Was bleibt sind die Erinnerungen

Der Freundeskreis Pestalozzischule spendet nicht nur Zeit, sondern auch Herz! Da bleibt es nicht aus, dass sich auch Freundschaften entwickeln. So auch bei Khalid M. (v,li.), Anton E. und Yaarub Al K. - diese drei Jugendlichen verstehen sich einfach - sprachliche Barrieren sind da zweitrangig und lösbar.
  • Der Freundeskreis Pestalozzischule spendet nicht nur Zeit, sondern auch Herz! Da bleibt es nicht aus, dass sich auch Freundschaften entwickeln. So auch bei Khalid M. (v,li.), Anton E. und Yaarub Al K. - diese drei Jugendlichen verstehen sich einfach - sprachliche Barrieren sind da zweitrangig und lösbar.
  • hochgeladen von Thora Meißner

Einerseits ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer – andererseits Mensch und Freund

Flüchtlinge, Flüchtlinge, Flüchtlinge - es vergeht kein Tag mehr, an dem dieses pauschalisierende Wort keinen Weg in die Nachrichten findet, an dem nicht diskutiert wird, wie mit dem „Flüchtlingsstrom“ umgegangen werden soll. Und neben all dem vergeht auch kein Tag mehr, an dem die ehrenamtlichen Helfer nicht aktiv werden. Sie sind diejenigen, die fernab der politischen Flüchtlingsdebatte in der Nähe der Menschen in den Flüchtlingsunterkünften sind, von Auge zu Auge mit ihnen sprechen, sich um sie kümmern – neben ihrer Freizeit auch Herz geben!

Ich treffe mich mit Anton E., einem Schüler, der jede freie Minute zusammen mit seinen Eltern als ehrenamtlicher Helfer in der Kleiderkammer der alten Pestalozzischule tätig ist - so zumindest sah der anfängliche Plan aus. Denn mittlerweile kümmert sich der „Freundeskreis Pestalozzischule“ nicht nur um die Massen an Sachspenden, sondern auch um die Beschäftigung der Menschen, die übergangsweise in der Notunterkunft untergebracht sind.

Abwechslung und Menschlichkeit

Ob backen, basteln oder einfach nur reden - für ein paar Stunden genießen die Menschen in der alten Pestalozzischule Abwechslung und Geselligkeit. Und sie sind dankbar dafür! „Am meisten hat mich eine syrische Mutter beeindruckt. Am Ende eines Bastelnachmittages habe ich mir einen Lappen besorgt, um die Tische abzuputzen. Sie hat mir den Lappen aus der Hand genommen und mir auf Englisch gesagt: Du putzt nicht, das mache ich, du hast dich schon mit den Kindern beschäftigt. Ich hatte Tränen in den Augen. Was habe ich schon gemacht? Etwas Zeit gespendet und ein paar Materialien bereitgestellt“, erzählt Andrea Hoffmann, eine der fleißigen Ehrenamtler. Sie hatte sich gemeinsam mit ihrer Mutter einfach mit zahlreichen Bastelmaterialien an den Bierzelttischen in der Turnhalle breitgemacht. Im Nu waren Kinder, Frauen und sogar junge Männer dabei, zeitweise 40 bis 45 Menschen.

Vor allem aber genießen die Bewohner Menschlichkeit! Denn in dieser Zeit werden auch die Gespräche persönlicher. Wenn sie einmal Vertrauen gefasst haben, erzählen die geflüchteten Menschen von ihren Schicksalen, Nöten und Ängsten. In solchen Situationen ist Fingerspitzengefühl gefragt!

Damit sie lernen und nicht rumirren

Da bleibt es nicht aus, dass „Helfer“ und „Flüchtling“ sich besser kennenlernen und Freundschaft schließen. So geht es auch Anton - nach und nach hat er sich mit zwei Jugendlichen angefreundet. Und genau diese möchte er mir vorstellen.

Khalid M. ist 14 Jahre alt, stammt aus Somalia und ist mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in der Unterkunft. Er spricht insgesamt fünf Sprachen - leider noch kein Deutsch. Yaarub Al K. ist 15 Jahre alt und mit seiner Familie aus Syrien geflohen. Er spricht perfekt Englisch und lernt in Windeseile Deutsch. Die Drei verbringen jede freie Minute in der Unterkunft zusammen. Dabei bringt Anton den beiden interessierten Jugendlichen auch ein wenig Deutsch bei.

Als Yaarub mich anspricht, bin ich im ersten Moment sehr erstaunt - denn er spricht Deutsch. Nur ein bisschen, aber dafür klar und deutlich. Ich frage ihn, wie er in so wenigen Wochen bereits so viel gelernt habe. Er holt sein Handy aus der Tasche, klickt ein paar Mal und zeigt mir die App „Duolingo“ - hier lerne er zwischendurch ganz gerne. Er ist es, der mir auch immer wieder sagt, wie wichtig es sei, dass die kleinen Kinder endlich zur Schule gehen und Deutsch lernen dürften, auch damit sie Beschäftigung hätten und nicht den ganzen Tag über nur auf dem Hof rumirrten.

„Stay here“

Als wir den alten Schulhof wieder verlassen wollen, ist Anton nicht allein. Ein kleiner Schatten folgt ihm auf Schritt und Tritt. Der kleine Junge, vielleicht fünf oder sechs Jahre alt, öffnet das Tor, lässt mich hinausgehen und schließt es danach wieder flott. „Stay here“, höre ich ihn sagen. Doch Anton kann heute nicht mit dem kleinen Jungen spielen, eine wichtige Klausur liegt vor ihm und er muss noch lernen. Auch wenn der Kleine sichtlich traurig scheint, lässt er ihn gehen. Anton ist gerne in der Unterkunft und hilft - aber Schule geht vor!

Ein weiteres Mal besuche ich die Pestalozzischule - bereits während der Anmeldung bei der Security sehe ich Anton und Yaarub zusammen mit kleineren Kindern auf dem Schulhof. Khalid ist nicht dabei! „Khalid musste am 2. November abreisen. Er ist jetzt in Köln“, erklärt Anton mit geneigtem Kopf. Doch die beiden halten Kontakt - über Facebook. Anton erzählt mir, dass Khalid gerne mit seiner Familie wieder nach Arnsberg zurückkommen würde - aber das geht nun einmal nicht. Yaarub lebt bisher noch mit seiner Familie in der alten Schule.

Auch Anke Kalina, „Kopf“ des Freundeskreises Pestalozzischule, bestätigt: Viele derjenigen, die bisher auf der Transferliste gestanden und damit Hüsten verlassen haben, sind in ihren neuen „Unterkünften“ unglücklich. Sie vermissen die Herzlichkeit aller Beteiligten in der Pestalozzischule. Ganz gleich, ob DRK, Freundeskreis oder Security.

Über den Tellerrand – mit Verstand und Herz

Und was mir besonders auffällt: Die Mitarbeiter der Security haben ihre Hände überall - ob ein kurzes Fußballmatch mit den kleinen Kids, das schnelle Herauftragen eines Bettgestells oder auch das kleine Gespräch am Rande. Diese Security schaut über den Tellerrand.

Doch die Medaille hat auch eine Kehrseite: Wer mit geflohenen und teils traumatisierten Menschen arbeitet wird mitgerissen! „Man muss sehen, dass man sich nicht verliert!“, erklärt mir eine der Helferinnen vor Ort. Die Schwierigkeit liege auch darin, dass man die lieb gewonnenen Menschen in Kürze wieder loslassen muss. Schließlich handelt es sich um eine Notunterkunft mit wenig Aussicht darauf, dass die Menschen auch in Arnsberg bleiben können. Das weiß auch Anton - was ihm bleibt sind die Erinnerungen.

Autor:

Thora Meißner aus Arnsberg

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