Vom Torjäger zum Sprecher des Oberbürgermeisters - Hannes Fritsche vor dem Ruhestand
Freude war immer im Spiel

Hannes Fritsche vor seiner sportlichen Heimat, dem Stadion Niederrhein.
Archivfoto: Carsten Walden
  • Hannes Fritsche vor seiner sportlichen Heimat, dem Stadion Niederrhein.
    Archivfoto: Carsten Walden
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Die einen besangen seine elastischen Beine, ein anderer titulierte ihn als Propagandaminister – wenn für Hannes Fritsche am Ende des Monats auch die Tage als Sprecher von Oberbürgermeister Daniel Schranz gezählt sind, liegt ein bemerkenswerter Lebenslauf hinter dem Mann, der in der Saison 69/70 sieben Bundesligatore für Rot-Weiß Oberhausen erzielte.

WA-Redakteur Jörg Vorholt, der den 71-Jährigen einst als journalistischen Kollegen kennenlernte und ihn daher auch duzt, wollte mehr über Fritsches Lebensweg erfahren.

WA: Hannes, vom Mittelstürmer zum Sprecher des Oberbürgermeisters, das ist alles andere als ein klassischer Lebenslauf. Welches Gefühl beschleicht Dich, wenn Du auf die Stationen schaust?
Fritsche: Die entscheidende Klammer auf allen Stationen war für mich, dass ich immer mit Enthusiasmus und großer Freude an die Arbeit gegangen bin. Weil alle Jobs aber auch mehr oder weniger in der Öffentlichkeit stattfanden, musste ich natürlich auch mit öffentlicher Kritik leben – was bekanntlich nicht immer unbedingt angenehm ist. Ehrabschneidende Kommentare blieben allerdings früher die Seltenheit. Das kam erst in den letzten Jahren.

WA: Viele Oberhausener kennen Dich als ehemaligen RWO-Stürmer aus der Bundesligazeit, Du warst auch sehr erfolgreich eine Klasse tiefer, hast beachtliche 87 Zweitligatore erzielt. Besonders erfolgreich warst Du für den ETB Schwarz-Weiß Essen, dessen Fans Dir sogar ein Lied gewidmet haben…
Fritsche: Oh weh, dass dies jetzt auch wieder zur Sprache kommt… Aber ja, nach der Melodie des damaligen Hits „Schmidtchen Schleicher“ von Nico Haak  hatten die Fans einen selbst verfassten Text über „Hannes Fritsche mit den elastischen Beinen“ gesungen.

WA: … und dann wärest Du beinahe zum großen HSV gewechselt?
Fritsche: Ja, wenn ich ehrlich bin, habe ich damals gekniffen. Ich war in Essen Kapitän und mir absolut sicher, dass wir mit der jungen Mannschaft früher oder später in die Bundesliga aufsteigen würden. Deshalb bin ich geblieben. Doch dann verließ der Sponsor das Boot und die tolle Mannschaft mit späteren Nationalspielern wie Uwe Reinders oder Thomas Hörster fiel völlig auseinander.

WA: Wie kam es zu Deinem ja auch sehr erfolgreichen Wechsel in den Journalismus?
Fritsche: Als Fußball-Profi hatte ich natürlich Kontakt zu vielen Journalisten. Das gefiel mir und ich traute mir die Arbeit auch zu, deshalb habe ich die Chance genutzt und bei der Funke Gruppe, die damals noch WAZ-Gruppe hieß, ein Volontariat absolviert.

WA: Du hast als stellvertretender Sportchef der NRZ viele große Momente erlebt wie das Endspiel 1990 in Rom. Aber ein anderer Moment hat Dich weniger begeistert, bei dem die Bayern-Fans sehr tapfer sein müssen…
Fritsche: Von 1986 in Mexiko bis 2006 in Deutschland habe ich alle Fußball-Weltmeisterschaften und Europameisterschaften vor Ort begleitet. Allerdings saß ich auch in Barcelona auf der Pressetribüne, als die Bayern im Champions-League-Finale turmhoch überlegen spielten, bis in die Nachspielzeit noch 1:0 gegen Manchester United führten und dann trotzdem noch 1:2 verloren. Vielleicht die bitterste Niederlage in der Münchner Vereinsgeschichte.

WA: Wie war das für Dich, dann als NRZ-Lokalchef in Deine geliebte Heimatstadt beruflich zurückzukehren?
Fritsche: Bis auf meine Profi-Zeit im Fußball habe ich ja immer in meiner Geburtsstadt gewohnt. Deshalb wusste ich, dass Oberhausen eine hochinteressante Stadt ist, in der man als Journalist ausgezeichnet arbeiten kann. Das waren wirklich schöne Jahre, an die ich sehr gerne zurück denke.

WA: Als es nach einem „normalen“ Ruhestand aussah, suchte die CDU 2010 einen Fraktionsgeschäftsführer. Was hat Dich motiviert, diese völlig neue Herausforderung anzunehmen?
Fritsche: Im Prinzip das Gleiche wie beim Job als NRZ-Lokalchef. Oberhausen war schon damals eine großartige Stadt, brauchte aus meiner Sicht aber mehr politischen Wettbewerb. Ich hatte den Eindruck, dass die regierenden Sozialdemokraten nach Jahrzehnten an der Macht nicht mehr die Kraft besaßen, um wichtige Entwicklungen in Gang zu setzen.

WA: Du hast der Oppositionsarbeit der CDU ein völlig neues Leben eingehaucht, hast klare Kante gezeigt. Fällt so etwas in der Heimatstadt nicht besonders schwer oder motiviert das umso mehr? Schließlich macht man sich da nicht nur Freunde und muss auch mit Beschimpfungen, wie zu Beginn bereits erwähnt, leben.
Fritsche: Der Vergleich mit dem Propagandaminister war natürlich nicht in Ordnung. Aber schließlich hat sich der damalige Minister Mike Groschek umgehend dafür entschuldigt und damit sollte es dann auch gut sein. Richtig ist aber, dass der Ton insgesamt rauer geworden ist. Mit „Klarer Kante“ bin ich einverstanden, nicht aber mit persönlichen Beleidigungen oder sogar mit Bedrohungen. Was da manchmal in den sozialen Netzwerken, aber auch in Teilen der Presselandschaft passiert, ist beängstigend und gefährlich.

WA: Dein großes politisches Ziel war, dass Daniel Schranz sein Amt als Oberbürgermeister 2020 verteidigt. Euch verbindet ja mittlerweile auch eine Freundschaft. Was macht ihn aus?
Fritsche: Unter anderem das, worüber wir eben gesprochen haben. Daniel Schranz ist nie ehrverletzend oder beleidigend, sondern wertschätzend und zugewandt. Er ist ein akribischer Arbeiter, besitzt außergewöhnliche rhetorische Fähigkeiten und eine kaum zu erschütternde Loyalität. Er lässt Kritik nicht nur zu, sondern fordert sie sogar ein, weil er sie als Chance begreift und nicht als Bedrohung.

WA: Noch einmal zurück zum runden Leder, Du hältst RWO die Treue, warst zwischenzeitlich noch einmal im Aufsichtsrat. Hält auch weiterhin der Kontakt zu den alten Weggefährten wie Franz Krauthausen, Hermann-Josef Wilbertz oder Werner Ohm?
Fritsche: Oberhausen ist meine Heimatstadt und RWO ist mein Heimatverein, das wird auch immer so bleiben. Zu den Heimspielen trafen sich vor Corona die alten Recken fast immer im Stadion, nach der Krise werden wir hoffentlich wieder an diese Tradition anknüpfen. Franz kommt natürlich seltener, weil er seit Jahren in der Nähe von Freiburg wohnt. Aber an RWO hängt er immer noch und er ist ein toller Mensch. Als ich mit 18 Profi wurde, hat er sich rührend um den damals orientierungslosen Frischling gekümmert. Das war und ist nicht selbstverständlich. Mit Werner Ohm habe ich übrigens schon als sechs- siebenjähriger Steppke auf der Straße gespielt, weil wir nur 50 Meter entfernt voneinander wohnten.

WA: Du lebst mit Deiner Frau im Grafenbusch, der eine Sohn lebt in Oberhausen, der andere in China, das vierte Enkelkind ist unterwegs. Gibt es schon einen Plan für die Tagesstruktur ab dem 1. Mai?
Fritsche: Erstaunt hat mich, dass es sogar schon wieder Anfragen für ein neues Engagement gegeben hat. Aber darüber will ich jetzt nicht nachdenken. Wenn die Pandemie es zulässt, werden meine Frau und ich sicher viel reisen. Ich lese sehr viel, bin in einem Whisky-Klub, in dem wir großen Spaß haben, wenn wir uns denn wieder treffen können – und nicht zuletzt gibt es ja auch die erwähnten Enkelkinder. Der Älteste wird jetzt sieben und spielt bei Sterkrade Nord. Da sind schon die ersten Trainingseinheiten mit dem Opa im Garten fällig.
Danke für das Gespräch!

Autor:

Jörg Vorholt aus Oberhausen

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