Ein sicherer Hafen auf Zeit
Essener Elterninitiative hilft krebskranken Kindern aus der Ukraine

Flüchtlingsfamilien mit ihren krebskranken Kindern und Geschwistern bei der Feier zum „Internationalen Tag des Kindes“ am 1. Juni: In der Ukraine ist dieser Tag sehr wichtig und wird aufwendig zelebriert.  | Foto: Essener Elterninitiative
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  • Flüchtlingsfamilien mit ihren krebskranken Kindern und Geschwistern bei der Feier zum „Internationalen Tag des Kindes“ am 1. Juni: In der Ukraine ist dieser Tag sehr wichtig und wird aufwendig zelebriert.
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Für Familien mit einem krebskranken Kind bietet die Essener Elterninitiative seit fast 40 Jahren eine Unterbringung während der Behandlungszeit im Universitätsklinikum. Wer das Team als „durchaus erfahren“ bezeichnet, liegt goldrichtig! Seit dem 24. Februar ist es aber vorbei mit der „Gelassenheit“.

Denn seit diesem Tag kämpfen rund 15 der Familien nicht nur mit der Krebsdiagnose ihres Kindes, sondern sind aus ihrer Heimat, der Ukraine, teils unter traumatischen Bedingungen geflohen. Meist mussten die Frauen ihre Männer, häufig Geschwisterkinder und all ihre Lieben und Habseligkeiten zurücklassen.

Ärmel hochkrempeln

Was das für die Eltern und Kinder bedeutet, ist quasi unvorstellbar. Und was heißt das für den spendenfinanzierten Elternverein? Ärmel hochkrempeln und sich in eine zusätzliche, völlig neue Betreuungs-Thematik einfinden. Die Herausforderungen sind so vielfältig, dass die erste spontane Herangehensweise nur eine „Schritt für Schritt-Methode“ sein konnte: Nahrungsmittel, Zahnbürsten und Duschgel kaufen, bereits bekannte ukrainische Dolmetscher in Stand-by versetzen und die vereinseigene Kleiderspenden-Sammlung gut zugänglich bereithalten.

So hat der Verein in Eigenregie die Grundversorgung der Flüchtlingsfamilien vorgenommen, Registrierung bei Ämtern organisiert, Klinik-Termine koordiniert, für Dolmetscher gesorgt, per Google-Übersetzer Waschmaschinen erklärt und Corona-Quarantäne-Möglichkeiten im Elternhaus geschaffen, die so eigentlich gar nicht möglich schienen: Da musste jeder mit anpacken, um den betroffenen Familien morgens, mittags und abends eine Kiste Essen und das ansonsten Benötigte vor die Tür zu stellen. Parallel dazu wuchs der Blumenstrauß an organisatorischen Herausforderungen immer weiter an: Bankkonten eröffnen, biometrische Pässe beantragen, Aufenthalts-, Krankenversicherungs- und Impf-Status abklären und ganz nebenbei mit den ukrainischen Familien noch einen Hilfsgüter-Transport nach Kiew organisieren. Eine Einsicht kam schnell: In dem Tempo kann es nicht weitergehen, die Aufgaben sind zu umfangreich und für das vereinseigene Psychosoziales Team nicht zu schaffen. Es war klar, dass die ukrainischen Familien noch lange Hilfe benötigen würden und dass dies nicht dauerhaft auch zu Lasten der anderen Familien im Elternhaus gewährt werden könne.


Info
Wer sich für das Projekt interessiert, kann sich
unter Tel. 0201/87857-101 melden.
Über die Homepage www.krebskranke-kinder-essen.de/spenden
kann man den Verein finanziell unterstützen.


Daraufhin entwickelten Rita Gröber (Leiterin des Psychosozialen Teams) und Dr. Carmen Birkholz (langjährige freie Mitarbeiterin für Trauerbegleitung und Coaching) mit einer Mischung aus Erfahrung und Herzblut das „Ankerprojekt – Hilfe für ukrainische Familien mit einem krebskranken Kind im Elternhaus“. Idee ist es, dass jede ukrainische Familie einen ukrainisch-sprachigen, ehrenamtlichen Paten bekommt, der ihr beratend, tatkräftig und als Dolmetscher zur Seite steht. Koordiniert werden sollen diese Patenschaften von einer „Ankerperson“, die im Elternhaus alle nötigen Informationen zur Flüchtlingsproblematik zusammenführt und selbst zum Psychosozialen Team gehört.

Um die Ankerperson oder auch die Paten selbst zu beraten und vor Überforderung zu schützen, steht Birkholz als Supervisorin zur Verfügung. Gesagt – getan? Nein, so einfach ging das leider nicht! Und so hieß es nochmal viel Zeit und Energie für die Suche und Auswahl der einzelnen Akteure zu investieren.

Ein Segen, dass hier erfahrene Unterstützer aus dem bereits bestehende Kreis Ehrenamtlicher geholfen haben. Ein Segen auch, dass „kurz vor Verzweiflung“ eine passende Ankerperson gefunden wurde. Russischsprachig mit ukrainischen Eltern, ein Organisationstalent und mit viel Engagement ist Alyson Mosiyenko seit Mitte Mai neues Mitglied im Psychosozialen Team des Elternhauses.

Im Mai konnte das erste „Ankertreffen“ stattfinden, bei dem sich auch die Paten untereinander kennenlernen und umfangreich austauschen konnten. Die kommenden Projekt-Schritte wurden erläutert und ein Impuls-Vortrag zum Thema „Traumatisierung“ rundete das Programm ab. Besonders wichtig war es den Projektleiterinnen außerdem, die ehrenamtlichen Paten noch einmal auf das professionelle Angebot für Beratung und Supervision aufmerksam zu machen und darauf, wie wichtig es sei, beim Helfen anderer auch seine eigenen Belastungsgrenzen gut im Blick zu behalten. Mit freudig-roten Wangen ob des facettenreich und sympathischen Paten-Teams verabschiedeten sich alle an dem Tag.

Die „Ankerperson“ steckt derweil mitten in der Koordination von Schulanmeldungen, Arztbesuchen, Freizeitfahrten und einer weiteren Hilfsgüter-Fahrt nach Kiew und Dank den gelungenen Vorbereitungen, konnte sie die ersten Familien erfolgreich mit Paten verknüpfen. Sicherlich dauert es noch etwas, bis Abläufe sich einspielen und Zuständigkeiten verteilt sind aber „Routine“, wird es auch bei der Thematik „Hilfe für Familien mit einem krebskranken Kind im Elternhaus“ nicht geben – und das sollte es auch niemals.

Flüchtlingsfamilien mit ihren krebskranken Kindern und Geschwistern bei der Feier zum „Internationalen Tag des Kindes“ am 1. Juni: In der Ukraine ist dieser Tag sehr wichtig und wird aufwendig zelebriert.  | Foto: Essener Elterninitiative
Als russische Truppen die Ukraine überfielen, haben Yuliia und Vadym Bovkun mehrere Tage im Keller eines Kiewer Krankenhauses ausgeharrt. Der elfjährige Junge leidet unter einem Hirntumor. Nach der Flucht über Polen konnte seine Behandlung am Universitätsklinikum Essen erfolgreich fortgesetzt werden. | Foto: Essener Elterninitiative
Autor:

Lokalkompass Essen aus Essen-West

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