Schalkes Sport-Vorstand stellte sich beim Fernseh-"Doppelpass"
Schneider räumte Fehler ein

Jochen Schneider stellte sich am Sonntag im Fernseh-"Doppelpass". Der glücklose Sport-Vorstand räumte dabei eigene Fehler schonungslos ein. Foto: Gerd Kaemper
  • Jochen Schneider stellte sich am Sonntag im Fernseh-"Doppelpass". Der glücklose Sport-Vorstand räumte dabei eigene Fehler schonungslos ein. Foto: Gerd Kaemper
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Eines kann man Schalkes Sport-Vorstand Jochen Schneider nicht vorwerfen: Kneifen. Am Sonntag stellte er sich in der Fernsehsendung "Doppelpass" bei Sport1, wohlwissend, dass man ihm dort zur katastrophale Situation seines Arbeitgebers auf den Zahn fühlen würde. Schneider sprach phasenweise Klartext, beschwor das Prinzip Hoffnung und ist am Ende dennoch mindestens eins bei S04: Glücklos und schlussendlich verantwortlich für den nahenden Abstieg des FC Schalke 04.  

Nur ein 1:1 erreichte Schalke zuvor bei Werder Bremen, einer couragierten ersten Halbzeit folgte eine unerklärlich zaghafte Vorstellung im zweiten Durchgang. Der Tabellenletzte hat jetzt neun Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz (Arminia Bielefeld). "Mit dem Auftreten wie in der zweiten Halbzeit gewinnst du kein Bundesligaspiel", so Schneider in der Sendung ohne Umschweife. Auch räumte er ein, dass man eine desaströse Runde spiele und "natürlich Fehler passiert" seien. 

Ehrliche Worte an dieser Stelle, verklärendes an anderen Stellen des Gesprächs. Seit Trainer Christian Gross im Amt sei, habe man sich "in gewisser Weise stabilisiert". Nach einer Heimpleite gegen Abstiegskonkurrent 1.FC Köln (1:2) und dem gänzlich unerklärlichen Rückwärtsgang im zweiten Abschnitt in Bremen eine schwer belastbare These. 

Seit März 2019 ist Jochen Schneider als Nachfolger des "Finanzvernichters" Christian Heidel (siehe Heidels Hinterlassenschaften) im Amt. Eine schwere Aufgabe, für deren erfolgreiche Bewältigung neben Fachkompetenz sicherlich auch Schlachtenglück erforderlich ist. In knapp zwei Jahren wurden drei Trainer verschlissen, zweimal Huub Stevens als Interimslösung eingesetzt, und Schneiders Wunschkandidat als "Kaderplaner", Michael Reschke, erst angeheuert und dann gefeuert. 

Fehlentscheidungen bei den Trainern

Über David Wagner, von Juli 2019 bis Januar 2020 erfolgreich als Trainer arbeitend, sagte Schneider im Doppelpass: "Während des Lockdowns ab März sind sicher Fehler in der Trainingssteuerung unterlaufen. Hinzu kam ein großes Verletzungspech. Man muss ehrlich sagen, dass wir nach dem Lockdown in den folgenden neun Spielen nicht konkurrenzfähig waren." Am 19. Spieltag der Saison 2019/20 begann mit der 0:5-Pleite bei Bayern München die schaurige Serie von insgesamt 30 sieglosen Spielen. Die Entscheidung, dennoch mit Wagner weiterzumachen, gehe auf seine Kappe. Selbstverständlich ist das so, er ist schließlich der Sport-Vorstand.

Schon die Tatsache, dass viele durch Wagner 2019 aussortierte, zwischenzeitlich verliehene Spieler im Sommer 2020 wieder auf der Matte standen und situationsbedingt erneut unter Wagners Regie teilweise gar zu Hoffnungen hochgejazzt werden mussten (Ralf Fährmann, Hamza Mendyl, Nabil Bentaleb, Sebastian Rudy, Mark Uth, Steven Skrzybski) ließ Böses ahnen. Wie soll unter diesen Umständen Vertrauen vorhanden sein? Hingabe, bedingungsloser Einsatz? Da hätte schon ganz viel ganz gut laufen müssen. Tat es aber nicht.  

Die Freistellung von Wagner nach dem 2. Spieltag der Spielzeit 2020/21 erfolgte zur Unzeit, Schneiders Entscheidung für Manuel Baum als dessen Nachfolger entpuppte sich als kompletter Fehlgriff. Der "nette Herr Baum" bekam die schwierige Kabine nicht in den Griff, kein einziger Sieg gelang in den zehn Ligaspielen unter seiner Regie. 

Christian Gross hat jetzt sechs Bundesligapartien auf dem Deckel, zu Buche stehen ein Erfolg, ein Remis und vier Niederlagen. Gross hat zuletzt vor rund zehn Jahren als Trainer in der Bundesliga gearbeitet und offenbart einige Wissenslücken beim Personal. Einem Bericht der "Sport Bild" zufolge  muss der Schweizer häufig nach Namen von Spielern gegnerischer Mannschaften fragen. Offenkundig hat er auch Probleme bei der Benennung von Namen der eigenen Spieler ("Massimo Schüpp" anstelle von Alessandro Schöpf). Fraglich, ob dies dazu beiträgt, dass eine Mannschaft ihrem Vorgesetztem mit größtem Vertrauen folgt.

Zur eigenen Zukunft sagte Schneider unter anderem: "Ich klebe nicht an meinem Posten. Wenn der Aufsichtsrat die Zusammenarbeit beenden will, gehe ich ohne einen einzigen Euro. Tritt der ´Worst Case´ ein und wir schaffen es nicht (gemeint war der Klassenerhalt), dann ist natürlich klar, dass die Mission von Christian Gross beendet ist. Dann rede ich mit dem Aufsichtsrat und dann werden wir (gemeint war seine Person) eine einvernehmliche Lösung finden." Sollten die Blauen jedoch bis zum letzten Spieltag am 22. Mai noch eine Chance auf den Verbleib in der Bundesliga haben, käme alles weitere deutlich zu spät. 

Da Schalke jedoch sowohl wirtschaftlich als auch personell sofort für die zweite Liga planen muss, liegt nun eigentlich eines auf der Hand: Die rasche Installation eines sportlich Verantwortlichen, der das Unternehmen Wiederaufstieg in Angriff nimmt (genannt wird in diesem Zusammenhang der Leiter der Knappenschmiede Peter Knäbel) bei zeitgleichem Rückzug des glücklosen Sport-Vorstands Jochen Schneider aus diesem Bereich.

Autor:

Marc Keiterling aus Essen

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