Ganz unauffällig...

Im normalen Stadtbild würde die Bewachung von Karl D. vermutlich nicht weiter auffallen, auch wenn gleich vier Zivilbeamte ihm ständig „auf den Fersen“ sind, wie es unser gestelltes Foto demonstrieren soll. Als ständige Begleiter vor einem Haus, zudem mit Schichtwechsel und ähnlichem, würde auch dem unbeteiligsten Nachbarn über kurz oder lang auffallen, da sind sich alle Beteiligten sicher. Foto: Till
  • Im normalen Stadtbild würde die Bewachung von Karl D. vermutlich nicht weiter auffallen, auch wenn gleich vier Zivilbeamte ihm ständig „auf den Fersen“ sind, wie es unser gestelltes Foto demonstrieren soll. Als ständige Begleiter vor einem Haus, zudem mit Schichtwechsel und ähnlichem, würde auch dem unbeteiligsten Nachbarn über kurz oder lang auffallen, da sind sich alle Beteiligten sicher. Foto: Till
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Die Geschichte des Karl D. ist eine lange und eine scheinbar nicht enden wollende. Seine Geschichte führte ihn von Straubing in Bayern über Randerath bei Aachen nach Gelsenkirchen und genau hier sorgt sie derzeit für große Wellen.

Im Januar 2011 berichtete der Stadtspiegel über das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, das besagte, dass Sexualstraftäter, die ihre Strafe verbüsst haben, nicht in einer anschließende Sicherungsverwahrung weggesperrt werden dürfen. Der Bundesrat hatte im Dezember 2010 einer Reform der Sicherungsverwahrung zugestimmt, seitdem wartet die Republik auf die Reform und daraus mögliche weitere Verfahren mit den Straftätern.
Vermutlich zur gleichen Zeit befasste sich Karl D. auf Druck seines Bruders mit dem Gedanken, dass es Zeit für einen Ortswechsel wäre. Zuvor hatte er seit seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt Straubing, wo er wegen der Vergewaltigung einer 15-Jährigen sowie später der von zwei 14- und 15-jährigen Anhalterinnen 17 Jahre und acht Monate einsaß, zunächst ein Jahr lang im Hauses seines Bruders in Randerath gelebt. Dort wurde eine wahre Hexenjagd von Seiten der Bürger gegen eingeleitet, sie seinem Bruder mehr zusetzte als ihm selbst.

Am Ende landet D. in Gelsenkirchen

Sein Bruder versuchte ihm eine Wohnung in Mönchengladbach zu besorgen, doch die Geschichte holte Karl D. ein. In einer Großstadt wie Berlin sollte alles besser werden, doch die ständige Polizeipräsenz, die eine der Auflagen ist, die das Gericht D. für seine Freiheit auferlegte machte auch diesen Versuch nieder.
Und so ging es weiter, bis Karl D. schließlich im Frühjahr 2011 freiwillig in die Sozialtherapeutischen Anstalt in Gelsenkirchen, dem sogenannten „Schloß Munckel“, einzog.
Von der Bevölkerung unbemerkt lebt er seitdem in der Stadt, allerdings mit zahlreichen Auflagen.
So muss er jeden Ausgang aus der Anstalt im Vorfeld melden, damit Polizeibeamte seine Wege begleiten können. Am Abend muss er sich dort einfinden und die Zellentür schließt sich zur Nacht für ihn wie für jeden anderen Insassen. Bis jetzt hatte ihm das gereicht, doch nun möchte er sich eine Wohnung in der Stadt suchen und die Gefängnisvergangenheit ein weiteres Mal hinter sich lassen.
Durch einen anonymen Hinweis an die Tageszeitung wurde dieses Vorhaben öffentlich und wieder einmal schreibt Karl D. Geschichte.

Fragt sich, wie es nun weiter geht?

Es stellt sich die Frage, wie soll es weitergehen, wenn er tatsächlich einen Vermieter findet, der bereit ist, dem Hartz IV-Empfänger eine Wohnung zu geben?
Polizeisprecher Konrad Kordts hat ein klare Vorstellung, wie es weitergehen wird: „Karl D. ist auf eigenen Wunsch seit mehr als einem Jahr in der Sozialtherapeutischen Anstalt in Gelsenkirchen und hat sich in dieser Zeit auch regelmäßig außerhalb der Anstalt aufgehalten. Dabei wurde er ständig von der Polizei beobachtet. So wurde die Sicherheit der Bürger stets gewährleistet. Ähnlich wird es weitergehen, wenn er einen Wohnung hier in der Stadt finden sollte. Und ich sage bewusst: sollte. Wir sind auf jeden Fall darauf vorbereitet und werden immer die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen durchführen, um den bestmöglichen Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten.“

Sicherheit muss das oberste Ziel sein

Oberbürgermeister Frank Baranowski sieht Handlungsbedarf für die neue Situation und fordert klare Unterstützung durch Innenminister Ralf Jäger. Stadtpressesprecher Martin Schulmann erklärt: „Der OB fordert den Innenminister auf, den möglichen Vermieter und die Nachbarn zu informieren, wer die Person ist, die dort einzieht. Außerdem erwartet der OB eine Unterstützung der Gelsenkirchener Polizei durch das Innenministerium. Denn zur erforderlichen Rund-um-die-Uhr-Bewachung von Karl D. sind insgesamt 12 Beamte, die auf drei Schichten verteilt im Einsatz sein müssten erforderlich. Diese Kräfte fehlen dadurch in der Behörde und das kann so nicht hingenommen werden.“
Solange Karl D. in der Sozialtherapeutischen Anstalt lebt, wird er dort festgehalten, bis die angeforderten Beamten vor Ort sind, um seinen Ausgang zu begleiten. Eine Wohnung womöglich in einem Mehrfamilienhaus würde eine gänzlich neue Situation schaffen, ist man sich bei der Stadt sicher. Die Überwachung ist aus Sicht der Stadt dringend erforderlich, weil Karl D. noch immer als sehr gefährlich gilt.
„Keine der beteiligten Behörden behauptet das Gegenteil“, erläutert Schulmann. „Anders als in Randerath hat hier die Kommune keinen Einfluss auf das Verfahren. Dort war der Landrat auch Polizeichef und konnte die nötigen Maßnahmen anordnen, das ist hier nicht so.“
Auch für den Pressesprecher des Innenministeriums, Wolfgang Beus, steht die Sicherheit der Bevölkerung im Vordergrund aller Überlegungen in Zusammenhang mit Karl D.; „Die Sicherheit der Menschen wird immer gewährleistet sein. Ich bin sicher, dass die Gelsenkirchener Polizei bereits ein Konzept für die mögliche neue Situation vorliegen hat. Sollte sie dazu Unterstützung brauchen, wird sie diese bekommen.“
Andererseits gibt es nach Aussage von Beus auch keine gesetzliche Handhabe gegen Karl D. Denn abgesehen von seinen durchweg negativen Prognosen ist er ein freier Mann, der seine Strafe abgesessen hat und sich gegen Einhaltung bestimmter Auflagen frei bewegen darf.
Das ist die Problematik des Rechtsstaates, die immer beide Seiten der Medaille, wie es so schön heißt, betrachtet. „Es gibt das Therapieunterbringungsgesetz. Doch dazu muss eine Krankheit diagnostiziert sein, damit die Kommune die Unterbringung beantragen könnte. Das ist die eingebaute Sicherung, damit niemand ohne Befund einfach weggeschlossen wird. Bei Karl D. ist eine solche Erkrankung aber nicht diagnostiziert und die bestehenden Gutachten der beteiligten Psychologen helfen nicht weiter,“ erklärt Beus die Situation.
Ähnlich sieht es der CDU-Fraktionsvorsitzende Werner Wöll: „Deshalb muss das Mittel angewandt werden, was bereits in Heinsberg erfolgreich angewandt wurde, nämlich die 24 Stunden Überwachung durch die Polizei. Das mag vielleicht vielen unverhältnismäßig erscheinen, die sich eine andere, aus ihrer Sicht bessere, einfachere und „kostengünstigere“ Lösung vorstellen können. Dies wäre jedoch der falsche Ansatz. Rechtsstaatlichkeit hat nun einmal ihren Preis. Außergewöhnliche Umstände erfordern ein außergewöhnliches Vorgehen, auch durch die Polizei. Wir sollten die Polizei bei ihrer nicht zu beneidenden Aufgabe zum Wohle der Gelsenkirchener Bevölkerung unterstützen.“

Wer wird vor wem geschützt?

Die Sachlage ist klar und auch, dass eine diffuse Gefahr von Karl D. ausgeht. Die andere Gefahr ist, dass in Gelsenkirchen eine Hexenjagd wie in Randerath los getreten werden könnte.
Denn eine ständige Bewachung eines Wohnhauses und einer darin befindlichen Person durch mehrere Zivilisten ist eben alles andere als ganz unauffällig.

Autor:

silke sobotta aus Gelsenkirchen

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