TARGET DUISBURG – 20. Dezember 1942 - als das Stadttheater starb

Das Stadttheater
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(Auszug aus dem Manuskript OPERATION HURRICANE von Harald Molder und Melanie Patten)

Es ist wenige Tage vor Weihnachten, als das Britische Bomber Command, am 20. Dezember 1942 Duisburg wieder zum Ziel auswählt. An diesem Tag ticken auf den Flugplätzen in Südengland die Fernschreiber bei den Bomber Squadrons der Royal Air Force (RAF). Ein neuer Angriff gegen die „Huns“, die „Hunnen“, soll geflogen werden. Gespannt richten sich die Augen der Planungsoffiziere auf den schmalen Papierstreifen, den die Maschine ausspuckt, und auf dem die notwendigen Daten über die beteiligten Einheiten, Sprit und Bombenladungen, und natürlich das Ziel vermerkt sind.

Diese werden direkt an den Stab weitergegeben und auf eine große Europakarte übertragen. Das Ziel wird besonders gekennzeichnet. An diesem Sonntag soll auch das neue Navigations- und Bombardierung Zielgerät „Oboe“ erstmals während eines Angriffs durch das „Bomber Command“ genutzt werden. Hierfür fliegen 6 Mosquitos der 105. Squadron einen Angriff gegen das Elektrizitätswerk in Lutterade in Holland. Drei Bomber griffen das Testziel an, während die Anderen Probleme mit ihrer Ausrüstung hatten und Alternativziele bombardierten.

Doch das Hauptziel der Bomberflotte heißt an diesem Abend „Duisburg“, oder, wie es im Einsatzbefehl zu lesen ist und wie es das Tagebuch des „Bomber Command“ wiedergibt: „Duisburg, town area“

Um 19.21 Uhr erfolgt der Einflug nördlich von Rotterdam, ist drei Minuten später bei Zwolle und gegen 19.32 Uhr die Spitze des südlichen Einfluges bei Roermond.

Um 19.32 Uhr wird in Duisburg Fliegeralarm gegeben. Zwei Minuten später ist die Spitze des Verbandes bei Bocholt. Um 19.41 Uhr erreicht diese Recklinghausen mit Kurs S.W. Ihr Ziel: Duisburg, die Stadt an der Ruhrmündung! Erst um 21.04 Uhr wird Entwarnung gegeben! 15 Minuten später soll sich die Stadt in ein Flammenmeer verwandeln.

56 Duisburger werden wenige Tage vor dem „Fest des Friedens“ getötet und 162 verletzt.

Die Bomber leisten ganze Arbeit. Von Hüttenheim im Süden bis Walsum im Norden reichen die Bombentreffer.

Es ist der 132 Angriff gegen unsere Heimatstadt und zwischen 19.47 und 20.18 Uhr werden vom Duisburger Polizeimajor Kauermann 8 Luftminen, 168 Sprengbomben sowie 35.815 Stabbrandbomben (1,7kg), 22 Phosphor Brandbomben (14 kg) und 5 Phosphorkanister als Abwurfmittel feststellt.

Diese fielen auf folgende Stadtteile sowie die zum LS Ort gehörende „Stadt Walsum“:

Beeck / Beeckerwerth: 12 Spreng / 720 Brand
Bruckhausen: 11 Spreng / 540 Brand
Dellviertel: 6 Spreng / 1 Luftmine / 1500 Brand / 2 Phosphor (neue Art)
Duissern: 5 Spreng / 200 Brand
Hafengebiet: 6 Spreng / 4100 Brand
Hamborn: 1000 Brand
Hochfeld: 12 Spreng / 4000 Brand
Huckingen: 28 Spreng / 5000 Brand
Kaßlerfeld: 5 Spreng / 1500 Brand
Meiderich: 7 Spreng / 1750 Brand
Neudorf: 10 Spreng / 3 Luftminen / 3000 Brand
Neumühl: 3 Brand
Ruhrort: 4 Spreng / 1000 Brand / 5 Kanister
Stadtmitte: 5 Spreng / 2 Luftminen / 3000 Brand
Wanheimerort: 54 Spreng / 2 Luftminen / 7980 Brand / 20 Phosphor (neue Art)

und auf die Stadt Walsum: 3 Spreng / 500 Brand

232 Flugzeuge sind gestartet und 111 Lancaster, 56 Halifax, 39 Wellington und 26 Stirling Bomber fliegen den Angriff 4 Tage vor dem Weihnachtsfest. Hierbei gehen 12 Bomber verloren: 6 Lancaster, 4 Wellington und 2 Halifax, was 5,2 % der Flotte bedeutet. Die Besatzungen berichten hinterher, dass über dem Ziel klare Sicht herrschte und eine große Zerstörung erkennbar war.

Das bedeutet bei der Größe der Bomberflotte die den Angriff geflogen hat, daß nicht alle Bomben auf Duisburg gefallen sind oder als Blindgänger noch immer im Boden stecken.

Er wird bei klarer Sicht durchgeführt und wird dadurch sehr erfolgreich. Doch 12 Maschinen: 6 Lancaster, 4 Wellington und 2 Halifax, dieses sind 5,2 Prozent der Bomberflotte gehen verloren.

Auch über Duisburg gehen 2 Bomber nieder. Eine Maschine stürzt noch um 1.15 Uhr in Höhe der Teerverwertung in den Rhein Herne Kanal und eine weitere um 5.10 Uhr bei Wedau ab.

Während die britischen Bomber wieder auf dem Rückflug sind, beginnt man in Duisburg zu retten, was noch zu retten ist. Die Bombenladung zeigt jedoch, dass man ganz bewusst auf die Wirkung des Feuers gesetzt hatte. Viele kleine Brandherde konnten sich oft unbemerkt entwickeln, bis ein Löschen mit den im Hause befindlichen Utensilien „Feuerpatsche“ oder dem „MINIMAX“ Feuerlöscher nicht mehr möglich ist. So werden nicht nur viele Gebäude durch Sprengbomben vernichtet sondern brennen aus.

Total zerstört werden 34 Geschäftshäuser, 4 Behördengebäude, eine Schulbaracke und 4 landwirtschaftliche Gebäude. Cafes, Kinos wie z.B. in der Innenstadt die Kaufhäuser HORTEN an der Münz-/Ecke Beekstraße, Hanisch, Pelzer, Garnatz, das Palast Cafe am Kuhtor, das Cafe Prinzregent, das DGA Gebäude am Kuhtor, die „Kleinkunst Bühne“ an der Universitätsstraße, an der Königstraße der PRIMUS Palast, Cafe Ernst, Pianohaus Adams, Bautzmann.

Auch zahlreiche Bankgebäude sind ausgebrannt: Deutsche Bank, Commerzbank, Duisburger Bankverein. Das Lehnkering Lagerhaus an der Schifferstraße, nur noch ein Trümmerhaufen! Andere Gebäude tragen schwere und schwerste Schäden davon, wie der Duisburger Hof.

Doch viele Duisburger sind bestürzt beim Anblick ihres Stadttheaters, das aus zahllosen Wunden blutet. Der Bühnen- und der Zuschauerraum sind durch Stabbrandbomben bis auf die Grundmauern ausgebrannt. Die stehen gebliebenen Mauerteile haben durch die Auswirkungen von zwei Luftminen ebenfalls schwer gelitten und sind abbruchreif. Der kulturelle Schaden, den die Stadt erleidet, ist mit dem materiellen von 3 mio RM nicht zu beziffern.

Nur wenige Monate zuvor konnte es den 25. Jahrestag seiner Erbauung feiern. Mit dem Haus vernichtet wird auch die dargebotene „Pfitzner Ausstellung“. Nach der Tonhalle, die so viele festliche Aufführungen an Konzerten erlebt hatte und die nur wenige Monate zuvor am 7. September 1942 Brandbomben zum Opfer fiel, ist nun auch das Opernhaus getroffen.

Nach der Zerstörung des Stadttheaters durch den Luftangriff – unmittelbar nach einer Aufführung von Wagners „Tannhäuser" – gab es provisorische Aufführungen im „Mercator-Film-Palast“, dem „Thyssen-Casino“ oder aber in der Mülheimer und Rheinhauser Stadthalle.

Ebenfalls eingeäschert wird die Stadtbücherei im alten Gebäude der „Societät“ an der Königstraße. Hier werden 150.000 Bände vernichtet, einschließlich der Handschriftensammlung. Wenige ausgelagerte Altbestände wie der Duisburger Sachsenspiegel von 1385 überleben. 1943 kann der Bibliotheksbetrieb erst wieder aufgenommen werden. Der 1944 mit 90.866 Bänden bezifferte Bestand wird am 21. Februar 1945 zum zweiten Mal völlig vernichtet.

Schwer beschädigt sind das Postamt 1, die Stadtsparkasse und das Waisenhaus an der Niederstraße.

Auch der Altbau des Landgerichts brennt ab, während im Neubau am König-Heinrich-Platz der Turm und das oberste Geschoß zerstört werden. Nach einjähriger Ausquartierung ist es auch hier erst wieder im Dezember 1943 möglich, in das Landgerichtsgebäude zurückzukehren.

Erneut schwer beschädigt sind das Bethesda- und das Marienhospital. In Bruckhausen zerstört eine Sprengbombe den Vorbau der Liebfrauenkirche. Getroffen werden die Schulen in Buchholz, Hochfeld und die Gewerbeschule am Schinkelplatz.

Eine Liste mit zerstörten, schwer und mittelschwer beschädigten Betrieben liest sich wie das „who ist who“ der Duisburger Industrie. In 22 von 47 beschädigten Industriebetrieben entsteht Produktionsausfall.

Zahllose Einrichtungen der Reichsbahn sind mit Sprengbombeneinschlägen übersät. Der Personenverkehr von und nach Düsseldorf und Wedau ist für ca. 6 Stunden unterbrochen. Die Rangierbahnhöfe in Hochfeld und auch der Hafenbahn sind zerstört und auch die DVG hat schwerste Schäden an Gleisen und Betriebsgebäuden zu beklagen.

Erschwert wird die Brandbekämpfung in Duisburg dadurch, dass auf der Ungelsheimer Straße in Hüttenheim die Hauptwasserleitung Bockum – Duisburg durch eine Sprengbombe durchschlagen wurde.

Insgesamt wüten in der Stadt 103 Großbrände, 245 mittlere und 507 kleinere Brände. Total zerstört werden 39 Wohnhäuser durch Minen und Sprengbomben und 177 Wohnhäuser durch Brandbomben. 7813 Duisburger müssen 4 Tage vor dem Weihnachtsfest aus 510 Häusern ausquartiert werden. Gerade wie die „Heilige Familie“ 1942 Jahre zuvor sind sie ohne Heimstatt.

Und aus vielen Städten und Gemeinden rund um Duisburg und sogar aus Bad Rothenfelde strömen Rettungskräfte der schwer angeschlagenen Stadt zur Hilfe, nachdem ortsfeste Kräfte und Bergungstrupps aus Bergleuten erste Hilfsmaßnahmen gestartet und nach Verschütteten gesucht haben.

Mit Trauer und Sorge gehen die Duisburger am Montagmorgen durch die Straßen Duisburgs. In Duisburg haben 56 Menschen den Angriff nicht überlebt und 162 Verletzte sind zu beklagen! 260 Gebäude in unserer Heimatstadt sind zerstört, 269 schwer-, 352 mittelschwer und 1702 leicht beschädigt.

Zeitzeugenberichte über die Angriffsfolgen in Hüttenheim und Huckingen sind hier zu finden:

http://www.lokalkompass.de/duisburg/ratgeber/der-angriff-vom-20-dezember-1942-in-huckingen-und-huettenheim-d33083.html/action/lesen/1/recommend/1/send/1/

Autor:

Harald Molder aus Duisburg

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