Interview mit Boris Reichel zum Start der Badminton-Bundesliga

Trainer Boris Reichel | Foto: Kai Kulschewski

Warum ist der 1.BV Mülheim stärker als in der letzten Saison?
Zum einen lernt die Mannschaft aus den Erfahrungen, die sie in den letzten Jahren gesammelt hat. Und zum anderen gibt es natürlich noch die Herausforderung, Meister zu werden. Diese Herausforderung brauchen wir auch. Deswegen sind wir wieder heiß, anzugreifen. Und mit Fontaine (Chapman) sind wir jetzt im Damenbereich flexibler.

Was ist das Geheimnis der Mannschaft? Was macht die Mannschaft so einzigartig?
Da ist ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl im Team. Wir sind eine der wenigen "Mannschaften" in einer Individualsportart. Die Spieler haben sich gefunden und machen auch Drumherum viel miteinander. Gehen zusammen aus, treffen sich zum Kaffeetrinken oder Frühstücken. Sie kümmern sich wirklich umeinander. Das passt von den Leuten ganz gut zusammen und deswegen glaube ich, haben wir das beste Mannschaftsgefüge in der ganzen Liga.

Was gibt es in der nächsten Saison zu verbessern? Außer vielleicht das Endspiel zu gewinnen.
Man hat gemerkt, dass unsere Spieler gegen Spielende etwas nervös wurden. Alex (Roovers) hat es oftmals geschafft, über "seinem Niveau" zu spielen. Man hat es gegen Lüdinghausen gesehen, wie sehr es die Leute dem Alex gegönnt hätten, Geschichte zu schreiben. Aber es ist noch nicht soweit. Alex hat gerade in dieser Konstellation der Mannschaft so extreme Fortschritte gemacht, obwohl er keine optimalen Trainingsbedingungen hat und sein Fokus auf dem Studium liegt. Also: Nervosität ablegen und aus den Erfahrungen lernen. Ich glaube, dass wir da besser werden. Und wenn wir den Spaß am Spielen behalten, sind wir wieder ein ganz gefährlicher Gegner.

Welches Saisonziel wird ausgegeben?
Das Ziel ist definitiv, die Playoffs zu erreichen. Was nachher dabei herauskommt ist nicht planbar. Die Playoffs der letzten Saison waren eine wirklich tolle Erfahrung mit einem verrückten Verlauf. Wenn das in diesem Jahr wieder so läuft, bin ich zufrieden. Titel-Favorit zu sein ist echt ätzend. Das wollen wir nicht und sind wir auch nicht.

Man spielte vor drei Jahren noch in der zweiten Liga. Darf jetzt vom Titel geträumt werden?
Natürlich. Wenn man sieht, wie schnell das in den letzten Jahren nach oben ging und wir trotzdem nicht die Identifikation verloren haben. Bei vielen anderen Vereinen spielen angeblich viele Lokalmatadoren. Wenn man dann mal genau schaut, sind das oftmals zugewanderte Spieler. Aber Leute die wirklich aus dem eigenen Verein kommen und in der 1. Liga konkurrenzfähig sind, da gibt es nur ganz wenige. Und wir haben einen (Alexander Roovers) davon.

Wer ist der Favorit für die nächste Saison?
Bischmisheim. Im Damenbereich haben sie die gleiche Situation wie im letzten Jahr. Bei den Herren hatten sie schon zwei Spieler mit einer fantastischen Bilanz und haben sich nun nochmal verstärkt. Ich sehe uns nach wie vor nicht als Favorit. Unsere Leistung ist immer ein Ergebnis davon, wie wir in die Saison reinfinden, wie viel Spaß die einzelnen Leute haben und wie gekämpft wird. Das ist nicht planbar.

Welche Vereine gehören noch zum Favoritenkreis?
Wir kommen um die üblich Verdächtigen nicht herum. Beuel und Lüdinghausen sind natürlich immer ganz starke Mannschaften. Man muss allerdings auch ein Auge auf Trittau werfen. Die haben sich auch verstärkt. Am Ende wird es entscheidend sein, welche verpflichteten Spieler auch tatsächlich auf dem Feld zu sehen sind. Es wird definitiv wieder eine interessante Saison. Ich glaube, die Lücke vom Mittelfeld nach unten ist nochmal größer geworden. Leider. So 5–6 Mannschaften können auf Augenhöhe spielen. Und das ist wichtig, damit es nicht so eintönig ist.

Wie schafft es der BVM mit Mannschaften mitzuhalten, die einen größeren Etat haben? Ist es ein glückliches und gutes Händchen des Trainers beim Zusammenstellen des Teams?
Ich habe die Leute ganz gezielt danach ausgesucht, dass sie gut zusammen passen. Wir haben mit Jorrit wirklich ein absolutes Arbeitstier, der wirklich extrem viel ackert und dadurch einfach das Niveau im Spiel immer konstant hält. Mit Marcus haben wir den Kreativen. Wirklich einen mit Händchen. Mit Dima haben wir natürlich den Einzelarbeiter. Der immer hinten raus die Überraschung bringt. Ich habe immer zu Dima gesagt: 'Es ist egal, wenn du den ersten Satz verlierst. Du bist im dritten Satz stark.' Judith bringt die Erfahrung rein und mit Johanna haben wir eine der besten Doppel- und Mixedspielerinnen. So haben wir das, was sich am Ende wirklich sehr gut zusammengefügt hat. Es ist das Ergebnis von vielen guten Zutaten, die nachher ein verdammt gutes Gesamtgefüge ergeben.

Am 14.9 startet der BVM mit einem Auswärtsspiel in Beuel. Hätte man sich lieber ein leichteres Spiel gewünscht?
Ich finde es viel schwieriger, am Anfang vorgegaukelt zu bekommen: 'Wunderbar. Es geht alles genau so weiter. Kein Problem.' Ich warne immer bei diesen Begegnungen gegen so genannte "leichte" Gegner. Mit einem schweren Spiel am Anfang, wissen wir direkt, wo wir stehen. Nachdem wir in der letzten Saison gegen Bischmisheim so verhauen wurden, habe ich immer gesagt: „Ich verliere nicht gerne. Aber an dieser Stelle finde ich es gut. Es hält uns wach. Alle Leute wissen, es ist kein Selbstläufer. Wir müssen wieder ran, kämpfen und aufmerksam bleiben.“ Das hat dann auch wirklich gut funktioniert. Wir hatten in der letzten Saison den Tiefpunkt gegen Bischmisheim. Gegen Beuel wurde es ein wenig besser. Gegen Lüdinghausen haben wir dann hier einen fantastischen Kampf geliefert und hier im Playoff Halbfinale gegen Beuel eine wirklich super Leistung gebracht.

Du als Trainer trainierst die Spieler nur kurz vor den Spieltagen. Welchen Einfluss hat man dann noch auf die Spieler?
Ich glaube, dass ich einen großen Einfluss auf sie habe. Weil ich sie oftmals auch zwischen den Bundesligaspielen auf Turnieren sehe. Ich verstehe mich mit der Mannschaft auch neben dem Feld. Dima kommt auf jedem Turnier freudestrahlend an und sagt: 'Hey, Coach.' Ich sage ihm dann, dass ich jetzt gerade nicht sein Coach bin. Das ist wunderbar. Da ich sie nicht permanent trainiere hoffe ich, dass ich so Frische in das Coaching und in das Spiel reinbringe. Ich bin jemand, der draußen am Feld extrem anfeuert. Deswegen habe ich, obwohl ich sie nicht permanent unter meinem Training habe, einen großen Einfluss auf das Team.

Andere Mannschaften wie z.B. Bayer Uerdingen waren sehr erfolgreich, verschwanden aber wieder. Der BVM steht mit wenigen Jahren Auszeit seit 50 Jahren wie ein Fels in der Brandung. Warum gerade Mülheim?
Ich denke natürlich an die Strukturen hier vor Ort. Mit der Unterstützung des Verbandes und der Stadt. Beide haben gesagt: 'Mülheim wird die Badmintonstadt in Deutschland.' Aber auch wegen dem Bundesverband, dem Nachwuchsstützpunkt und den Yonex German Open als ganz wichtigem Turnier hier vor Ort.
Daneben haben wir immer noch starke individuelle Kräfte im Verein. Mit den absolut Badminton verrückten Bernd (Schäfers) und Berthold (Altenbeck), die immer ansprechbar waren und sind. Wir werden irgendwann auch wieder Schwächeperioden erleben. Wenn sich nur mal zwei Spieler umorientieren wollen oder müssen, kann das ganze Konstrukt ins Wanken geraten. Ich glaube, in den letzten 6 Jahren haben wir es sehr gut gemacht. Und das ist das Resultat. Für mich ist Kontinuität plus das gewisse Extra das Entscheidende. Das haben wir hier geschafft. Deswegen Mülheim.

Im Weltverband wird eine neue Zählweise (drei Gewinnsätze bis 11) getestet. Bist Du dafür?
Was in einem Spiel bis zu einem Punktestand von 11 passiert, kann man sich eigentlich komplett schenken. Die Spieler warten ab und das merkt man. Was in der zweiten Satzhälfte passiert, das ist eigentlich das Interessante. Deshalb halte ich es für richtig, den Satz direkt bis 11 zu begrenzen. Ob man mit Satzverlängerung evtl. bis 15 spielen sollte, ist auch noch eine Überlegung wert. Da ist ja wirklich jeder Schlag entscheidend. Das würde ich noch begrüßen.

Was muss verbessert werden, damit Badminton für das breite Publikum interessanter wird?
Ich glaube, dass die momentan getestete Form der Zählweisenänderung unserem Sport nochmal helfen kann und Badminton in meinen Augen deutlich spannender macht. Dann natürlich die Kontinuität. Ich glaube, dass wir jetzt tatsächlich davon sprechen können, dass wir Fans gewonnen haben. Alle Leute, die ich zu einem Badmintonspiel gebracht habe, sind immer wieder gekommen. Und die Frage ist doch: Wie erzählen wir es möglichst vielen, warum Badminton so interessant ist? Wenn wir Glück haben, kommen sie zum richtigen Spiel. Und wenn wir es auch schaffen, dass die Leistungsdichte in der ersten Liga enger wird, glaube ich, dass wir dann auf einem guten Weg sind.

Danke für das Gespräch und viel Erfolg in der neuen Saison.
Das Gepräch führte Kai Kulschewski (Pressesprecher des 1. BV Mülheim)

Autor:

Kai Kulschewski aus Mülheim an der Ruhr

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