Beschneidung

Warum ich erst jetzt einen Artikel über das Thema religiös motivierte Beschneidung schreibe? Weil sie aus rechtlicher, psychologischer und moralischer Betrachtung eine wirklich komplizierte Angelegenheit darstellt.

Wenn man zur Überlegung über das Thema Beschneidung das Urteil vom Landgericht Köln vom 07.05.2012 – 151 Ns 169/11 heranzieht, könnte man meinen, dass damit ein Verbot von religiöser Beschneidung einhergeht.

Festzuhalten ist aber, dass hierbei verschiedene Kriterien zu berücksichtigen sind. Das Gericht hat als Maßstab für die Ausführung einmal die soziale Bedeutung hinsichtlich der betroffenen Religionen bewertet. In diesem gesonderten Fall hat es eine solche Bedeutung (sog. Sozialadäquanz) abgelehnt. Im weiteren Verfahren wird eine Strafbarkeit des Arztes abgelehnt, weil man eine unklare Rechtslage im Falle der Beschneidung erkennt. In diesem Rahmen entscheidet das Gericht, dass die Einwilligung der Eltern nicht zum Wohle des Kindes vorliege. Der Arzt könne aber nicht rechtswidrig handeln, weil er keine eindeutige Rechtsauskunft einholen könne.
Das ist die Kurzfassung für einen Fall, der eine explosionsartige Debatte ausgelöst hatte.

Entscheidend ist, ganz dringend zu beachten, dass dieses Urteil keinen Präzedenzfall darstellen soll und damit keine Bindungswirkung für zukünftige gleichartige Fälle hat!

Die Abwägung zwischen den Grundrechten der Eltern und des Kindes ist eine schwierige Gegebenheit.
Die Schwierigkeit beruht auf der Abwägung zwischen „Unversehrtheit“ des Kindes und einer jahrhundertalten durchgeführten Ausführung, die ein Symbol der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion darstellt.
Bei Abschaffung des Symbols könnte man eine Abschaffung der Religion durch die Hintertür vermuten, so auch Frau Knobloch, Ex-Chefin des Zentralrates der Juden.

Aus welchem Grund wird denn die rechtliche Verfolgung der Beschneidung erst jetzt (bei Vorliegen und Veröffentlichung einer fehlerhaften Behandlung) angestrebt? Wenn man jetzt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit (auch bei fehlerfreien) sieht, bestand er doch auch zuvor!? Dies gibt ebenfalls Serkan Tören, integrationspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, zu bedenken, der eine Schließung dieser rechtlichen Lücke fordert. Auch ich wünsche mir eine Regelung in diesem Sinne.
Schön finde ich, wie Konstantin Kuhle, stellv. Bundesvorsitzender der JuLis in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Jung+Liberal anmerkt: „Einen staatlich verordneten Atheismus kannte man bisher allerdings eher aus sozialistischen, nicht aus liberalen Systemen.“
Dass dieses Thema parteiübergreifend umstritten ist, liegt auf der Hand.

Ich kann aber behaupten, dass die Politik in die richtige Richtung weist: Die FDP, SPD und CDU/CSU haben an die Bundesregierung eine Aufforderung zur Vorlage eines Gesetzentwurfes bis Herbst 2012 gerichtet, in der die medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist (BT-Drs. 17/10331 v. 19.07.2012).

Bis dahin ist die religiöse Beschneidung von Jungen unter 12 Jahren weiterhin erlaubt.

1-http://www.focus.de/politik/deutschland/ex-chefin-des-zentralrates-der-juden-knobloch-juedische-existenz-in-deutschland-in-gefahr_aid_813008.html.
2-http://www.serkan-toeren.de/content/t%C3%B6ren-nicht-beschneidung-stigmatisiert-sondern-ihr-verbot.

Autor:

Akcay Nilüfer aus Gladbeck

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