Interview mit Claudia Wendel, Ortsvorsteherin von Unna-Mühlhausen
Eine Frau steht ihren Mann

Claudia Wendel ist verheiratet, Hausfrau und Mutter, Ortvorsteherin, Bauingenieurin und Mitglied im Rat der Stadt Unna. Fotos: Privat
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  • Claudia Wendel ist verheiratet, Hausfrau und Mutter, Ortvorsteherin, Bauingenieurin und Mitglied im Rat der Stadt Unna. Fotos: Privat
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Claudia Wendel ist Ortsvorsteherin von Mühlhausen und sitzt für die Grünen im Rat der Stadt Unna. Außerdem ist die 52-Jährige verheiratet, hat einen Sohn, lenkt den Familienhaushalt mit Kochen, Backen, Bügeln und übt als Ingenieurin für technischen Umweltschutz in Dortmund einen typischen Männerberuf aus.
Interview von Martina Hitzler für den Stadtspiegel:

Welchen Beruf übst Du aus und wieviel Frauen arbeiten dort?

Claudia Wendel: "Ich bin studierte Ingenieurin für technischen Umweltschutz, vergleichbar mit Bauingenieurin und arbeite in der Stadtentwässerung und plane Kanäle. Wir sind 25 Planer im technischen Bereich, weniger als 1/3 davon sind Frauen. Auch im Studium nur waren es nur rund ein Drittel Frauen. Ich persönlich arbeite lieber mit Männern zusammen. Eine reine Frauengruppe wäre für mich nichts."

Bekleiden Frauen in Deinem Job auch Führungspositionen?

Claudia Wendel: "An meinem Arbeitsplatz sind weniger Frauen in Führungspositionen. Wenn eine Frau eine solche Position bekleidet, dann wird gesagt: „Der Geschäftsführer mochte sie sehr gerne.“ Das bedeutet, dass diese Frau nicht aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation diese Stelle bekleidet. Das schmälert den Respekt."

Was ist Deiner Meinung nach eigentlich Macht?

Claudia Wendel: "Dieser Begriff ist in unserem Alltag meistens sehr negativ besetzt. Mir fällt dazu der Begriff des „Machthabers“ ein: Diktatorisch regierende Politiker gegenüber demokratisch Regierenden. Ich habe dazu einen Text aus einem Buch von Robert Habeck mitgebracht: Er schreibt, dass der Vorteil der liberalen Demokratien im Gegensatz zu Diktaturen die Fähigkeit zur ständigen Selbstkorrektur ist. Macht wird hier auch gleichgesetzt mit dem „Autoritären“, eher männlichem Gebaren, welches sich selten selbst korrigiert. Was Macht bedeutet, ist gar nicht so einfach zu sagen: ich will lieber die Frauenmacht und keine Männermacht."

Auch im Urlaub ist Claudia Wendel am liebsten mit dem Fahrrad unterwegs. Foto: privat
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Wie unterscheidest du Männermacht und Frauenmacht an einem Beispiel?

Claudia Wendel: "Manchmal fühlt man sich als Frau von bestimmten männlichen Personen ignoriert. Man wird zwar freundlich behandelt, aber nicht so richtig wahrgenommen. Wenn man eher zurückhaltend ist, dann wird diese Männermacht ausgespielt.
Auch im Beruf habe ich das oft bemerkt, das beispielsweise eine laute Stimme manchmal zum männlichen Machtverhalten dazu gehört. Ab und zu trifft man auch Menschen, die haben gar keine laute, sondern eine „mächtige“ Stimme und ich kann gar nicht mal sagen, woran das liegt. Frauenmacht wird oft über die Attraktivität der Frau ausgeübt."

Ist Macht und Einfluss nur Qualifizierung oder auch Verhalten?

Claudia Wendel: "Es ist auch Verhalten, eindeutig. Das zeigt sich jetzt auch in meiner ehrenamtlichen Tätigkeit als Ortsvorsteherin. Es ist schon auch eine Frage der Macht, sich als neue Ortsvorsteherin zu positionieren. Gemeinsam mit Susanne Tommes wollen wir mit lokalen Aktivitäten auf uns aufmerksam machen. Wir wollen vielleicht eher über einen guten Kontakt zum Bürger punkten und dadurch unsere „Macht“ ausbauen. Auch bei der Recherche und bei Fragen bekommt man eher eine Antwort, wenn man sagt, dass man Ortsvorsteherin ist."

Macht haben bedeutet dann wohl auch, eine bestimmte Funktion zu haben, unabhängig vom Geschlecht, oder?

Claudia Wendel: "Sobald ich sage, ich komme von der Stadt Dortmund wird mir gleich schon ganz anders gegenübergetreten. Bei Frauen wird sofort nach der Funktion gefragt, bei Männern wird später danach gefragt. Beispiel: Ich war mit einer Frau bei einer Vermessung. Sie war Ingenieurin, ich die Assistenz. Irgendwann wurden wir gefragt, wann denn die Männer kämen, weil keiner verstanden hatte, dass meine Kollegin die angeforderte Vermessungsingenieurin war."

Wollen Frauen überhaupt Macht?

Claudia Wendel: "Ich persönlich bin mit meiner beruflichen Tätigkeit vollkommen zufrieden, ich will gar nicht mehr Macht und Einfluss. Oftmals sind Jobs, die höher auf der Karriereleiter liegen, mit bestimmten Tätigkeiten verbunden, die mehr in die Verwaltungstätigkeit gehen. Das würde ich gar nicht machen wollen.
Bevor ich Ortsvorsteherin wurde fragte mich ein männliches Parteimitglied: „Willst du nicht mit auf die Liste? Dann kannst du z.B. den Vorsitz im Umweltausschuss machen und kannst Ortsvorsteher werden.“ Ich konnte mir das erst gar nicht vorstellen, weil ich ja auch noch eine normale berufliche Tätigkeit habe. Für ihn ist ein Posten im Vorsitz erstrebenswert, für mich nicht unbedingt. Frauen wollen sich in bestimmte Prozesse gar nicht begeben und erhalten dann eventuell nicht die machtvolleren Positionen.
Übrigens habe ich auch Frauen in Machtpositionen als ganz unangenehme Vorgesetzte erlebt. Der Umgang mit mir war z.B. viel fordernder als mit den Männern in der Arbeitsgruppe. Die wurden von ihr viel freundlicher behandelt."

Ein Satz zum Schluss...

Claudia Wendel: "Manchmal möchte ich gar nicht als Mann oder als Frau behandelt werden, sondern als Mensch. Dann ist die Machtfrage auch geschlechtsunabhängig. Gleichberechtigung beruht auch auf Gegenseitigkeit. Jeder sollte im Miteinander einfach als Mensch dastehen, sowohl auf der Frauen- als auch auf der Männerseite.
Wenn man Macht erst einmal nicht negativ besetzt, dann hast du als Ortsvorsteherin eine gewisse Macht durch die Funktion unabhängig vom Geschlecht."

Wenn auch Sie eine starke Frau kennen, über wir berichten sollen, schicken Sie eine E-Mail an: redaktion-stadtspiegel-unna@funkemedien.de.

Autor:

Anja Jungvogel aus Unna

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