Rassismus und Sprache: Warum man N**** nicht sagt

Es ist für uns Deutsche der Nachkriegszeit normal, dass wir bestimmte Begriffe nicht benutzen. Wenn im Bundestag von wichtigen Zielen gesprochen wird, benutzt dabei niemand das Wort "Endlösung". Es gibt gute Gründe, warum wir die Sprache der Nationalsozialisten nicht mehr verwenden. Das gleiche sollte für die Sprache der Kolonialherrschaft gelten.

Zu Beginn der Kolonialzeit wurde der Begriff "N****" zunächst wertneutral verwendet. Damit bezeichneten weiße Europäer Menschen mit dunklerer Haut. Schnell jedoch griffen auch "Rassentheoretiker" das Wort auf und etablierten es als abwertenden Sammelbegriff für schwarze Menschen, die den Pseudo-Wissenschaftlern als triebhaft, unterentwickelt und dumm galten. Mit der – schon längst widerlegten – "Rassenlehre" begründeten europäische Kolonialherren ihre Herrschaft und die Ausbeutung vermeintlich primitiver Kulturen ab. Für die schwarze Bevölkerung Afrikas folgte die systematische Versklavung, Vernichtung und Beherrschung durch Weiße, deren Folgen bis heute offensichtlich sind.

Wenn Weiße "N****" sagen

Wer heute das Wort "N****" benutzt, tut das möglicherweise nicht in der Absicht andere Menschen zu verletzen oder abzuwerten. Manche schwarzen Menschen benutzen es als gar als Selbstbezeichnung – eine selbst gewählte Strategie, um dem Wort seinen Schrecken zu nehmen. Und auch in deutschen Redaktionen und Parteispitzen hält sich die Ansicht, dass "N****" für Weiße sagbar sei.

  • Joachim Herrmann (CSU) wollte sich in einer <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.spiegel.de/politik/deutschland/joachim-herrmann-nennt-robert-blanco-wunderbaren-neger-a-1050797.html">Ausgabe von "Hart aber fair"</a> vermutlich anerkennend äußern, sagte aber: "Roberto Blanco war immer ein wunderbarer N****, der den meisten Deutschen wunderbar gefallen hat."
  • Der Radiosender MDR wollte <a target="_blank" rel="nofollow" href="https://meedia.de/2018/04/18/darf-man-heute-noch-neger-sagen-mdr-sachsen-setzt-radiosendung-ueber-politische-korrektheit-nach-kritik-ab/">in einer Sendung</a> der Frage nachgehen, ob man noch "N****" sagen dürfe. Eingeladen waren zunächst ausschließlich weiße Menschen, darunter Frauke Petry. Die Sendung fand nicht statt.
  • Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier muss sich <a target="_blank" rel="nofollow" href="https://rp-online.de/politik/deutschland/jens-maier-afd-nennt-noah-becker-kleinen-halbneger_aid-16469865">für einen Tweet verantworten</a>, in dem er einen schwarzen Mann als "kleiner Halb-N****" beleidigt haben soll. Er wies das zurück und beschuldigte einen Mitarbeiter.
  • In der Filmbranche hält sich "N****" als Bezeichnung für <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=953">eine schwarze Tafel,</a> die dazu dient, bestimmte Bereiche im Studio abzudunkeln.

Wer "N****" als weiße Person benutzt, muss nicht unbedingt die Absicht haben, rassistisch zu sein. Die oben beschriebenen Klischees, die grausame Geschichte des Begriffs hängen dem Wort aber untrennbar an und werden so weiter getragen. Gleichzeitig ist in unserer Gesellschaft Hautfarbe immer noch ein Merkmal, das für die Zugehörigkeit zu Gruppen wichtig ist. Wer wozu gehört, das entscheidet die weiße Mehrheitsgesellschaft. Ist man schwarz, wird man in erster Linie als schwarze Person wahrgenommen, nicht als Individuum. Warum sagt Joachim Hermann nicht "Roberto Blanco war immer ein wunderbarer Sänger"? Die ständige Reduktion von Menschen auf Ihre zugeschriebenen Merkmale ist ein Erbe des Kolonialismus und kruder Pseudo-Wissenschaften. Die Verwendung von "N****" im Alltag verstärkt das. Weshalb das Wort zusammen mit vielen anderen im passiven Wortschatz verweilen sollte.

Rassistische Sprache im Lokalkompass

Der Lokalkompass ist eine Nachrichten-Community für alle. Wer will, darf mitmachen – das ist das Versprechen des Verlages an alle, die sich einbringen möchten. Die <a target="_blank" rel="nofollow" href="https://www.lokalkompass.de/agb">AGB</a> und der <a target="_blank" rel="nofollow" href="https://www.lokalkompass.de/verhaltenskodex/">Verhaltenskodex</a> dienen hier als Grundlage für ein gutes Miteinander. Es ist die Aufgabe der Redaktion, dafür zu sorgen, dass ein respektvoller Umgang herrscht. Auch Personen, die einer diskriminierten Minderheit angehören, sollen sich hier bewegen können und nicht Gefahr laufen, achtlos beleidigt zu werden. 

Exemplarisch geht es hier darum, dass "N****" aus Sicht der Redaktion kein gebräuchliches Wort ist. Das gilt natürlich auch für andere rassistische Begriffe. Wer unsicher ist, welche Begriffe unbelastet sind, ist herzlich eingeladen, sich mit dem Thema Diskriminierung zu beschäftigen. Als Leitfaden ist hilfreich: Auf die Begriffe zurückgreifen, die sich die Betroffenen selbst geben.

Abschließend einige Links für den Einstieg ins Thema "Rassismus":

→ <a target="_blank" rel="nofollow" href="https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2013/nl_01_2013/nl_01_gastkommentar.html">Raus mit den kolonialen Altlasten</a> (Antidiskriminierungsstelle des Bundes)
→ <a target="_blank" rel="nofollow" href="https://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-themen/rassismus/begriff/">Was ist Rassismus?</a> (Human Rights)
→ <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.bpb.de/veranstaltungen/zielgruppe/jugend/koeln-50667/193193/was-ist-rassismus">Was ist Rassismus?</a> (BPB)

Autor:

Jens Steinmann aus Herne

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