Interview mit Sterneköchin Léa Linster: "Emotional lasse ich mich anmachen..."

Auch die stellvertretende Objekleiterin des Stadtspiegels Bochum, Marina Schwarzkopf (re.) durfte Sterneköchin Léa Linster und Livingroom-Chefkoch Boris Geigenmüller über die Schulter schauen und die Gourmetküche genießen. | Foto: Andreas Molatta
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  • Auch die stellvertretende Objekleiterin des Stadtspiegels Bochum, Marina Schwarzkopf (re.) durfte Sterneköchin Léa Linster und Livingroom-Chefkoch Boris Geigenmüller über die Schulter schauen und die Gourmetküche genießen.
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Sie kocht einfach gerne und mit viel Liebe und dem Lachen der sympathischen Spitzenköchin Léa Linster kann man sich kaum entziehen. Im Livingroom kamen unlängst 230 Bochumer in den Genuss der genialen wie einfachen Kochkunst der Sterneköchin. Dem Stadtspiegel stand die luxemburgische Frohnatur für ein Exklusiv-Interview zur Verfügung, in dem sie unter anderem verriet, ob sie lieber zu Hummer oder Currywurst greifen würde, wenn sie die Wahl hätte.

Stadtspiegel: Sie sind Sterneköchin und die einzige Frau, die den Bocuse d'Or gewonnen hat – wie schwierig ist es, dieses Niveau zu halten?
Léa Linster: Das ist jetzt 25 Jahre her und es ist natürlich sehr schwer, dieses Niveau zu halten, weil man es ja nicht alleine macht. Es ist Teamwork, und dieses Team stets auf diesem Niveau zu halten, ist schon anstrengend, aber es ist ja gleichzeitig auch die Herausforderung dieses Berufes.

Stadtspiegel: Man hat immer das Gefühl, Sie machen das alles mit viel Leichtigkeit und Liebe.
Léa Linster: Ja, das mach ich auch.
Stadtspiegel: Aber wieviel harte Arbeit steckt hinter Ihrem Beruf?
Léa Linster: Ich bin ja zuerst einmal bekannt als Köchin und habe gleichzeitig ein Restaurant. Das Kochen an sich ist das Schönste und dann auch das Einfachste, was es gibt. Schwieriger ist es natürlich, daraus auch ein Unternehmen zu machen. Und dieses Unternehmen dann auch noch auf einem bestimmten Niveau zu halten, das ist nicht einfach und immer wieder eine große Herausforderung.

Stadtspiegel: Die Spitzenküche ist, trotz einiger toller weiblicher Köche, weiterhin eine Männerdomäne. Warum sollen eigentlich Männer angeblich die "besseren Köche" sein?
Léa Linster: Das ist eine Aussage, die einfach irgendwann so hingestellt wurde. Eigentlich kann man das nicht wirklich so sagen, weil wir gar nicht alles probiert und verglichen haben. Aber es ist so, dass die Männer eher öffentlich kochen und privat eher die Frauen.
Ich esse übrigens sehr gerne bei Frauen – auch privat. Und ich koche auch privat sehr gerne bei Frauen. Ich glaube, die Männer gehen eher intellektueller an das Kochen heran, die Frauen eher emotionaler. Das Ideale ist – und das habe ich für mich gemacht – beides gleichzeitig anzuwenden. Man soll sich immer von allem das Beste nehmen! Denn so ganz ohne darüber nachzudenken, geht’s ja auch nicht auf die Dauer. Von daher: Emotional lass ich mich „anmachen“ und rational zaubere ich was daraus, was sich auch in der Zeit halten kann.

Stadtspiegel: Unterscheiden sich denn vielleicht auch die Rezepte von Männern und Frauen?
Léa Linster: Das kann ich so nicht sagen. Es gibt ja auch viele Männer, die weiblicher angehaucht sind. Ich sehe das bei mir. Es gibt Situationen, da muss ich meine männliche Seite rauslassen, um voranzukommen. Es ist schön, wenn man sowohl als auch hat.

Stadtspiegel: Sie scheinen nicht nur das Kochen, sondern auch die Lebensmittel zu lieben! Gibt es trotzdem eines, auf das Sie gut und gerne verzichten könnten?
Léa Linster: Ich kann gut und gerne auf alle Fertigprodukte verzichten.

Stadtspiegel: Und gibt es Lebensmittel, mit denen Sie richtig gerne kochen?
Léa Linster: Ja klar: Hühner und Eier!

Stadtspiegel: "Bist du nicht verliebt, ist der Ofen aus!", haben Sie einmal gesagt. Was liebt eine Léa Linster?
Léa Linster: Ich liebe es zu kochen; ich liebe, was ich koche; ich liebe alle, für die ich koche. Das ist dieses Gefühl der Freude. Denn nur, was wir richtig gerne machen, machen wir auch richtig gut. Du musst einfach Herzblut in die Sache stecken.

Stadtspiegel: Sie haben für den luxemburgischen Großherzog das Hochzeitsmahl zubereitet. Ist man bei solch einem Auftrag auch als Spitzenköchin noch aufgeregt?
Léa Linster: Ja klar! Die Hochzeit eines Kronprinzen, die gibt’s ungefähr nur alle 35 Jahre einmal. Da musst du das Glück haben, gerade in diese Periode reinzufallen, um überhaupt eine Chance zu haben, einen solchen Auftrag zu bekommen. Und wenn man ihn bekommt und annimmt, dann muss man über sich hinauswachsen. Ich bin sehr, sehr glücklich, dass mir das gelungen ist und ich das Wagnis eingegangen bin. Sonst würde ich jetzt immer denken: Ach, du hättest doch sollen! Und dieses Gefühl „von du hättest doch sollen“mag ich gar nicht, wenn man im Nachhinein nichts mehr ändern kann.
Das Schöne an dieser Hochzeit war, dass wirklich alles richtig gelaufen ist. Es gab nicht einen Augenblick, in dem ich ein „hätte sollen“ gehabt habe. Dashat mich sehr glücklich gemacht. Ich hatte auch die ganze Woche mein Lokal geschlossen, um mich voll und ganz auf diese Hochzeit konzentrieren zu können. Denn wenn so etwas Außergewöhnliches kommt, möchte ich das auch emotional voll miterleben und bis ins kleinste Detail genießen.

Stadtspiegel: Ist es etwas anderes, in so einer Palastküche zu kochen?
Léa Linster: Ja, auf jeden Fall. Es gibt ja am Hof ein Protokoll. Das sind Bedingungen, die man erst zum Schluss kennenlernt und die sich immer wieder verändern. Aber da ich mir die Zeit genommen habe, mich darauf einzustellen, habe ich das sehr genossen. Es war nichts, was mich hätte aus der Ruhe bringen können.

Stadtspiegel: Ist da auch einiges an Kreativität möglich?
Léa Linster: Unbedingt! Die muss an dieser Stelle sein, weil ja alles ganz anders organisiert ist. Du hast für 800 Gäste gerade einmal zwei Stunden Zeit, um Aperitif Vorspeise, Hauptgericht und Dessert zu servieren – und das im Stehen, weil der Palast zu klein war, um 800 Gäste an Tischen zu empfangen. Trotzdem muss das Ganze hochkarätig sein. Darin lag die Kunst und Herausforderung. Und der sind wir voll nachgekommen und es hat super geklappt.

Stadtspiegel: Gab es auch ein Feedback von den Gästen?
Léa Linster: Ja, ja, ja! Und auch vom Hofe selber. Dass sie äußerst zufrieden waren. Für sie war es ja auch sehr aufregend, weil so viele Leute noch nie da gewesen waren.

Stadtspiegel: Gibt es etwas, was auch einer Sterneköchin mal so richtig daneben gegangen ist?
Léa Linster: Ja, dass ich mal einen Termin verpasst habe, aber beim Kochen selbst nicht.
So richtig daneben – wie soll das gehen? Ich arbeite nur mit erstklassigen Lebensmitteln. Und selbst, wenn du ein Gericht technisch nicht genauso gekocht hast, wie du es wolltest, muss das noch nicht heißen, dass es voll daneben ist. Vielleicht ist es ja hinterher sogar noch besser geworden.

Stadtspiegel: Und die meisten Sachen – bis auf verbrannt – kann man retten?
Léa Linster: Verbrannt und versalzen – das ist tödlich, da kannst du es wegschmeißen!

Stadtspiegel: Sie haben Jura studiert – wäre das aus heutiger Sicht Ihre Alternative, wäre da nicht das Gasthaus Ihres Vaters?
Léa Linster: Ich hab das damals aus dem einfachen Grunde studiert, weil damals in Luxemburg die Banken aufgegangen sind. BWL und Jura konnte man koppeln, und mit diesem Studium kam man beruflich immer gut irgendwo unter. Aber mittlerweile denke ich ganz anders. Ich mag es nicht, wenn jemand nur zur Uni geht, damit er einen Job bekommt. Das ist nicht mehr meine Art und Weise, über das Leben nachzudenken. Denn das Leben dauert ja länger, als es braucht, um ein Diplom zu machen. Später musst du dich immer in dem, was du beruflich tust, bestätigen. Und wenn du das nicht mit großer Liebe machst, dann wird es ein langes, hartes Leben.

Stadtspiegel: Aber hilfreich sind dieses Studium und die Art zu denken bei Ihrem jetzigen Beruf doch sicherlich auch?
Léa Linster: Ja, das hilft, aber ich konnte vorher auch schon ganz gut denken. Ich bin ja im Geschäft meines Vaters aufgewachsen und dieses praktische Denken ist bei mir sehr gut vertreten. Dass da noch ein bisschen Schuldenken dazu kam, hat der Sache nicht geschadet. Aber meine emotionale Intelligenz ist noch viel höher. Dafür hatten die an der Uni nicht immer Verständnis, aber das ist definitiv meine große Stärke. Die habe ich allerdings von meinem Vater geerbt und auch nachgeäfft – das ist ein Plagiat! So, wie ich auch auf meinen beiden Hinterfüßen gehe. Das habe ich mir bei meinen Eltern abgeguckt und dann habe ich sie einfach nachgemacht.

Stadtspiegel: In Ihrem neuen Buch "Das Gelbe vom Ei" lassen Sie und Peter Gaymann eine überaus charmante Kombination aus Rezepten und Illustrationen entstehen – wie eng verbunden sind für Sie Kunst und Kochen?
Léa Linster: Sehr eng. Kunst ist die individuelle Art und Weise über etwas nachzudenken oder sich zu verwirklichen. Dazu habe ich so ein natürliches Verhältnis. Ich überlege nicht, ob das jetzt hier sein Geld wert ist – es freut mich, wenn es mich spontan so „anmacht“. Peter Gaymanns Cartoons finde ich einfach nur toll. Sie sind so ansprechend und einfach. Jeder versteht sofort seine Anspielungen. Zudem sind sie einfach schön und lustig gemalt. Unprätentios, aber sehr präzise.

Stadtspiegel: Die Bochumer kommen an der Dönninghaus-Currywurst nicht vorbei. Wenn Sie die Wahl hätten: Lieber Currywurst oder Hummer?
Léa Linster: Ich weiß, dass die meisten aus ethischen Gründen jetzt Currywurst sagen würden, aber ich nehme den Hummer! Und wissen Sie warum? Weil ich ein bisschen aufpassen muss, dass ich nicht zu dick werde. Und das gelingt mit Hummer einfacher. Aber ich ziehe eine gute Currywurst immer einem schlechten Hummer vor. Schlechter Hummer stimmt mich sehr traurig! Ein so hochwertiges Lebensmittel zu verhunzen, das ist für mich – aufs Kochen bezogen – ein Verbrechen. Und bedenken Sie: Bei einer guten Currywurst geht auch ein Schwein drauf, oder?!

Stadtspiegel: Sie waren heute erstmals im Livingroom zu Gast und haben dort gekocht? Worauf achten Sie besonders, wenn Sie unbekannte Restaurants betreten?
Léa Linster: Dass meine Schürze sauber ist! Ansonsten bin ich eine Vertreterin von ganz großer Freiheit. Ich urteile nicht! Was mich aber froh macht, ist, wenn ich Sachen erkennen kann, die so auch von mir gedacht sind. Das Schöne an allen Restaurants ist ja, dass jeder seine persönliche Interpretation einbringt. Und wenn ich sehe, wie er zu seinem eigenen Restaurant steht, ist das für mich das Schönste.

Auch die stellvertretende Objekleiterin des Stadtspiegels Bochum, Marina Schwarzkopf (re.) durfte Sterneköchin Léa Linster und Livingroom-Chefkoch Boris Geigenmüller über die Schulter schauen und die Gourmetküche genießen. | Foto: Andreas Molatta
Autor:

Andrea Schröder aus Bochum

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