theatertage, Franz Wille, NRW-Staatssekretär Bernd Neuendorf und Festivalleiterin Stefanie Steinberg (Foto: Emons)
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Wenn Mülheim einen prominenten Kulturbotschafter hat, dann die Mülheimer Theatertage Stücke. Wenn ihre 41. Auflage vom 7. bis zum 28. Mai in der Stadthalle, im Ringlokschuppen und im Theater an der Ruhr über die Bühne geht, schaut zumindest das theaterbegeisterte Deutschland nach Mülheim. Die Liste der Mülheimer Dramatikerpreisträger liest sich wie ein Wer ist wer? der modernen Theaterliteratur. Franz Xaver Kroetz, den viele auch als Schauspieler kennen, machte mit seinem Stück "Das Nest" 1976 den Anfang. Später folgten ihm Autoren, wie zum Beispiel Heiner Müller, Ernst Jandl, Botho Strauß, George Tabori, Peter Handke, Tankred Dorst oder Elfriede Jelinek.

Sieben Stücke kommen auf die Bühne

54 aktuelle Theaterproduktionen haben sich Jury-Chef Franz Wille von der Zeitschrift Theater heute und seine Mit-Juroren Tobias Becker, Jürgen Berger, Christine Wahl und Dagmar Walser (alle ausgewiesene Kulturjournalisten und Theaterkenner) 2015 bundesweit angesehen.
Jetzt stellte Franz Wille im Theater an der Ruhr die sieben Stücke vor, die in das Rennen um den mit 15.000 Euro dotierten Dramatikerpreis gehen.
Sibylle Bergs Stück "Und dann kam Mirna", inszeniert vom Maxim-Gorki-Theater aus Berlin, thematisiert Anspruch und Wirklichkeit weiblicher Lebensentwürfe, in denen sich moderne Frauen mit ihren biografischen Brüchen herumschlagen.
Das existenzielle Drama, das Eltern mit ihrem Kind durchleben, das mit einem über kurz oder lang tödlichen Gen-Defekt geboren worden ist, thematisiert Wolfram Höll mit seinem vom Schauspiel Leipzig inszenierten Stück "Drei sind wir"!
Felicia Zellers "Zweite allgemeine Verunsicherung", inszeniert vom Schauspiel Frankfurt, konfrontiert das Publikum mit der neurotischen Dynamik und den oft ausweglosen sozialen Zuständen in unserer Gesellschaft.
Mit seinem vom Schauspiel Stuttgart und den Münchener Kammerspielen inszenierten Stück "Buch (5 ingredientes de la vida)" nimmt Fritz Kater seiner Zuschauer mit auf eine Zeitreise, ausgehend von den 60er Jahren bis in die Gegenwart, und beschreibt dabei die kreative, aber auch zerstörerische Kraft, die gesellschaftliche Utopien entfalten können.
Das von Yeal Ronen geschriebene und vom Maxim-Gorki-Theater Berlin inszenierte Stück "The Situation" greift das aktuelle Flüchtlingsdrama und seine Verwerfungen auf. Obwohl es sich um die Inszenierung eines deutschsprachigen Theaters handelt, wird das in einem Deutsch-Sprachkurs angesiedelte Stück aus Gründen der Authentizität in den Sprachen gespielt, die die meisten Flüchtlinge sprechen, Englisch und Arabisch.
Ferdinand Schmalz und sein Stück "Dosenfleisch" (was für eine Kombination) sind dagegen eine vom Burgtheater Wien und vom Deutschen Theater Berlin inszenierte bitterböse und schwarze Komödie über den Geschwindigkeitswahn unserer Zeit, gepaart mit dem Irrglauben, dass alles und jeder immer verfügbar sein müsse. Ironie der Geschichte. Ort der Handlung ist eine Autobahnraststätte.
Und last, but not least gehört auch Thomas Melles vom Theater Bonn auf die Bühne gebrachte Drama "Ein Bild von uns" zu den Stücken, die im besten Sinne der Stücke-Tradition gesellschaftlich relevante Themen in Szene setzen. Bei Melle ist es das Thema des sexuellen Missbrauch und seiner verheerenden Folgen für die Persönlichkeitsentwicklung der Opfer.
Wahrscheinlich dürfte Kulturdzernent Ulrich Ernst richtig gelegen haben, als er bei der Programm-Vorstellung meinte: "Ich habe im letzten Jahr kein Stück der Mülheimer Theatertage versäumt und das auch im Nachhinein nicht bereut. Und das wird wohl auch in diesem Jahr wieder so sein."

Ohne Förderung geht es nicht

Der Jury-Chef der Mülheimer Theatertage, Franz Wille, und Festivalleiterin Stefanie Steinberg waren sich einig in ihrer Einschätzung, dass gutes und kritisches zeitgenössisches Theater nur dann geschrieben und aufgeführt werden kann, wenn sich, wie bei den Mülheimer Theatertagen, Förderer und Geldgeber, wie die Stadt, das Land und die Leonhard-Stinnes-Stifung finden, die das auch finanziell und organisatorisch unterstützen.
Wie die Kinderstücke, so werden auch die Stücke selbst auf der Internetseite: www.stücke.de mit einem von Studierenden gestalteten Internet-Blog begleitet und dokumentiert. Außerdem werden Schauspielschüler der Folkwanghochschule mit kurzen szenischen Vorspielen im Festival-Programm mitwirken und ihr Können so einem breiten und interessierten Publikum vorstellen können. Und wie bei den Kinderstücken, so beginnt auch der Kartenvorverkauf für die Stücke am 23. März. Theatertickets gibt es in der MST-Touristinfo (Rufnummer 960960) am Synagogenplatz 3. Und wie bei den Kinderstücken, erhalten Schüler, Studenten, Inhaber des Mülheim-Passes und Schwerbeghinderte einen 40-prozentigen Rabatt auf die Theaterkarten, die je nach Sitzplatz zwischen 24 und 37 Euro kosten.Thomas Emons

Bei der Vorstellung des Stücke-Programms im Theater an der Ruhr (v.l.) Kulturdezernent Ulrich Ernst, der Jury-Vorsitzende der Kinderstücke, Werner Mink, der Jury-Vorsitzende der Mülheimer Theatertage, Franz Wille, NRW-Staatssekretär Bernd Neuendorf und Festivalleiterin Stefanie Steinberg (Foto: Emons)
Der Jury-Vorsitzende Dr. Franz Wille ("Theater heute") stellte im Theater an der Ruhr das Programm der 41. Stücke vor. (Foto: Emons)
Autor:

Thomas Emons aus Mülheim an der Ruhr

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