Retrospektive des britischen Bildhauers Lynn Chadwick im Lehmbruck Museum Duisburg
"Lynn Chadwick. Biester der Zeit" im Lehmbruck Museum

Das Spätwerk zuerst. In der Glashalle begrüßen die "Biester" aus Edelstahl die Besucher. Blick in die Ausstellung "Lynn Chadwick. Biester der Zeit" im Lehmbruck Museum
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  • Das Spätwerk zuerst. In der Glashalle begrüßen die "Biester" aus Edelstahl die Besucher. Blick in die Ausstellung "Lynn Chadwick. Biester der Zeit" im Lehmbruck Museum
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Lynn Chadwick (1914-2003) gilt heute als einer der einflussreichsten Künstler Großbritanniens. Mit dieser ersten umfassenden Retrospektive würdigt das Lehmbruck Museum den britischen Bildhauer als einen der innovativsten Künstler der Nachkriegszeit.

Seine Skulpturen sind wie aus einer anderen Welt. Mischwesen aus Mensch, Tier und Technik, fantasievoll, skurril, aber auch poetisch und auf besondere Art humorvoll. Auf jeden Fall lassen sie Raum für viele Assoziationen.

Seinen künstlerischen Durchbruch hat Chadwick in den 1950er Jahren.
1956 gewinnt er als jüngster Bildhauer der Nachkriegszeit den Internationalen Preis für Skulptur auf der 28. Biennale in Venedig und übertrumpft damit Alberto Giacometti und Germaine Richier, die als Favoriten galten. Chadwicks Formensprache scheint den Nerv der damaligen Zeit zu treffen. Eine Mischung aus utopischer Fortschrittshoffnung und gleichzeitiger Beunruhigung auf Grund von Kriegserfahrungen im Angesicht des Kalten Krieges. Die folgenden Kunstrichtungen wie z.B. Pop Art lassen seine Figurenwelten in Vergessenheit geraten. In den letzten Jahren werden sie allerdings neu entdeckt. Die Wiederentdeckung der 1950er macht es möglich. Vielleicht aber auch, dass aktuell in Zeiten diffuser Beunruhigung und Unsicherheit Chadwicks Figurenkosmos die passende Ausdrucksform zu sein scheint.

Lynn Chadwick - Surreale Mischwesen

Die sehr schön konzipierte Ausstellung zeigt rund 70 Plastiken, etliche Zeichnungen und Grafiken sowie einen sehr informativen Film, der Einblick in Lynn Chadwicks Leben und Arbeiten gibt.
Die Ausstellung ist nicht chronologisch aufgebaut, sondern gliedert sich in Werkgruppen. Diese zeigen anschaulich den künstlerischen Werdegang, beginnend in den 1950er bis zu den 1990er Jahren. Das Spektrum reicht von frühen Arbeiten, den Mobiles und Stabiles über ausgesuchte Werkgruppen wie die der Biester, die der Ausstellung auch den Titel geben,- bis zu seinem Spätwerk, in dem er von spröden, ruppigen Oberflächen zu glänzendem Edelstahl wechselt.

Der 1914 in London geborenen Lynn Chadwick ist Autodidakt und entwickelt ohne andere, künstlerische Einflüsse seine eigene Formensprache. Seine Kreaturen vereinen menschliche, tierische und architektonische Elemente. Das lässt darauf schließen, dass er sich auf seine beruflichen Erfahrungen stützte. Er absolvierte eine Ausbildung zum technischen Zeichner, war im Krieg Pilot, nach dem Krieg entwarf er als Designer Möbel, Textilien und Messestände. Die einst gezeichneten Linien nimmt er bildhauerisch als Metallstäbe in den Raum, die er zu Gerüsten zusammen schweißt. Danach füllt er die Gerüste wie beim Fachwerksbau mit einer von ihm entwickelten Mischung (Stolit) aus Gips und pulverisiertem Eisen. Die so entstandenen Figuren werden dann in Bronze gegossen. Erst danach fertigt er davon Zeichnungen an. Diese sind also keine Entwurfsskizzen, sondern dienen eher zur Dokumentation.

Ein Gesamtkunstwerk schafft er mit seinem Anwesen Lypiatt Park in Gloucestershire. Dort lebt und arbeitet er bis zu seinem Tod 2003. Das neugotische Haus hat er gleich nach ersten Erfolgen gekauft und nach und nach renoviert. Dort finden seine Skulpturen Platz wie auch im angrenzenden Park, den er zu einem Skulpturenpark erweitert. Seine Plastiken stellt er so auf, dass nicht der beste Blick auf die Plastiken fällt, sondern die Plastiken den besten Blick in die Landschaft haben.

Jiri Tichý - Monumentale Gewebe

Eine sehr schöne Idee ist es, die Plastiken Lynn Chadwicks in den angrenzenden Dreiecksräumen im Zusammenspiel mit Arbeiten aus der Sammlung zu zeigen. Ganz besonders auffällig sind die textilen Arbeiten von Jiri Tichý (1924-2013). Seine monumentalen Tapisserien sind fantasievolle Gewebe, die einen in märchenhafte Welten entführen. Mit Fundstücken, fest oder locker gewebt, figürlich oder abstrakt sind sie vom weichen Material der spannende Gegenpol zu den starren Kreaturen von Lynn Chadwick und sind doch wie für einander geschaffen.

Die Ausstellung "Lynn Chadwick. Biester der Zeit" ist mit dem Haus am Waldsee und dem Georg Kolbe Museum in Berlin entstanden. Sie läuft bis 26. Juli 2020

Die Sammlungspräsentation von Jiri Tichý ist ebenfalls bis zum 26. Juli 2020 zu sehen.

Die Fotos sind während der Präsentation der Ausstellung entstanden.
Weitere Informationen in den Bildunterschriften.

Viel Vergnügen beim Anschauen.

Lehmbruck Museum
Düsseldorfer Str. 51
47051 Duisburg
www.lehmbruckmuseum.de

Autor:

Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg

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