118 Gerther Bergleute hatten keine Chance - Gedenkfeier zum 100. Jahrestag des Lothringer Grubenunglücks

Jürgen Niedringhausen, Pfarrer Johannes Roman und Werner Nettler vor dem Ehrenmal auf dem Gerther Friedhof. In der Hand das offizielle Gemälde des Kaiserbesuchs einen Tag nach dem Unglück. | Foto: Schröder
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  • Jürgen Niedringhausen, Pfarrer Johannes Roman und Werner Nettler vor dem Ehrenmal auf dem Gerther Friedhof. In der Hand das offizielle Gemälde des Kaiserbesuchs einen Tag nach dem Unglück.
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„Der Tod muss eine rasche Ernte gehalten haben; der Explosionsschlag und die Flammen, welche die Baue durchwogten, hatten fast ausnahmslos und wohl augenblicklich jedes Leben vernichtet.“ So beschrieb die Bochumer Postille „Märkischer Sprecher“ das Grubenunglück, das am 8. August 1912 über die Zeche Lothringen hereinbrach.

Zum 100. Mal jährt sich 2012 der Jahrestag, an den der Bergmanns-Kameradschafts-Verein Glückauf Gerthe 1891 gemeinsam mit den beiden Kirchengemeinden in einer besonderen Gedenkfeier erinnern möchte.
Um 9.30 Uhr stiegen am Morgen des 8. August 1912 dunkelbraune Rauchschwaden aus dem Schacht II der Zeche Lothringen auf. Zehn Minuten zuvor hatte der Depressionsmesser eine Schlagwetterexplosion angezeigt. Bereits gegen 11 Uhr wurden die ersten toten und verletzten Bergleute geborgen, doch erst am Abend zeigte sich das ganze Ausmaß der Katastrophe: 95 Tote und 26 Schwerverletzte werden gezählt, letztlich verloren 118 Kumpel bei dem schweren Unglück ihr Leben.

99 von ihnen wurden auf dem Gerther Friedhof begraben. „Streng getrennt nach katholischem und evangelischem Glauben“, weiß Jürgen Niedringhausen, Schriftführer des BKV Glückauf Gerthe. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden Werner Nettler hat er für Mittwoch, 8. August, um 16 Uhr auf dem städtischen Friedhof an der Kirchharpener Straße eine besondere Gedenkfeier organisiert.

Fernab jedweder verklärter Bergbauromantik will man an diesem Tag das tun, was auch vor 100 Jahren bei der Beisetzung der Verunglückten im Vordergrund stand: „Den Bergleuten unseren Respekt erweisen“, so Werner Nettler.

Kondolenzbesuch mit
bitterem Beigeschmack

Das hatte vor 100 Jahren im übrigen auch der Kaiser Wilhelm II getan, allerdings hatte sein Kondolenzbesuch einen etwas bitteren Beigeschmack. Denn der Bitte der Zechenverwaltung, die ihn in einem Telegramm um „die Gnade eines kurzen Besuches“ ersuchte, ließ er erst einen Tag später einen 50-minütigen Aufmarsch folgen, bei dem er sich über das Unglück und die Rettungsmaßnahmen informieren ließ.

Seinen Besuch bei der 100-Jahrfeier der Firma und Familie Krupp in Essen unterbrach der Herrscher nicht. Immerhin brachte er in seiner Rede beim abendlichen Bankett seine Trauer um die toten Bergleute zum Ausdruck. Dabei hatte er nur fünf Monate zuvor, beim großen Bergarbeiterstreik, 5000 Soldaten mit Schießbefehl gegen die streikenden Kumpel ins Ruhrgebiet verlegen lassen – vier Bergleute waren dabei vom Militär getötet worden.
Die Beisetzung der verunglückten Kumpel der Zeche Lothringen am 12. August 1912 erfolgte unter großer Anteilnahme der Bevölkerung. Rund 15.000 Menschen nahmen an der Trauerfeier auf dem Friedhof teil, über 300.000 verfolgten den Trauerzug.

15.000 Menschen kamen
zur Trauerfeier

Und wie schon bei der Beerdigungszeremonie vor 100 Jahren hoffen Jürgen Niedringhausen und Werner Nettler, dass sich an der Gedenkfeier alle Gerther Vereine mit einer großen Zahl ihrer Mitglieder und Fahnenabordnungen beteiligen. Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz und Bezirksbürgermeisterin Susanne Mantesberg werden gemeinsam mit Mitgliedern des Knappenvereins Gerthe einen Kranz niederlegen.

Oberbürgermeisterin
kommt zur Feier

Die Bergmannskapelle und die Sängervereinigung Gerthe sorgen für den musikalischen Rahmen, Jürgen Niedringhausen wird in der Kleidung eines Schriftführers der damaligen Zeit den Bericht aus der Tageszeitung von August 1912 verlesen und Peter Schneller ein Bergmannsgedicht des Bochumer Arbeiterdichters Heinrich Kämpchen vortragen. Im Anschluss an die Gedenkfeier wird auf dem Zechenplatz am Kulturwerk, Lothringer Straße 36, noch zu einem kleinen Umtrunk geladen.as

Jürgen Niedringhausen, Pfarrer Johannes Roman und Werner Nettler vor dem Ehrenmal auf dem Gerther Friedhof. In der Hand das offizielle Gemälde des Kaiserbesuchs einen Tag nach dem Unglück. | Foto: Schröder
Dort wo früher das „schwarze Gold“ aus den Tiefen des Schachtes ans Tageslicht geholt wurde, haben heute kreative Köpfe im „Kulturwerk Lothringen“ eine neue Heimat gefunden.  Foto: Molatta | Foto: Molatta
Autor:

Andrea Schröder aus Bochum

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