"4. Liga? Selbst schuld!" - RWE-Trainer Waldemar Wrobel im Interview

Waldemar Wrobel, wie ist der Stand der Dinge nach der Vorbereitung?

Wrobel: Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir absolut zufrieden. Ich denke, dass die Jungs in den letzten fünf Wochen sehr akribisch gearbeitet haben. Im Übrigen auch ohne uns: Sie kamen in einer sehr guten Verfassung aus dem Urlaub. Was das Training betrifft, war das alles ziemlich ansprechend. Die Resultate in den Testspielen dagegen waren nicht immer gut. Aber wenn ich mir die Testspiele anderer Mannschaften anschaue, ist dieser Werdegang ganz normal. Fakt ist: Wo wir stehen, werden wir am Wochenende gegen Mainz erfahren.

Auffällig ist, dass Ihr gegen keinen Regionalligisten getestet habt – sondern nur gegen unterklassige Mannschaften, oder aber Top-Teams wie Freiburg oder Sofia. Wie aussagekräftig kann eine solche Vorbereitungsserie sein?

Wrobel: Welche Aussagekraft haben solche Spiele? Wenn man gegen starke Mannschaften gut aufspielt, dann sagt man gerne "eine Menge", wenn man gegen die Schwachen schwach spielt, "keine". Für uns waren zwei Erkenntnisse wichtig: Wir haben bei den guten Mannschaften gesehen, dass wir mitspielen können; dass wir, wenn wir alles abrufen, in der Lage sind, ein gewisses Niveau abzurufen. Und das beinhaltet ein sicheres Kombinationsspiel, eine gewisse Passqualität, Robustheit. Aber in diesen Spielen haben die Jungs auch gesehen: Wenn man Fehler macht, einfache Dinge nicht richtig macht, wird das von Teams wie Freiburg oder Sofia sofort bestraft. Das ist eine wichtige Lehre für unsere Spieler. In der Regionalliga wartet schließlich eine andere Qualität auf uns als noch in der NRW-Liga.
Was die Partien gegen unterklassige Mannschaften betrifft: Man ist zwar motiviert, aber manchmal schafft man es nicht, ins Spiel zu finden. Von daher sollte man sowohl gute als auch schlechte Resultate nicht überbewerten. Im letzten Jahr war unsere Vorbereitung auch mäßig, doch wenn es darauf ankam, waren wir da.

Stichwort Niveau. In der letzten Saison lautete das Motto "Leidenschaft schlägt Qualität". Welche spielerische Qualität bringen die Neuzugänge mit? In der Breite habt Ihr Euch sicherlich so verstärkt, dass jede Position doppelt besetzt ist…

Wrobel: Leidenschaft KANN Qualität schlagen! Nicht immer. Über eine gute Physis, Motivation, Anspannung, über Geilheit auf den Ball kannst Du in der Lage sein, ein Spiel gegen eine Mannschaft, die sich allein auf ihre spielerischen Mittel verlässt, für Dich zu entscheiden. Ich will nur suggerieren, dass Leidenschaft ein wichtiger Faktor im Fußball ist. Hafenstraße, 20.30 Uhr, das IST Leidenschaft!
Zur Qualität: Wir haben den Kader insgesamt verstärkt. Wir haben uns ja –mit Ausnahme von Alexander Thamm – nur von Spielern getrennt, die nicht gesetzt waren. Dafür sind Spieler wie Rodenberg, Heppke, Kaya, Grummel oder Guirino dazugekommen, die über Erfahrung und/oder vielversprechende Anlagen verfügen.

Der Druck auf die Arrivierten wurde also erhöht. Weht ein anderer Wind durch das Georg-Melches-Stadion?

Wrobel: Aus meiner Sicht schon. Es ist so, dass die Mannschaftsteile für unsere Möglichkeiten sehr gut besetzt sind, die guten Spieler aber nicht alle gleichzeitig spielen können. Der Konkurrenzkampf hat sich sicherlich verschärft. Bei Verletzungen in der vergangenen Saison war adäquater Ersatz nicht immer unbedingt vorhanden.

Druck, den gab es bei Rot-Weiss Essen auch immer von außen. Geschäftsführer Michael Welling wünschte sich auf der Jahreshauptversammlung einen einstelligen Tabellenplatz für die Abschiedssaison im alten Georg-Melches-Stadion. Passt dieser Wunsch in den von Dir angepeilten Zielkorridor?

Wrobel: Einstellig heißt für mich Platz neun. Wir wollen etwas besser sein als der Durchschnitt, und das hätten wir mit Platz neun erreicht. Das wäre ein riesiges Ergebnis für uns. Primär geht es allerdings darum, in dieser schwierigen Liga anzukommen. Man muss bedenken, was die anderen Vereine so aufrufen: Lotte, Wuppertal, Fortuna Köln, Siegen, Koblenz, Trier, plus neun U-Mannschaften. Letztendlich ist Platz neun ein schwieriges, aber durchaus machbares Ziel.

Neun von neunzehn Mannschaften sind Nachwuchsteams, weshalb die Regionalliga häufig als unattraktiv verschrien ist. Zumindest aus wirtschaftlicher Sicht sind diese Mannschaften – Schalke II mal ausgenommen – doch wenig interessant…

Wrobel: Das ist zum Einen sicherlich richtig. Das sind alles Teams, die zu unseren Heimspielen keine Fanmassen mitbringen. Doch Fakt ist: Sie haben sich sportlich für diese Liga qualifiziert, so ist der Modus – daran können wir nichts ändern. Dennoch ist diese Liga attraktiv, vom sportlichen Standpunkt gesehen. Sie ist schwierig zu spielen.
Sicher wäre es schöner, gegen eigenständige Vereine zu spielen. Aber wir sind vierte Liga und daran sind wir selbst schuld. Wir haben nicht das Recht, die Liga schlechtzureden, sondern müssen unseren Verein weiterentwickeln. Weiterentwicklung des Vereins, Konsolidierung des Vereins, und das auf transparentem und seriösem Wege, nicht mehr ausgeben als einnehmen – all das ist wichtig, damit wir die Leute weiter begeistern.

Wenn wir schon beim Wirtschaftlichen sind: Die Insolvenz liegt hinter Euch, dem Profitum habt Ihr früh eine Absage erteilt.

Wrobel: Stimmt, ein Profitum ist gar nicht machbar, unser Etat ist sehr, sehr begrenzt. Er ist zwar höher als im letzten Jahr, aber in Vergleich zu anderen Verein nur minimal. Ein Profitum wäre außerdem nicht glaubwürdig. Wir können den Spielern Rot-Weiss Essen nicht erst mit Lehrstellen schmackhaft machen, dann auf Profitum umstellen und sagen: 'Seht zu, wo Ihr bleibt.'

Vor diesem Hintergrund war es dann auch kein Problem, die Spieler von einer weiteren Zusammenarbeit zu überzeugen?

Wrobel: Nein, da gab es keine Probleme. Die Jungs wissen ganz genau, was sie hier haben.

Nochmal zurück zur Regionalliga. In dieser Saison wird es im Hinblick auf die Regionalligareform für 2012/13 keine Absteiger geben. Ein Vorteil, weil man nach unten abgesichert ist? Oder ein Nachteil, da man – einen Negativlauf zum Saisonbeginn vorausgesetzt – Motivationsprobleme bekommen könnte? Schließlich kann sportlich ja nicht viel passieren…

Zunächst einmal gehe davon aus, dass wir sportlich die Liga halten würden – würde es Absteiger geben. Außerdem gibt es in jeder Spielzeit Mannschaften, bei denen sich relativ früh abzeichnet, dass sie sich im Tabellenmittelfeld wiederfinden werden. Sollen die etwa Motivationsprobleme bekommen, nur weil sie nichts mit dem Aufstieg oder dem Abstieg zu tun haben? Diese Frage stellt sich für mich nicht. Weil ich sage: Unser Ziel ist es, erfolgreichen Fußball zu spielen, die Leute zu begeistern, möglichst viele Punkte einzufahren. Und dann mir als 20-, 21-Jähriger ein Motivationsproblem einreden zu lassen, nur weil es keine Absteiger gibt, das ist – mit Verlaub – absoluter Quatsch.
Unter normalen Bedingungen werden wir nichts mit dem Aufstieg zu tun haben, Absteiger gibt es nicht. Also müssten wir folglich gar nicht erst antreten? Wer hier ein Motivationsproblem hat, der ist hier fehl am Platz.

Da muss man sich als Außenstehender derzeit wohl wenig Sorgen machen. Die Mannschaft hat einen enormen Reifeprozess durchgemacht. Wie groß ist dein Anteil an diesem Prozess? Spieler wie Holger Lemke oder Suat Tokat waren bereits unter Ralf Aussem und Uwe Erkenbrecher im Kader der ersten Mannschaft, konnten sich allerdings nicht durchsetzen. Damals deuteten die Verantwortlichen an, dass Einstellungsprobleme der Grund hierfür sein könnten…

Wrobel: Ich denke, Leute wie Suat Tokat genießen jetzt eine andere Wertschätzung. Aber sie haben sich auch gut entwickelt, sind für ihre Entwicklung also selbst verantwortlich. Letztendlich ist entscheidend, wie beide Seiten miteinander umgehen. Wir erachten die kommunikative Ebene als sehr wichtig. Alle Beteiligten müssen begreifen, dass das alles ehrlich ist, was wir hier machen. Es wird sich zeigen, was passiert, wenn es mal nicht so läuft. Wenn man erfolgreich ist, ist es einfacher alles schön zu reden. Wenn man erst mal ein paar Spiele verliert, wird sich der wahre Charakter auch zeigen. Aber ich gehe davon aus, dass wir weiter unseren Weg beschreiten.

Autor:

Patrick Torma aus Essen-Nord

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