Bühne für Politiker
Kirchentag in Wirklichkeit Staatskirchentag - "Leitungsgremien wenig demokratisch und intransparent"

Nicht ganz unumstritten: Der 37. Deutsche Evangelische Kirchentag in Dortmund im Jahre 2019 nach unserer Zeit.
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Mit großem Tamtam wurde nun die Riege der Politiker verkündet, die sich auf dem Evangelischen Kirchentag 2019 in Dortmund auf den zahlreichen Bühnen selbst beweihräuchern dürfen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Ex-Innenminister Thomas de Maiziere, SPD-Vorsitzende Andrea Nahles oder NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) werden sich ebenso wie zahlreiche Landtags- und Bundestagsabgeordnete die Gelegenheit zur Selbstdarstellung nicht nehmen lassen. Für die Grüne-Bundestagsfraktionsvorsitzende ist der Kirchentag sogar ein echtes Heimspiel, da sie wie ihr Parteifreund Sven Giegold (MEP) sogar Mitglied des Präsidiums des Kirchentags  ist.

Ehrliche Diskussionen, die über die Tagespolitik und Positionen dieser Politikerriege hinausgehen, sind daher wohl nicht zu erwarten Der Evangelische Kirchentag gleicht eher einem Staatskirchentag. Der Göttinger Staatskirchenrechtler Hans Michael Heinig erklärte bereits im Jahre 2017: Die Kirchentage würden sich fälschlicherweise als Gegengewicht zur verfassten Kirche inszenieren, die Leitungsgremien seien wenig demokratisch und intransparent organisiert. Außerdem gelinge es den Veranstaltungen nicht, die Meinungsvielfalt in der Kirche abzubilden. Die gesellschaftliche Wirksamkeit sei sehr begrenzt. Die Pose des Kirchentages als basisorientierte Gegenmacht von unten passe nicht dazu, dass ein Kirchentagspräsident Minister wird, ein führendes Mitglied des Bundestages Kirchentagspräsidentin.

"Offene Verflechtung mit dem Staat – finanziell und personell"
Eigentlich sollte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, damals noch Bundesaußenminister, Präsident des Kirchentag 2019 werden. Der Humanistische Pressedienst schrieb dazu im Jahre 2015: "Man stelle sich mal vor, der Wirtschaftsminister wäre gleichzeitig der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Industrie und die BDI-Veranstaltungen wären zur Hälfte mit Steuergeldern finanziert – eine undenkbare Konstellation. Wenn es aber um Kirchen-Lobbyismus geht, erleben wir eine breite und offene Verflechtung mit dem Staat – finanziell und personell."

Gleichzeitig Bundespräsident und Kirchentagspräsident wäre wohl doch zu offensichtlich, wird man sich im Kirchentagspräsidium gedacht haben, obwohl es das "prostitutive Verhältnis von Kirche und Staat" (so der Religionswissenschaftler Prof. Dr. Hubertus Mynarek) doch recht gut wiederspiegeln würde. Daher wird Herr Steinmeier und drei seiner Vorgänger im Amte des Bundespräsidenten nun nur als Redner auf den Bühnen des Kirchentags erscheinen.

Die Verpflechtung von Staat und Kirche erkennt man auch an den immensen staatlichen Kirchentagssubventionen. So zahlt, von der verfassungsrechtlichen weltanschaulichen Neutralität des Staates mal ganz abgesehen, das Land NRW 4,5 Millionen Euro und die arme Stadt Dortmund, in der jedes dritte Kind von Sozialleistungen leben muss, 2,7 Millionen Euro und der Bund 0,5 Millionen Euro Zuschüsse für diesen Staatskirchentag.

Autor:

Carsten Klink aus Dortmund-Ost

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