Eichenprozessionsspinner - Warum die Bekämpfungsmethoden weitgehend versagen
"Es ist trügerisch davon auszugehen, dass durch die Bekämpfung der Befall gleich null sein wird."

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Dass eine deutsche Eiche einen lädierten Eindruck macht, kann unterschiedliche Gründe haben. Einer ist ganz bestimmt der Klimawandel, denn viele Eichen leiden an Wassermangel. Ein anderer Grund ist der Befall durch den Eichenprozessionsspinner. Die EPS-Rauben fressen Eichenblätter und das ist schlecht für den Baum. Allerdings gibt’s noch gefährlichere Auswirkungen, nämlich durch die Nesselhaare der fiesen Tierchen: Sie schaden dem Menschen, der damit in Berührung kommt.

Während der stabilen Schönwetterphase im April waren die zuständigen Behörden (Straßen NRW und die lokalen Bauhöfe) fleißig unterwegs, um die EPS-Larven zu vernichten – mit Helikoptern oder Hubsteigern, die Gift in die Baumwipfel sprühten. Doch diese Präventionsmaßnahme scheint weitgehend verpufft zu sein, denn es gibt rund um Wesel, Hamminkeln und Hünxe mindestens so viele Eichenspinner-Brutstätten wie in den Vorjahren.

Ist der Niederrhein dem invasionsartigen Befall hilflos ausgesetzt? Wir nähern und dem Thema durch die Befragung einiger Experten …..

Für die Biologische Station im Kreis Wesel (BSKW) antwortete der Entomologie-Experte Klaus Kretschmer auf unsere Fragen. 

dibo:  Wie steht’s um den aktuellen Befall im Vergleich zu den Vorjahren?
Kretschmer: Dazu kann ich leider nur nach „Gefühl“ antworten. Das Zählen von EPS gehört nicht zu unseren Aufgaben. In den von uns betreuten Naturschutzgebieten spielt der EPS überwiegend auch keine große Rolle. Nach Gefühl würde ich sagen es sind nicht mehr als im Vorjahr, aber die Gespinnste werden erst jetzt sichtbar.

dibo: Die Bekämpfung mit den bekannten Giften war augenscheinlich nahezu wirkungslos. Bitte kommentieren Sie diesen Eindruck!
Kretschmer: Als Naturschutzverein sind wir grundsätzlich gegen den Einsatz von Giften und auch die biologischen Bekämpfungsmittel verursachen große Schäden in der Natur. Lokal kann man zwar Tiere mit Gift töten, aber eine ganze Population aufzuhalten ist kaum möglich und verursacht gro0ße Schäden in der Natur, nicht selten auch zu Ungunsten des Menschen. Tötet man Tiere ab dem 3. Larvenstadium, ohne diese einzusammeln, muss zudem damit gerechnet werden, dass die von den toten Raupen abfallenden Haare, vom Wind in der Umgebung verteilt werden.

dibo: Wie lautet Ihr Urteil zu Bekämpfungsmethoden wie Meisen-Brutkästen oder Baumringen mit Beutelfallen?
Kretschmer: Brutkästen sind hilfreich, um die Population am Beginn klein zu halten, die jungen Raupen werden jedoch nur im 1. und 2. Larvenstadium gefressen. Danach entwickeln sie die bekannten Gifthaare und schützen sich so vor Vogelfraß. Jetzt Brutkästen aufzuhängen wäre also allenfalls eine präventive Maßnahme für 2021. Die Baumringe gibt es erst seit kurzer Zeit, über die Wirkung sind mir keine seriösen Forschungsergebnisse bekannt. Das Problem ist, dass der Baumstamm für etliche in den Kronen lebende Tiere ein wichtiger Verkehrsweg ist.
Es nutzen alleine über 350 Arten von Schmetterlingen Eichen als Lebensraum und Nahrungsgrundlage. Dreiviertel dieser Arten haben ihre Entwicklungszeit im Frühjahr und etwa zwei Drittel sind durch Bekämpfungsaktionen gegen EPS betroffen. Im Fall der „Beutel-Fallen“ werden die Tiere daran gehindert von von einem Stratum (z.B. Krone) ins andere (z.B. Boden) zu wechseln. Dies gilt auch für Feinde des EPS, wie z.B. dem Puppenräuber.

dibo: Erklären Sie bitte den Zusammenhang zwischen Klimawandel und EPS-Population!
Kretschmer: EPS ist in Deutschland seit 1760 bekannt, Massenvermehrungen seit über 200 Jahren – auch in NRW. Tendenziell begünstigen trockene, warme Frühjahre und Sommer den EPS, jedoch gibt es keinen sicheren „Beweis“ dafür, dass der Klimawandeln den EPS fördert.

dibo: Mit welcher Art von Entwicklung müssen wir am Niederrhein rechnen?
Kretschmer: Die Entwicklung von Insektenpopulationen erfolgt sehr dynamisch. Es ist unwahrscheinlich, dass die Art wieder verschwindet. Von anderen Insektenpopulationen wissen wir, dass sie nach einigen Jahren des Wachstum wieder zusammenbrechen u.a. weil die natürlichen Feinde sich darauf eingestellt haben. Dies erfolgt aber immer mit etwas Verzögerung und setzt voraus, dass die natürlichen Gegenspieler bei der Bekämpfung des EPS nicht ebenfalls getötet werden.

Eine Stellungnahme sandte auf unsere Anfrage hin auch ASG Wesel. Darin heißt es: "Der ASG ist für die Unterhaltung und Verkehrssicherung des städtischen Baumbestandes zuständig. Der städtische Eichenbestand umfasst ca. 6.000 Bäume. In diesem Frühjahr wurden ca. 4.000 Eichen mit einem zugelassenen Biozid gegen den Eichenprozessionsspinner (EPS) behandelt. Da das Biozid auch auf andere Falterarten wirkt, welche sich auf der Eiche entwickeln, erfolgt die Entscheidung zum Mitteleinsatz nach einem vorherigen intensiven Abwägungsprozess unserer Fachleute. Der Einsatz konzentrierte sich daher auf stark frequentierte Bereiche mit besonderer Gefährdungslage wie z.B. Schulen, Kindergärten, Friedhöfe, Spiel- und Sportanlagen. Die Mittelwirksamkeit ist schwankend, da sich die in dem Biozid enthaltenen Mikroorganismen nach einigen Tagen wieder abbauen und somit nicht alle Larven bzw. Entwicklungsstadien erreicht werden. Jedoch gehen wir im Bereich unserer Zuständigkeit, nämlich der städtischen Eichen, von einem positiven Ergebnis aus. Dieses führen wir u.a. darauf zurück, dass dem ASG nur wenige EPS-Meldungen vorliegen. Sofern sich Nester in besonderen Gefahrenlagen befinden, werden diese durch den ASG entfernt. Als zusätzliche Maßnahme sammeln wir innerhalb eines Pilotprojektes Erfahrungen mit EPS-Fallen. Im Bereich von Forstflächen findet keine grundsätzliche EPS-Bekämpfung statt, da der Eichenprozessionsspinner als waldtypische Gefahr eingestuft wird und im Hinblick des Ökohaushaltes auch eine allgemeine Biozid-Anwendung nicht vertretbar wäre.
Bei Rückfragen zum Thema EPS können die Bürger/innen gerne unsere Zentrale 0281/16393-0 anrufen, von dort wird je nach Anliegen und Ortsteil zu dem entsprechenden Kollegen verbunden.

Straßen NRW ist für die Unterhaltung der Landes- und Bundesstraßen zuständig. Auf die Formulierung in unserer Anfrage, die Bekämpfung der EPS-Larven mit Gift habe kaum eine Wirkung gezeigt, antwortet Klaus Terhorst (Niederlassung Wesel): "Bezug nehmend auf Ihre Anfrage zu Bekämpfungsmaßnahmen des EPS, muss ich aus Sicht von Straßen NRW widersprechen. Die Vorgehensweise bei Straßen NRW, RNL Niederrhein zur Reduzierung des EPS-Befalls ist breit aufgestellt. Es werden mehrere Arten der Bekämpfung durchgeführt bzw. sind in der Erprobung. Zum einen erfolgt das Aufbringen des Biozids mit eigener Gerätschaft im Schichtbetrieb. Auch wird das Aufbringen mittels Hubschrauber von hier praktiziert. Somit kann effektiv mit der Bekämpfung kurzfristig und zeitnah begonnen werden. Des Weiteren werden Maisenkästen angebracht und versuchsweise EPS-Fallen an Eichen montiert. Es wird auch an neuralgischen Punkten wie z.b. Spielplätzen, Sportplätzen, Park- u. Rastplätzen, Schulen, Kindergärten, Altenheimen usw. bei übermäßigen Befall eine Nester Entfernung durchgeführt. Es ist trügerisch davon auszugehen, dass durch die Bekämpfung der Befall gleich null sein wird. In den letzten Jahren waren ideale Voraussetzungen gegeben, was den Hochzeitsflug für die Populationsentwicklung positiv beeinflusste. Die Natur ist uns Menschen immer ein Stück voraus auch wenn viele meinen es wäre anders. Die Hauptaufgabe von Straßen NRW bleibt aber die Gewährleistung der Verkehrssicherheit."
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Das sagt die Hamminkelner Verwaltung zur EPS-Bekämpfung!
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Die EPS-Meldeecke

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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