Gedanken zur Demo-Welle gegen Rechtsextremismus
Demos, auch in Rheinberg: Von Selbstvergewisserung bis hin zu ungelösten Problemen

Foto: Pixabay

Die aktuelle und zugleich beeindruckende Demonstrationswelle für Demokratie, für Toleranz, für Vielfalt sowie gegen den Rechtsextremismus und gegen die AfD, die großflächig bis hinein in die kleineren Orte schwappt, dürfte in dieser Ausprägung und Flächigkeit bei phänomenaler Ermüdungslosigkeit wohl einzigartig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschlands sein.

Ausgelöst hat diese Demonstrationswelle offensichtlich das Correctiv-Medienhaus mit seinen Enthüllungen des Potsdamer Treffens von etwa zwei Dutzend völkisch orientierten Menschen, darunter, wenn man auf die Parteimitgliedschaft schaut, AfD-Mitglieder, aber auch, wenn auch in kleinerer Anzahl, CDU-Mitglieder, die dem Vernehmen nach im Gegensatz zu den AfD-Mitgliedern hochkant aus ihrer Partei rausgeschmissen wurden.

Dieses eine Treffen hat zu dem gewaltigen "Shit-Storm" für die AfD geführt, hat das Fass zum Überlaufen gebracht, hat die Menschen auf die Straße getrieben, zum Teil wohl auch einer massenpsychologischen Dynamik folgend, die keiner Zivilcourage bedarf, die aber einer erleichternden Selbstvergewisserung gut tut. Dabei gab es vorher doch schon genügend Aussagen von AfD-Politikern, die hätten hellhörig werden lassen müssen. Gegendemos sind übrigens Fehlanzeige. Gibt es die AfD-Sympathisanten nur im Verborgenen, die sich einer Auseinandersetzung einfach entziehen?

Die Demos haben die AfD bundesweit, wenn man den Umfragen folgt, um 3-4 Prozent zurückgeworfen. Ist das nun viel oder wenig?

Ich persönlich habe inzwischen an drei örtlichen Demonstrationen teilgenommen, an einer stillen Demo im Rheinberger Ortsteil Ossenberg (ca. 200 Teilnehmer), an einer lautstarken Demo im Rheinberger Ortsteil Orsoy anlässlich des dortigen Kreisparteitags der AfD (ca. 400 Teilnehmer) und an einer Demo in der Rheinberger Altstadt am heutigen Tag (ca. 2500 Teilnehmer). Alles Demos, die aus der Zivilgesellschaft entstanden.

"Wir wollen bunt und vielfältig sein bzw. bleiben!" im Zusammenhang mit "AfD weg!" schien mir die übergeordnete Devise aller Demos zu sein. Gut so! Die bunte Gesellschaft solidarisiert sich. Auch gut, aber - auf all den Demos vermisste ich die Repräsentation dieser bunten Gesellschaft, jedenfalls was den Augenschein betrifft. Dabei meine ich nicht die verschiedenen Lebensentwürfe und Lebensweisen der Menschen, die den Menschen nun mal nicht auf der Stirn geschrieben stehen, sondern die Buntheit der Herkunft, die man oftmals, wenn auch nicht immer, äußerlich erkennen kann. Wo sind sie, die Menschen mit Migrationsgeschichte, für welche die AfD eine Gefahr darstellt?

Auf der heutigen Demo am Markt konnte ich sie nicht sehen, allenfalls vereinzelt, wohl auf dem Demonstrationszug durch die Straßen der Rheinberger Altstadt, wenn ich zur Seite schaute. Ich sah von ihnen indifferente Blicke, manchmal an einem Straßenevent interessierte Blicke, zuweilen auch fragende Blicke. Zustimmung, Applaus für die Demo? Nichts. Warum, frage ich mich. Hier wird doch in ihrem Interesse demonstriert. Mich beschleicht eine Befürchtung, irgendwie die ungeheuerliche Befürchtung, dass viele Menschen mit Migrationsgeschichte, ob schon länger hier, vielleicht hier sogar geboren, oder erst seit wenigen Jahren in Deutschland, überhaupt nicht informiert sind über das, was in Deutschland, was in ihrem Ort politisch im Diskurs steht. Leben sie womöglich in einer Blase, medienmäßig weit weg von Tagesschau & Co., auch weit weg von dem, was in ihrem deutschen Lebensumfeld passiert? Leben sie womöglich in einer Parallelwelt? Kein gutes Zeichen für gelungene Integration, wie ich finde.

Dennoch: Die Demonstrationswelle ist gut. Demokratie, Freiheit, Vielfalt und Toleranz sind kein einfaches Geschäft. Jeder Einzelne möge es in die Hand nehmen!

Autor:

Helmut Feldhaus aus Rheinberg

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