Flechten: perfekte Symbiose aus Algen und Pilzen
Doppelwesen als Erfolgsmodell

Verschiedene Flechtenarten auf einem Weidetaun.
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  • Verschiedene Flechtenarten auf einem Weidetaun.
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Sie umgeben uns im Freien fast überall und werden doch kaum wahrgenommen. Sie besiedeln lebensfeindliche Orte wie  z.B.  Dächer, Baumstämme, Felsen und sogar Plastikschilder und bereiten dort  als Pioniere  den Untergrund für andere Lebewesen vor. Sie demonstrieren eindrucksvoll, dass keine Tier- und Pflanzenart  alleine eine Überlebenschance hat. Gründe genug, diese Doppelwesen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Ihre arttypische Form und Farbe erhalten Flechten durch den in ihnen vorkommenden Pilz Dies ist meist ein Pilz aus der Gruppe der Schlauchpilze. Danach unterscheidet man weltweit etwa 25 000 Flechtenarten. Der Pilz ist außerdem für die Haftung am Untergrund und für die Aufnahme von Wasser und Mineralstoffen aus der Unterlage oder der Luft zuständig. Mit den von ihnen gebildeten Säuren können einige Pilze sogar Gestein auflösen.  Ihre Pigmente schützen die in ihnen lebenden einzelligen Algen bzw. Cyanobakterien vor UV-Licht und bieten ihnen ein Milieu, in dem sie nicht austrocknen können. In vielen Fällen werden die in den Pilzhyphen lebenden Grünalgen auch noch mit dem lebenswichtigen Phpsphat beliefert, das die Pilze aufnehmen.
Im Gegenzug produzieren  die Grünalgen und Cyanobakterien im Rahmen ihrer Fotosynthese für die Pilze Kohlenhydrate, so dass letztere diese nicht aus ihrer  Unterlage  "abzapfen" müssen. Die Cyanobakterien nehmen für die Pilze zusätzlich noch Luftstickstoff auf.
Dadurch können Flechten an Orten wachsen, auf denen selbst die genügsamen Moose nicht klar kommen.
Das Einzige,was die meisten Flechten nicht ab können,  ist die Luftverschmutzung. Besonders das Schwefeldioxid setzt ihnen zu. Deshalb sind Flechten hervorragende Indikatoren für die Qualität der Luft.
Algen und Pilze bilden also eine dauerhafte wechselseitig positive Partnerschaft, in der sie u.U. über Jahrtausende zusammen leben können. Flechten können unter den Lebewesen das höchste Alter erreichen.
Es ist eine Frage der Perspektive, ob man sagt, dass Pilze und Algen sich gegenseitig helfen oder ob sie sich gegenseitig ausbeuten.
Neuere Forschungen haben gezeigt, dass neben den beiden häufig noch Hefearten als dritter Partner an der Symbiose beteiligt sind. Sie alle  bilden eine genetische Schicksalsgemeinschaft.
Allerdings stehen sie mit dieser Partnerschaft nicht alleine dar.
Der bekannte Förster und Autor Peter Wohlleben und der Botaniker Prof. L. Ibisch zitieren in ihrem Buch WALDWISSEN (vom Wald her die Welt verstehen) Scott F. Gilbert:
Sowohl bei den Pflanzen als auch bei den Tieren hat es nie Individuen gegeben. Dieses neue Paradigma der Biologie stellt neue Fragen und sucht nach den Beziehungen zwischen den verschiedenen Lebewesen auf der Erde. Wir sind alle Flechten.

Denn auch in und auf uns Menschen leben fast unzählige Bakterien (alleine in unserem Darm  500 Arten mit 100 Billionen) , ohne die wir nicht existieren könnten (umgekehrt natürlich auch nicht.)
Ich halte  das Flechtenmodell mit der genetischen Schicksalsgemeinschaft aus Algen bzw. Bakterien und Pilzen für ein Erfolgsmodell, von dem man nur staunend stehen kann und das wir zu begreifen versuchen sollten, um unsere Beziehungen zu anderen Lebewesen zu überdenken. Denn was auf der Ebene der Einzelwesen gilt, lässt sich auch auf die Beziehungen der übrigen Arten übertragen. Wir bilden  eine einzige große Schicksalsgemeinschaft auf unserem Planeten.

Autor:

Bernd Dröse aus Essen-West

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