Querdenken und Einmischen: Duisburger Manifest fordert mehr Bürgerbeteiligung

Rufen auf zum Umdenken und Mitmachen: Michael Rubinstein, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, Professor Roland Günter, Franz Tews, Umweltmediziner Michael Lefknecht, Alt-Oberbürgermeister Josef Krings, Superintendent Armin Schneider und Theo Steegmann von der Bürgerinitiative Neuanfang für Duisburg mit dem Duisburger Manifest (v.l.). WA-Fotos (2): Hannes Kirchner
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  • Rufen auf zum Umdenken und Mitmachen: Michael Rubinstein, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde, Professor Roland Günter, Franz Tews, Umweltmediziner Michael Lefknecht, Alt-Oberbürgermeister Josef Krings, Superintendent Armin Schneider und Theo Steegmann von der Bürgerinitiative Neuanfang für Duisburg mit dem Duisburger Manifest (v.l.). WA-Fotos (2): Hannes Kirchner
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„Kein Geld? – Trotzdem handeln mit Visionen!“ Dieser Leitsatz ziert das Duisburger Manifest, das eine Gruppe engagierter Bürger um Professor Roland Günter und Alt-Oberbürgermeister Josef Krings jetzt vorgestellt hat. Sie nennt sich „Ideenwerkstatt Eisenheim“ und fordert vor allem eines: mehr Bürgerbeteiligung in der Stadtpolitik.

Kann man in Zeiten leerer Kassen die Stadt für ihre Bürger attraktiver und lebenswerter gestalten? Man kann – davon sind die sieben Initiatoren überzeugt. Sie selber stehen seit Jahren sinnbildlich für bürgerschaftliches Engagement.

Moderator Franz Tews etwa ist nicht nur Mitglied der Walsumer Grünen, sondern außerdem Vorsitzender der Initiative Erinnern gegen Rechts. Er definiert den Gedanken, der dem Duisburger Manifest zugrunde liegt: „Wir müssen weg von der Zuschauerdemokratie hin zu mehr Bürgerbeteiligung. Wir müssen die Bürger fordern, ihre Stadt aktiv zu gestalten. Dieses Manifest ist als Katalysator für die Köpfe gedacht."

Wa­rum das bitter nötig sei, erklärt Theo Steegmann von der Bürgerinitiative Neuanfang für Duisburg: „Mich erschreckt, wie viele Ratsmitglieder ihren Job einfach nicht machen. In puncto Factory-Outlet-Center wurde ja nahezu einstimmig für den Bau gestimmt. Wie sich aber später herausstellte, haben viele Ratsmitglieder in der Beschlussvorlage schlichtweg überlesen, dass dafür die Siedlung Zinkhüttenplatz abgerissen werden muss. So etwas darf einfach nicht passieren.“

Professor Roland Günter, Mitherausgeber der Streitschrift, führt aus: „In Duisburg werden Millionen für die Zerstörung von Stadtteilen und Quartieren ausgegeben. Ich denke da an den Abriss von Bruckhausen für den Grüngürtel oder an den drohenden Abriss der Siedlung Zinkhüttenplatz für das Factory-Outlet-Center. Die Bürger werden aber nicht gefragt, ob sie das wollen. Und wenn sie nach geltendem Baurecht endlich gefragt werden, ist es längst zu spät. Das ist doch absurd.“ Daher fordert Josef Krings: „Die Ereignisse anlässlich der Loveparade müssen uns zum Umdenken zwingen. Schluss mit dem Größenwahn, mit Rieseneinkaufszentren und Leuchtturmprojekten. Wir brauchen Politik mit menschlichem Maß, in deren Mittelpunkt der Bürger steht und in der die Stadtverwaltung Dienstleister des Bürgers ist.“ Dass Hochglanz selten Fortschritt bringe, habe bereits der Turmbau zu Babel gezeigt, stimmt Armin Schneider, Superintendent der evangelischen Kirche, zu: „Der ist ja auch gescheitert und hat die Menschen entzweit. Die zentrale Frage muss sein: Wie gehen wir mit den Schwächsten in unserer Gesellschaft um? Mein Leitgedanke findet sich in Jeremia: 'Suchet der Stadt Bestes'.“ Michael Lefknecht, Marxloher Hausarzt und Gründer der Bürgerinitiative gegen Umweltgifte, ist davon überzeugt, dass Veränderung immer im Kleinen beginnen müsse, bevor sie die breite Masse erreiche: „Sie muss im Kiez stattfinden, vor der Haustür und auf Augenhöhe. Die Menschen müssen an dem arbeiten, was verbindet, nicht an dem, was trennt." Das betreffe auch das Thema Integration, weiß Michael Rubinstein als Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Duisburg/Mülheim. Auf politischer Ebene werde zwar viel über Integration geredet, kaum aber etwas davon komme beim Bürger an: „Die Mehrheit wird einfach nicht mitgenommen. Jeder muss aber für sich anfangen, auf den anderen zuzugehen. Die Monokulturen, die sich in vielen Stadtteilen gebildet haben, sind vollkommen kontraproduktiv.“

Weg von der Jagd nach Superlativen hin zu Besinnung, kritischer Betrachtung und zum Querdenken – Entschleunigung lautet das Zauberwort. Denn dass das Motto „Größer, schneller,weiter“ nicht immer zielführend sei, habe er am eigenen Leib erlebt, schließt Josef Krings mit einer Anekdote. So sei er vor Jahren eingeladen worden, mit der Concorde nach New York zu fliegen. Das ginge ganz schnell, hatte man ihm vorgeschwärmt. „Stimmte auch“, schmunzelt der Alt-OB, „kaum war ich im Flugzeug, landeten wir schon in New York. Und als ich dann im Hotel ankam, musste ich vier Stunden auf mein Zimmer warten."

ZUR PERSON:

Prof. Dr. Roland Günter ist Kunst- und Kulturhistoriker und Pionier bei der Rettung von Industriebauten vor dem Abriss. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen unter anderem über die Industriekultur und das Ruhrgebiet. Roland Günter ist außerdem 1. Vorsitzender des Deutschen Werkbunds NRW. Er lebt in Oberhausen-Eisenheim, wo er die „Ideenwerkstatt Eisenheim“ ins Leben gerufen hat, die nun das „Duisburger Manifest“ vorstellte. Der 52 Seiten starke Leitfaden zum Umdenken für Stadt-Politik ist in einer Auflage von 2 000 Exemplaren erschienen.

Autor:

Claudia Brück aus Düsseldorf

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