Pflanzen wässern oder das teure Nass sparen?
Verantwortungsgefühle und Zwangsmaßnahmen - gute (Gieß-)Gewohnheiten auf dem Prüfstand

Was tun, wenn die Pflanzen nach Wasser dürsten? | Foto: dibo
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  • Was tun, wenn die Pflanzen nach Wasser dürsten?
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Jeden Samstag den Wagen waschen? An heißen Tagen abends zwei drei Stündchen den Rasensprenger laufen lassen? Zwanzig Minuten lang duschen, weil's so schön ist. Oder mal eben 100 Liter Gießwasser für die alte Buche, deren Blätter sich in der Mittagshitze kräuseln?

Wir alle kennen diese lieben Gewohnheiten. Allerdings kündigen Klimatologen und andere Experten Wasserknappheiten an, denn die Sommer sollen zunehmen heiß und trocken werden. In Italien verhängt die Regierung bereits drakonische Strafe von 500 Euro und mehr, wenn Menschen gegen das amtliche Gieß- oder Autowaschverbot verstoßen. Schnell mal den Gartenpool auffüllen, weil die Sonne vom Himmel brennt und die Familie nach Abkühlung giert? Nö - geht nicht mehr!

Andererseits rufen immer mehr Gemeinden ihre Bürger dazu auf, beim Gießen ihrer Straßenbäume mitzuhelfen, damit diese nicht absterben. Da dies aber offensichtlich längst nicht überall funktioniert, verdursten zurzeit vielerorts Jungbäume, wie zum Beispiel in Wesel-Obrighoven auf dem Erdwall entlang der Straße "Am Friedenshof" (Ecke Feldstraße).

Wie ist mit dieser Bredouille umzugehen? Wir gingen auf Stimmenfang und baten den Hamminkelner Bürgermeister Bernd Romanski um Auskunft.
Doreen Bonnes, stellvertretende Leiterin des ASG (Abfall-Straßen-Grün) Wesel, informiert: "Derzeit verteilen wir zirka 70.000 Liter Wasser täglich (Grünflächen und Baumbewässerung). Bei den Bäumen auf den von Ihnen übermittelten Fotos handelt es sich nicht um Trockenschäden, hier ist leider ein Schädlingsschaden zu erkennen.
Bezüglich der Wässerung können wir leider nicht überall sein, aber unsere Priorität liegt unter anderem im Erhalt der Jungbäume und deren Wässerung. Wir freuen uns über jegliche Hilfe der Bürger*innen bei der Bewässerung. Derzeit plant auch das THW, uns hier zu unterstützen."

Interview ...

dibo: Hallo Herr Romanski, wie viele Liter Wasser vergießen Sie zurzeit wöchentlich in Ihrem Privatgarten?
Romanski: Bei dieser Trockenheit komme ich schon auf ungefähr 1.000 Liter am Tag, dass heißt zirka 4.000 bis 5.000 Liter die Woche, da ich nicht jeden Tag gieße.

dibo: Können Sie sagen, welche Wassermenge der städtische Bauhof bei Hitze und Trockenheit jede Woche auf öffentlichen Grünflächen verteilt?
Romanski: ? Der Bauhof verbraucht „nur“ zwischen 50.000 und 55.000 Liter pro Woche. Dies ist allerdings eher der Logistik geschuldet, also der Anzahl der geeigneten Fahrzeuge und den weiten Strecken.

dibo: Apropos: Wie ist eigentlich der Rücklauf auf Ihren Aufruf zu Gießpatenschaften?
Romanski: Da könnte die Resonanz vielleicht noch ein wenig besser werden, aber wir haben aus den vergangenen Jahren schon sehr viel etablierte Hilfe. Auf den aktuellen Aufruf wurden 15 Säcke an neun Gießpaten verteilt, aber Anfragen kommen nach wie vor rein.

dibo: In Wesel vertrocknen zurzeit viele Jungbäume. Warum sollte es in Hamminkeln besser laufen?
Romanski: Ich sehe da keinen Wettbewerb, aber in Hamminkeln ist die Struktur mit den 7 Dörfern natürlich auch eine andere. Wie oben erwähnt, gibt es schon lange eine etablierte Unterstützerszene für dieses Thema. Aber auch in anderen Bereichen des Ehrenamts sieht man durchaus ein starkes Engagement bei uns in den dörflichen Strukturen und dies ist aus meiner Sicht unter anderem aufgrund der weniger „anonymen Nachbarschaften“ auch normal.

dibo: Sehen Sie lokal oder regional eine Wasserknappheit mit drohenden Gießverboten auf uns zukommen?
Romanski: Nach Aussage des lokalen Wasserversorgers gibt es aktuell keinen Grund zur Besorgnis. Es ist eher so, dass seit Anfang des Jahres ein Rückgang des Verbrauchs zum Vorjahr im ersten Halbjahr um 75.000 Kubikmeter und davon nur im Monat Juni von 30.000 Kubikmetern zu verzeichnen ist. Dies liegt nach Ansicht der Wasserwerke Wittenhorst vor allem am geänderten Verbraucherverhalten beim Duschen oder Baden aufgrund des Appells, Gas zu sparen. Der Gesamtverbrauch im Jahr bei den Wasserwerken liegt im übrigen bei zirka 3,2 Millionen Kubikmetern.

dibo: Würden Sie ein Bestrafungssystem befürworten, dass private Gartengießer, Poolbefüller und Autowäscher zur Raison zieht?
Romanski: Vom Grundsatz her komme ich lieber über Vernunft und Verantwortungsbewusstsein, was zum Beispiel bei Corona hier in Hamminkeln sehr gut funktioniert hat. Wenn das nicht hilft, sind spürbare Geldstrafen in heutigen Zeiten sicher ein probates Mittel.

dibo: Wie kann eine Gemeindeverwaltung ihre Bürger/Verbraucher kontrollieren? Gibt’s da Möglichkeiten?
Romanski: Anlasslose Kontrollen halte ich nicht für zielführend, da man dann schnell in eine „Überwachungsmentalität“ abgleitet. Meine bisherigen Erfahrungen mit der sozialen Kontrolle im Umfeld sind da ganz gut und dabei würde ich es auch belassen.

dibo: Bei totaler Wasserknappheit: In etwa welcher Höhe würden Sie Geldstrafen bei Gießverbotsbruch für angemessen halten?
Romanski: Das müsste spürbar sein und damit schon im dreistelligen Bereich liegen.

dibo: Was ist wichtiger: Wasser sparen oder Klimaschutz?
Romanski:  Ein ganz spannender Aspekt, für den ich leider keine eindeutige Antwort habe. Aufgrund der hiesigen Situation der Brunnen, kann sicher weiterhin guten Gewissens gegossen werden, da dies ja auch zum Klima- und Umweltschutz beiträgt. Ein Steingarten, der nicht bewässert werden muss, ist da sicher nicht das Ziel, das wir verfolgen, sondern das Gegenteil. Darüber hinaus ist es ja so, dass das Wasser, das zum Gießen genutzt wird, am Ende wieder im Grundwasser landet, wenn nicht in der Mittagshitze gegossen wird, wo alles verdampft. Allerdings muss man auch hier schauen, dass nicht alle um 18 Uhr mit dem Gießen beginnen, damit das Netz nicht überfordert wird.

Löschbrunnen sind tabu!

Manche Zeitgenossen scheinen sich übrigens gern an verbotenen Wasserquellen zu bedienen. So sieht sich Ortwin Nissing aus der Hamminkelner Stadtverwaltung zu dieser Pressemitteilung genötigt: "Eine Nutzung der städtischen Feuerlöschbrunnen zur Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen im Stadtgebiet Hamminkeln ist grundsätzlich nicht gestattet. Die Nutzung der Feuerlöschbrunnen ist der Feuerwehr vorbehalten.
Hintergrund ist, dass sich die Leistungsfähigkeit der Brunnen verschlechtert hat. Diese Maßnahme soll gewährleisten, dass die Literleistung von 800 l/min über einen Zeitraum von zwei Stunden gegeben bleibt. Eine Nutzung der Wasserentnahmestellen durch Dritte kann unter Umständen dazu führen, dass im Brandfall nicht mehr genug Löschwasser vorhanden ist.
Der illegale Gebrauch kann mit einem Bußgeld in Höhe von mehreren Tausend Euro geahndet werden."

Wasserverbrauch auf Gut Grenzenlust

Philipp Rother, Verwalter des Arboretums Grenzenlust zwischen Wesel und Hamminkeln, erklärt zum Thema: "In Bezug auf die trockenheitsverträglichen Pflanzen musste in 2022 noch kein zusätzliches Gießwasser gegeben werden."
Auf den Wasserbedarf exotischer Gewächse angesprochen, betont er: "Exotisch ist immer ein schwieriger Begriff. Es gibt sowohl einheimische als auch nicht einheimische Pflanzen, die gut mit einer Sommertrockenheit zurechtkommen. Es gibt Pflanzen von A wie Abelia schumannii (Schumanns Abelia) bis Z wie Ziziphus jujuba (Chinesische Jujube) die gut trockenheitsverträglich sind. Wassersparen ist Klimaschutz. Wasser sollte insgesamt bewusster eingesetzt werden!"

Mit besten Grüßen,
Philipp Rother

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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