Dortmund
Corona-Testungen erschwert: Stadt fordert Rückkehr zur "direkten Abrechnung" über KVWL

"Aus epidemiologischer Sicht halte ich die Entscheidung der KVWL für falsch. Sie wirft uns weit zurück“, sagt Dr. Frank Renken, Leiter des Dortmunder Gesundheitsamtes.  | Foto: pixabay / Grafik Sikora
  • "Aus epidemiologischer Sicht halte ich die Entscheidung der KVWL für falsch. Sie wirft uns weit zurück“, sagt Dr. Frank Renken, Leiter des Dortmunder Gesundheitsamtes.
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Seit Mittwoch (20. Mai) können Gesundheitsämter für Kassenpatienten keine Untersuchungen auf COVID-19 mehr direkt über die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen Lippe (KVWL) abrechnen. Das hat die KVWL schriftlich mitgeteilt. Dieser Schritt kommt für die Stadt Dortmund überraschend und erschwert die Arbeit der Gesundheitsämter vor Ort. OB Ullrich Sierau und Birgit Zoerner, Leiterin des Krisenstabs der Stadt, fordern daher die Rücknahme der Entscheidung.

In dem Schreiben der KVWL heißt es, man gehe davon aus, dass niedergelassene Ärzte ab sofort alle notwendigen Untersuchungen auf COVID-19 durchführen können. Die Mitwirkung des Gesundheitsamtes sei nicht mehr erforderlich. Untersuchungen, die durch das Gesundheitsamt veranlasst werden, müssen künftig von der Stadt, also aus Steuermitteln bezahlt werden.
Das Gesundheitsamt hatte Anfang März die zentrale Untersuchungsstelle für Dortmund eingerichtet. Dort abgenommene Abstriche konnten von den Laboren direkt mit der KVWL abgerechnet werden.

Zentrale Diagnostikstelle

„Als wir mit der Diagnostik im Gesundheitsamt begannen, gab es in den Arztpraxen zu wenig Schutzausrüstung. So haben wir gleich zu Beginn der Pandemie für Dortmund die Diagnostik sicherstellen können. Bei täglich bis zu 120 Abstrich-Untersuchungen wurde wenigstens der Abrechnungsaufwand deutlich reduziert“, sagt Dr. Frank Renken, Leiter des Gesundheitsamts. Die zentrale Diagnostikstelle hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Stadt Dortmund den Verlauf der Pandemie von Anfang an genau beobachten und zielgenau reagieren konnte.

Von der Stadt zunächst personell und materiell unterstützt, arbeitet die zentrale Diagnostikstelle inzwischen in alleiniger Verantwortung, aber in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt. „Aus Sicht des Infektionsschutzes ist diese gute Zusammenarbeit sehr wichtig, weil wir dadurch gemeinsam wichtige Informationen zur Lage in Dortmund erhalten. So konnten wir unser Vorgehen immer wieder der Lage anpassen“, sagt Renken. Zudem seien durch das Gesundheitsamt zum Beispiel in Pflegeeinrichtungen Abstrich-Untersuchungen veranlasst worden. Das wird zukünftig nicht mehr möglich sein. Nun muss ein niedergelassener Kassenarzt eine Untersuchung persönlich beauftragen, damit die Kosten von den Krankenkassen übernommen werden.

Gute Daten in Dortmund

Wie erfolgreich das bisherige Vorgehen in Dortmund war, könne man an den guten Daten zum Infektionsgeschehen ablesen. Der bürokratische Aufwand, um weiterhin gute Daten zum Stand des Infektionsgeschehens zu bekommen, ist jetzt erheblich größer. „Künftig benötigen wir Verordnungen auf Bundes- oder Landesebene, um die Informationen zu bekommen, die wir bisher alleine durch eine gute lokale Kooperation bekommen haben. Aus epidemiologischer Sicht halte ich die Entscheidung der KVWL daher für falsch. Sie wirft uns weit zurück“, sagt Renken.

„Mitten in einer Pandemie wird ausgerechnet die Behörde geschwächt, die maßgeblich dafür verantwortlich ist, den Infektionsschutz und damit den Schutz der Bevölkerung vor Ort sicherzustellen. Hier muss die zuständige Aufsichtsbehörde, das Landesgesundheitsministerium, einschreiten“, fordert Gesundheitsdezernentin und Krisenstabsleiterin Birgit Zoerner. „Minister Laumann muss dafür sorgen, dass dieser Schritt zurückgenommen wird. Wir benötigen weiterhin Gesundheitsämter, die vor Ort schnell handeln können, um auch in den kommenden Wochen die Herausforderungen der Corona-Krise gut meistern zu können.“

Die KVWL bezieht Stellung:
Die Vertragsärzte und die Gesundheitsämter hätten an vielen Stellen die Testungen symptomatischer Patienten auf das Coronavirus gemeinsam organisiert. Die Zusammenarbeit habe angesichts der schwierigen Situation durch fehlende Schutzkleidung in den Arztpraxen gut und unkompliziert funktioniert, so Dr. Dirk Spelmeyer,1. Vorsitzender der KVWL. Um die Zusammenarbeit zu erleichtern habe die KVWL zunächst den Gesundheitsämtern ermöglicht, direkt mit den Laboren zusammenzuarbeiten.

Die Infektionszahlen seien derzeit rückläufig und die Arztpraxen im Moment ausreichend mit Schutzkleidung ausgestattet. Die begründete Testung von Patienten mit Coronavirus-Symptomatik könne daher wieder in den Arzt-Praxen vorgenommen werden, erklärt Dr. Spelmeyer. Wichtig sei allerdings dass sich Patienten mit Atemwegsbeschwerden oder Fieber weiterhin zunächst telefonisch an ihren Hausarzt wenden und nicht ohne Anmeldung in die Praxis kämen. Nach den aktuellen Kriterien des Robert Koch-Instituts bestehe die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen momentan nur für die Testung von Patienten mit Symptomen.

Keine "Verhinderung der Tests" 

Die Testungen von Menschen ohne Symptome, die zudem keiner Risikogruppe angehörten, dürfe jetzt nicht mehr bei den Krankenkassen abgerechnet werden. Die Gesundheitsämter könnten weiterhin Corona-Testungen vornehmen, die Kosten hierfür müssten dann vom Öffentlichen Gesundheitsdienst getragen werden. Keineswegs verhindere die KVWL die Durchführung von Corona-Tests.

Das verabschiedete „Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ sehe vor, dass künftig auch die Kosten für Tests ohne Symptome von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werde. Das Gesetz würde aber erst durch eine Rechtsverordnung wirksam. Daran würde im Bundesgesundheitsministerium noch gearbeitet.

Autor:

Holger Schmälzger aus Dortmund-Süd

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