BG45 Unterwegs: Den Kreislauf der Not durchbrechen! Wege aus der Armut.

Dies war der Titel des 6. Treffens der Menschen mit Armutserfahrung. Die Nationale Armutskonferenz (NAK) fand dieses Jahr am 14. +15.September in Berlin statt. Wer oder was ist die NAK? www.nationale-armutskonferenz.de
Die Vorstandsvorsitzenden der BG45, Harald Dieringer und Waltraut Steuer, haben es sich nicht nehmen lassen, dem Aufruf zu folgen, suchen wir doch schon lange Wege aus der Armut. Die Fahr- und Übernachtungskosten sollen übernommen werden, die Verpflegung war frei, zwar zuwenig, aber darin haben wir ja staatsgewollt Übung. Nun, immerhin war das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) an der Finanzierung dieser Konferenz beteiligt. Dafür allerdings mussten wir Holger Winkler als letzten Redner ertragen, verbeamteter Jurist im Ministerium, der die undankbare Aufgabe hatte, Frau von der Leyens „Politik“ als quadratisch, praktisch, gut zu verkaufen, ein Beispiel: das Bildungs- und Teilhabe Paket. Übelkeitsbedingt musste ich den Raum verlassen und fand schon andere Flüchtlinge, die mehr Interesse daran hatten über Gewaltverzicht zu debattieren. In irgendeinem Stimmengewirr rumorte das Wort Schreibtischtäter, aber ich weiß wirklich nicht wieso. Abschließend können wir noch nicht einschätzen, welchen Nutzen oder welche neuen Erkenntnisse die Konferenz der BG45 gebracht hat, aber, vielleicht sucht uns die Erleuchtung noch unerwartet und überraschend heim.
Ich fange dann mal von vorne an. Die EU hatte im Jahr 2010 das Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung ausgerufen. Angesichts von 80 Millionen Menschen mit Armutserfahrung in den EU-Staaten, davon allein 8% der erwerbstätig Beschäftigten, und insgesamt 20 Millionen betroffenen Kindern hat die „Europäische Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ die Agenda 2020 aufgelegt, als Fortschreibung des Vertrages von Lissabon. ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=961&langId=de
Es wurden „Indikatoren“ entwickelt, nach denen die Nationalstaaten sich verpflichtet haben, Armut nachhaltig zu bekämpfen. Es wurde aber leider versäumt, bei mangelnder Umsetzung, oder dem Herumfurwerkeln an den Standards, oder dem Herunterrechnen von der tatsächlichen Zahl der in Armut lebenden Menschen, Sanktionen gegen Nationalstaaten zu beschließen. Überprüfbarkeit entfällt gänzlich. Wir haben bei der „Neuberechnung“ des Hartz4-Regelsatzes und dem unsäglichen Bürokratiemonster „Bildungs- und Teilhabepaket“ (BuT), welches mehr Probleme schafft, als es einem Kind nützt, erlebt, wie unsere Bundesregierung dreht und wendet und trickreich raus- und runterrechnet. In 2010 wurde in der EU nachhaltig der Reichtum weiterhin nach oben verteilt, der Graben zwischen Arm und Reich wurde größer und tiefer. Natürlich auch in der BRD, mit Vorbildcharakter für andere EU Staaten.
Die parteilose Gabriele Schmidt vom NRW Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) referierte über die Armutsbekämpfung auf Landesebene.
Indikatoren oder Kernziele der Strategie 2020 sind in der EU unter anderem:
75% der Bevölkerung zwischen 20 und 64 Jahren sollen in Erwerbstätigkeit sein
- die Zahl der Schulabbrecher soll um 10% gesenkt werden
40% der jüngeren Generationen sollen einen Hochschulabschluss erreichen
- 3% des Bruttoinlandproduktes soll für Forschung und Entwicklung bereit gestellt werden
- die Armutsgefährdung soll für 20 Millionen Menschen gesenkt werden
Frau Schmidt hatte so ihre Zweifel, wie diese Ziele erreicht werden können, auch wenn in NRW z.B. schon 800 000 Anträge aufs BuT gestellt wurden. Die Armut/Reichtum Verteilung sollte den Faktor 1:8 erfüllen. Aber, so Frau Schmidt:
die Wirtschaftskrise 2008 (ist die schon zu Ende?) erschwert die Armutsbekämpfung,
sowie die mangelnde finanzielle Ausstattung der Kommunen,
die Haushaltskonsolidierung des Bundes (= Schuldenbremse) ohne parlamentarische Beteiligung,(mir fallen Worte von Oskar Lafontaine wieder ein „Wir leben in einer Diktatur des Kapitals“)
und eine fehlende Koordinierung in den EU-Mitgliedsstaaten,
lasst uns raten, hängen die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung schlicht ab. Was bleibt ist, Erwerbslose über Maßnahmen in Jobs zu pressen. Zur Statistikbereinigung, denn Armut kann so nicht bekämpft werden.
Aber, im BMAS wird ja gearbeitet und das Ziel ist gefunden, bis 2020 wird die Zahl der Langzeiterwerbslosen reduziert um 20%, das sollen sein 660 000 Personen in der BRD. Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt über Qualifizierung und Weiterbildung von Erwerbslosen und auch mit Mitteln der EU.
Gabriele Zimmer, Mitglied des europäischen Parlamentes für Die Linke, betonte, Menschen haben heute die Funktion den Euro zu retten. Es sollte doch anders sein. Der Euro sollte Menschen retten. Weiter kritisiert Zimmer, die Eurorettungsmaßnahmen haben den Umweltschutz gekostet, der in den Nationalstaaten aus Geldmangel aufgegeben wurde. Die Sozialversicherungssysteme sind und werden weiter privatisiert. Es gibt keine EU-Mindeststandards zu Energiearmut, Wohnen, Mobilität und Zugang zum Wasser.
Soweit die Politik. In vier Arbeitsgruppen konnten sich die Teilnehmer zu verschiedenen Themen austauschen. Die Ergebnisse sind einzusehen unter dem Armutsnetzwerk: www.sozin.de
Ende 2012 soll das Ergebnis einer Studie von 27 EU-Staaten vorliegen, welche die Gründe für Wohnungslosigkeit untersucht. Die nächste Nationale Armutskonferenz findet statt am 13. und 14.März 2012 in Düsseldorf, das Thema wird „Wohnen“ sein.
Nun, noch haben wir den Weg aus der Armut nicht gefunden, den Kreislauf unserer Not nicht durchbrochen. Aber, wir wollen weiterhin gehört werden und Einfluss nehmen. Wir werden weiter beobachten, was in NRW, Bund und EU-weit geschehen wird, außer der Papierproduktion für die Ablage „P“. Ob wir es hinbekommen bis 2012 eine kommunale oder regionale Gruppe der NAK aufzubauen? Machte das Sinn? Wir müssen ja nicht unbedingt jemanden vom BMAS einladen.
Die NAK ist auch Mitglied im Netzwerk EAPN = The European Anti-Poverty Network: www.eapn.eu/
Waltraut Steuer

Autor:

Harald Dieringer aus Essen-Nord

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