Verhinderte Ehrung für im Nationalsozialismus verfolgten Künstler
Schwarz-rote Essener Rathaus-Koalition blockiert Platzbenennung nach Will Lammert

Foto von Will Lammert 1956 in seinem Atelier, knapp ein Jahr vor seinem Tod 1957 in Berlin | Foto: Will Lammert in seinem Atelier, 1956 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Will_Lammert_(1956).jpg
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  • Foto von Will Lammert 1956 in seinem Atelier, knapp ein Jahr vor seinem Tod 1957 in Berlin
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Eigentlich müsste sich die frühere Kulturhauptstadt Essen darüber freuen, dass in den 20ziger Jahren bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 an vielen Orten, ob im Schauspiel, der Literatur, in der Fotografie , Bildhauerei und Architektur eine innovative künstlerische Szene aktiv war. Zu dieser damals öffentlich sehr sichtbaren Szene gehörte auch Will Lammert aus der Künstlerkolonie auf der Margarethenhöhe. Lammert entwickelte nicht nur kleine Plastiken oder Bronzen für den privaten Besitz, sondern war mit seinen innovativen großen Arbeiten auf vielen privaten wie kommunalen repräsentativen Gebäuden vertreten.
Ein Antrag der Grünen im Hauptausschuss am 19.8 wollte zumindest die späte Wertschätzung Will Lammerts jetzt auch öffentlich mit einer offizellen Platzbenennung fixieren.
Im Fall Will Lammerts zählt sein künstlerisches Wirken in und für Essen aber zumindest für die Ratsfraktionen von CDU und SPD augenscheinlich nicht zum positven Kunsterbe, denn dieser Künstler war 1932, ein gutes Jahr vor der Regierungsübernahme durch die NSDAP-Funktionäre in die KPD eingetreten. Ein Umstand, nach dem es für unsere GroKo anscheinend Tabu ist, so einen Menschen noch mit einer Platzbenennung zu ehren.

Mit der Hauptsatzung die Ehrung Will Lammerts verhindern?

Bereits im letzten November hatten die CDU-Vertreter in der Bezirksvertretung III mit dieser Begründung gegen eine Platzbenennung nach Will Lammert gestimmt. Trotzdem gab es dort aber einen deutlichen Mehrheitsbeschluss für den Will Lammert-Platz am Südwestfriedhof. In dessen Trauerhalle ist eines der wenigen großen öffentlichen Arbeiten durch glückliche Umstände erhalten geblieben. 
Um diese Mehrheitsabstimmung aber umgehen zu können, durchforstete die CDU daraufhin die Hauptsatzung unserer Stadt, um schließlich auf die erhoffte Lösung zu kommen: Eine Benennung am Südwest-Friedhof, einem der großen Zentralfriedhöfe in Essen, ist dem Hauptausschuss der Stadt vorbehalten, der Mehrheitsbeschluss der Bezirksvertretung also ungültig.
Als jetzt die Grünen in der Augustsitzung des Hauptausschusses aber einen entsprechenden Antrag auf Namensgebung  eines Platzes am Haupteingang des Südwest-Friedhofs in Fulerum auf die Tagesordnung setzten, wollten CDU/SPD noch nicht einmal darüber diskutieren. Ohne jede Diskussion wurde der Tagesordnungspunkt "Ehrung Will Lammert" gegen die Stimmen von Grünen und der Linken abgesetzt.
Die GroKo möchte das Thema lieber später nicht-öffentlich im Ältestenrat diskutieren, für den es natürlich vor der Kommunalwahl keinen Termin mehr geben wird und der nach der Geschäftsordnung des Stadtrats hier gar nichts beschließen kann. Also wird voraussichtlich höchstens im nächsten Jahr darüber befunden.

Verfemte Kunst in Essen - ein Rückblick

Nach Verboten und Selbstauflösungen anderer Parteien waren 1933 auch in der Essener Stadtregierung die Nationalsozialisten an der Macht. Mit dem hoch betagten Rechtsaußen-Pressezar Theodor Reismann-Grone hatten sie einen ihnen genehmen Oberbürgermeister installiert, der unter anderem im Bildhauer und Plastiker Will Lammert ein besonders Hassobjekt gefunden hatte.
Eigentlich war der selbst schriftstellernde Verleger Reismann-Grone sehr Kunst beseelt - Essen sollte sich an vielen Kunstfronten zum "braunen Weimar" entwickeln. Als neuer Stadtbibliotheksleiter wurde z.B. mit Richard Euringer ein bekannter Nazi-Literat berufen. Der Südwest-Friedhof sollte zum Gaufriedhof in typisch nationalsozialistischer Gestaltung umbebaut werden.
Da störten die modernen plastischen Arbeiten  von Will Lammert im Geist der Weimarer Republik natürlich außerordentlich. Lammerts Werk galt den Nationalsozialisten schon vor ihrer Machtergreifung als typischer Ausdruck der sogenannten "entarteten Kunst", die sich bewusst von oberflächlich naturalistischen Darstellungen, aber auch von dem, was als "neue Sachlichkeit" in die Kunstgeschichte eingegangen ist, gelöst hatten.

Lammert - bereits 1933 zur Emmigration gezwungen

Im Gegensatz z.B. zu Kunstwerken der Malerei, die bald zu Hauf z.B. aus den Beständen des Folkwangmuseums herausgenommen und ins Ausland verkauft wurden, um an begehrte Devisen auf die aufkommende Kriegswirtschaft kommen, wurden Lammerts plastische Werke, insbesondere an öffentlichen Einrichtungen, definitiv zerstört. Was an kleinen Arbeiten übrig blieb, landete wenige Jahre später unter anderen in der NS-Wanderausstellung "Entartete Kunst". 
Zum Glück aber gelang Lammert und seiner jüdischen Frau bereits 1933 die Flucht ins Ausland. 1951 nach Deutschland zurückgekehrt, wurde er in der DDR ein hoch geachter Künstler, der dort auch den Auftrag für eine Skulpturengruppe in der Mahn- und Gedenkstätte des ehemaligen Komnzentrationslagers Ravensbrück erhielt. 1957 verstorben, erhielt Lammert posthum den Nationalpreis der DDR.
Nicht nur die Grüne oder die Linke Ratsfraktion waren hier der Ansicht, dass für Will Lammert eine besondere Ehrung auch außerhalb einer zeitlich befristeten Ausstellung wie im Ruhrmuseum mehr als überfällig ist. Professor Theodor Grütter vom Ruhrmuseum und selbst der sicherlich nicht auf revolutionär- kommunistischen Pfaden wandelnde Historische Verein für Stadt und Stift Essen setzten sich schriftlich für eine Ehrung Will Lammerts ein. 
Da stimmt es doch überaus traurig, dass sich Rats SPD&CDU entschlossen haben, sich vorerst dieser antifaschistischen Kultur - und Kunstaufarbeitung zu verweigern. Aber möglicherwesie führt jetzt ja gerade diese Haltung dazu, dass sich mehr Menschen und eine größere Öffentlichkeit mit Leben und Werk von Will Lammert beschäftigen.

Autor:

Walter Wandtke aus Essen-Nord

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