Rück- und Ausblick mit Oktay Güney von YEG Hassel

Oktay Güney ist beim Gespräch ganz entspannt auf seiner heimischen Couch. Kein Wunder, die Hinrunde lief fast perfekt. Foto: Raphael Wiesweg
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Ein Grund für Oktay Güney letztes Jahr vom DSC Wanne-Eickel nach YEG Hassel zu wechseln, war der gute Ruf des Bezirksligisten. Disziplin wird hier groß geschrieben und Güney will neben dem sportlichen Erfolg auch weiter mit den typischen Klischees aufräumen. Trotzdem gibt es auch weiterhin ein großes Thema, was dem ganzen Verein weiter ein großer Dorn im Auge ist.

„Ich hätte nicht gedacht, dass wir so gut zusammenarbeiten. Aber wir denken über Fußball absolut identisch, die Zusammenarbeit fruchtet absolut. Das passt einfach wie Faust aufs Auge.“ Oktay Güney (32) spricht über seinen Trainerkollegen Ümit Hoyladi (34), den er vor seinem Engagement zwar schon flüchtig kannte, aber nie mit ihm tiefergehende Konversationen führte.
Dass Hoyladi sich ab dieser Saison nicht mehr für die Zweit-, sondern für die Erstvertretung von YEG Hassel verantwortlich zeichnet, liegt für Güney auf der Hand. „Er hat mit dem Aufstieg in die Bezirksliga bewiesen, dass er etwas vom Fach versteht. Nun wollen wir gemeinsam den nächsten Schritt bestreiten und bisher macht es viel Spaß“, so Güney weiter.

Kein Wunder. YEG Hassel steht in der Bezirksliga 11 am Platz der Sonne, gewann 13 von 16 Spiele und stellt gleichzeitig sowohl die beste Defensive als auch Offensive der Liga. Dabei ging der Saisonstart ordentlich in die Hose. YEG verlor die ersten beiden Spiele und Oktay Güney fragte sich schon, was er falsch machen würde. „Ümit und ich saßen teilweise auch stundenlang im Auto zusammen und haben uns unterhalten. Ich habe sogar meinen alten Trainer Klaus Berger angerufen und er gab mir den Tipp, dass ich auf dem Feld kein Trainer und nur Spieler sein darf.“ Und es fruchtete. Zwar kassierten die Hasseler im dritten Spiel gegen den SSV Buer erneut Gegentore, gingen aber erstmals als Sieger vom Platz. Nach drei Spielen stand sechs Gegentore zu Buche. In der gesamten Hinrunde sollten nur noch sechs weitere hinzukommen. „Vor dem Spiel gegen den SSV haben wir von Vierer- auf Dreierkette und erst ein paar Wochen später gegen Deuten wieder auf das eigentlich bevorzugte System umgestellt“, gibt Güney zu Protokoll.

Was folgte, war für die Bezirksliga-Gegner ein schieres Grauen. YEG Hassel blieb knapp 800 (!) Minuten ohne Gegentor, marschierte von Sieg zu Sieg und grüßt mittlerweile souverän von ganz oben. Für Güney liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Disziplin. „Bei uns wird Deutsch gesprochen, es gibt einen strengen Strafenkatalog und der Erfolg läuft nur über die Mannschaft. Die kollegiale Basis untereinander hilft bei unserem Unterfangen ungemein. Und wir haben noch eine Menge Potential“, so Güneys „Drohung“. „Wir wollen uns von den anderen türkischen Vereinen abkapseln, wir wollen die gängigen Klischees widerlegen“, betont Güney ernsthaft. „Wir sind alle in Deutschland geboren und haben uns meiner Meinung nach wunderbar integriert. Darauf lege ich auch sehr viel Wert. Ich will dem Verein Strukturen verpassen, die bei deutschen Vereinen Gang und Gebe sind.“

Andererseits weiß Güney auch, dass einfach enorme Qualität in dem Kader steckt. „Die Mannschaft muss auch funktionieren. Wenn wir nicht aufsteigen, dann muss ich mich auch hinterfragen, was ich falsch gemacht habe.“ Aber verlassen wird Güney den Verein selbst bei einem Misserfolg wohl nicht. „Ich hatte den Spaß verloren, bevor ich hier hinkam. Man verdient hier keine Reichtümer und ich hätte woanders noch mehr verdienen können“, so der ehemalige Regionalligaspieler. „Aber bei uns heißt es: Einmal YEG Hassel, immer YEG Hassel.“ Der Vorstand hat bereits verlauten lassen, dass wenn Güney überhaupt mal als Trainer aufhören muss, er dem Verein aber in einer anderen Funktion erhalten bleiben wird.
Vielleicht war es auch die sportliche Überzeugung Güneys, wie er das Abenteuer Hassel angegangen ist und somit im Verein auf Sympathien stieß. Als er im März 2012 kam, musste er noch bis zu seiner Spielerfreigabe am 1. Juli warten. Doch schon damals formulierte er forsch den Aufstieg als Ziel. „Ja, das war damals schon im März hier Thema. Alles andere will ich den Jungs auch nicht verkaufen.“
Damit es auch in der Rückrunde ähnlich stark verläuft, hat YEG Hassel auch noch einmal aufgerüstet. Allerdings auch nur, weil man reagieren musste. Der Kader war mit 18 Spielern schon vor Saisonbeginn eher dünn besetzt für einen Spitzenreiter in der Bezirksliga. Da Benny Bork (TuS Gahlen) und Baris Uysal (Ziel unbekannt) den Verein verlassen haben, mussten neue Spieler her. Die fand Güney in den beiden Defensivspielern Fehmi Colak (TuS Stockum) und Semi Zasoglu (vereinslos, zuletzt Probetraining im Sommer beim Gladbecker Westfalenligisten SV Zweckel) und in dem jungen A-Juniorentorhüter Orhan Akmanoglu (ETB SW Essen).
Auf der Torhüterposition musste Güney reagieren. Tayfun Kacar zog sich eine starke Schleimbeutelentzündung zu, Abdulkadir Karadeniz hat starke Probleme mit seinem Handgelenk. Auf die Defensive wird Güney weiterhin sehr großen Wert legen, „denn in der Offensive sind wir so gut besetzt, dass wir immer für ein Tor gut sind. Arbeitet die Viererkette aber vernünftig, kann man gegen uns kein Tor schießen“, so seine selbstbewusste Aussage. In der Offensive ist es Güney selbst, der trotz eines verletzungsbedingten sechswöchigen Ausfalls mit acht Toren gut dasteht und Platz Zwei der internen Torjägerliste belegt. Hinter Faruk Gülgün, der bereits 13 Mal knipste.
„Es ist aber auch egal, wer die Tore schießt. Auch die lange Zeit ohne Gegentore war mir egal. Hauptsache am Ende stehen immer drei Punkte auf der Habenseite“, so Güney weiter, der ein interessantes Vorbereitungsprogramm zusammengestellt hat. Am 22. Januar steht unter anderem ein Box-Training beim WTC Wattenscheid auf dem Programm. „Die kompletteste Sportart, unglaublich hart und schwierig“, findet Güney. Zudem spielt man am 12. Januar bei der U19 des MSV Duisburg, die Bundesliga spielt, am 20. Januar beim A-Ligisten TuS Gahlen, am 2. Februar beim Landesligisten 1. FC Kleve und am 10. Februar beim TSK Herne (Kreisliga A).
Es läuft einfach beim „vermeintlich türkischen Verein“. Auch die Junioren-Mannschaften sind alle voll besetzt. Ein teuflischer Segen für YEG. Denn man besitzt nach wie vor keinen eigenen Sportplatz. „Ich kann die Stadt da auch verstehen, momentan gibt es wirklich nicht einmal ansatzweise eine Lösung für unser Problem. Aber wenn wir weiter wachsen und erfolgreich sein wollen, muss das der logische nächste Schritt sein“, so der Spielertrainer. Derzeit trainiert die Erstvertretung auf dem Ascheplatz vom SC Hassel, die Zweit- und Drittvertretung trainiert auf dem Platz von Hansa Scholven, während die Jugend bei Arminia Hassel unterkommt. Die Heimspiele werden auf der Anlage vom SC Hassel ausgetragen.

Es ist Güney ein Dorn im Auge. Was YEG Hassel dafür geschaffen hat, ist enorm. Da passt es ins Bild, wenn er sagt: „Auch unsere Zweitvertretung wird in der anderen Bezirksliga noch den Klassenerhalt packen.“ Es wäre das sportliche Sahnehäubchen, weil die dritte Mannschaft auch vor dem Aufstieg in die Kreisliga B steht. Der deutsche Verein YEG Hassel boomt.

Oktay Güney ist beim Gespräch ganz entspannt auf seiner heimischen Couch. Kein Wunder, die Hinrunde lief fast perfekt. Foto: Raphael Wiesweg
Oktay Güney im Porträt: Der Spielertrainer will YEG Hassel "typisch deutsche Strukturen verpassen". Foto: Raphael Wiesweg
Autor:

Raphael Wiesweg aus Gelsenkirchen

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