Hamminkeln und seine Strassen

Für das eine Ende der Straße, die am Friedhof vorbeiführt, hatte ein städtischer Mitarbeiter ein Schild ohne Fugen-s bestellt, ...
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  • Für das eine Ende der Straße, die am Friedhof vorbeiführt, hatte ein städtischer Mitarbeiter ein Schild ohne Fugen-s bestellt, ...
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Oder: Was hat Hamminkeln mit der Schweiz zu tun?

Ein erster kleiner Beitrag zur Stopfung des Sommerlochs

Bitte, bitte, liebe Leser, fallen Sie nach dem Lesen und sorgfältigen Prüfen der Überschrift nicht gleich über mich her, um mir zu erklären, man schreibe Strasse nicht mit ss, sondern mit ß – das weiß ich noch aus früheren Schulzeiten, Ehrenwort!

Beim gelegentlichen Beradeln meines geschätzten Heimatstädtchens Hamminkeln und seiner Ortsteile ist mir allerdings aufgefallen: Hier ticken die verwaltungsorthographischen Uhren ein wenig anders. Da wird schon mal die eine oder andere Straße mit zwei Straßenschildern bestückt, die verschieden beschriftet sind; wobei natürlich jeweils nur eine der Beschriftungen die amtliche bzw. die richtige sein kann.

Auf einen der Fälle hatte neulich schon ein geschätzter und aufmerksamer Bürger Hamminkelns über die Presse aufmerksam gemacht, denn dort soll bald ein großes Mehrgenerationenhaus entstehen: Der von vielen Grundschulkindern begangene und auch von mir fast täglich befahrene Weg am Friedhof vorbei heißt von der nordöstlichen Seite aus Friedhofstraße, von der südwestlichen aus aber Friedhofsstraße, mit einem zusätzlichen (Fugen-)s.

Fährt man auf dem Schlootweg aus Ringenberg heraus Richtung Dingden-Berg, dann überquert man da, wo es weiter geradeaus auf den Lehmberg geht, eine Straße, die offensichtlich nach einem gewissen van de Wall benannt ist. Und genau diese wird an dieser Kreuzung zweimal verschieden beschildert: einmal mit Kleinschreibung und dreigliedrig van-de-Wallstaße, einmal mit Großschreibung und viergliedrig Van-de-Wall-Straße. Und das im Abstand von ein paar Metern. In ganz anderer Richtung, nämlich nach Haldern, findet man die friedliche Koexistenz von Schlehenhorster Straße und Schlehenhorsterstraße.

Wären nun die Schilder jeweils von ein und demselben Hamminkelner städtischen Mitarbeiter in Auftrag gegeben worden, läge die Vermutung nahe, dieser sei entweder unentschlossen, eine gespaltene Persönlichkeit oder hyperflexibel. Wahrscheinlich haben sich aber in den aufgezeigten Fällen jeweils zwei zuständige Mitarbeiter die verantwortungsvolle Aufgabe der Schilderbestellung geteilt und lediglich vergessen, sich vorher auf eine gemeinsame Schreibweise (vorzugsweise auf die richtige) zu einigen.

Kommen wir zurück auf meinen anfänglichen Hinweis

Und auf die Frage nach der Schweiz. In Deutschland und Österreich gab es noch nie Strassen, sondern – schon seit Konrad Duden – immer nur Straßen; auch die Rechtschreib(nach)reformen von 1996, 2004 und 2006 haben daran nichts geändert. In der Schweiz jedoch ist das ß nicht im Zeichenvorrat enthalten, deshalb gibt es bei den Eidgenossen keine Straßen, sondern nur Strassen (und somit nie Bier in Maßen, sondern nur in Massen). Vielleicht erinnern Sie sich noch an den FIFA-Präsidenten Joseph Blatter aus der Schweiz, der während der Fußball-WM 2006 seine Schweizer Schreibweise Fussball für ganz Deutschland verpflichtend machen wollte. (Er war damit natürlich gescheitert, hat aber eine beachtliche Schar gefunden, die ihm auch heute noch bereitwillig folgt.)

Aber wieso werden von Hamminkelner Verantwortlichen Straßenschilder in Schweizer Schreibweise in Auftrag gegeben – und dann auch noch aufgestellt, wie meine Bilder von der Rathausstrasse (Hamminkeln), Provinzialstrasse (Wertherbruch) und Sandstrasse (Mehrhoog) zeigen? Hier, knappe 20 Kilometer isselabwärts, könnte ich's ja noch eher verstehen. In Anlehnung an die Praxis in gängigen Fernsehquizshows biete ich Ihnen hier einmal ein paar Antwortmöglichkeiten:

Der/die für die „Strasse“ verantwortliche städtische Mitarbeiter/-in ...

A) hat Schweizer Vorfahren, also noch Schweizer (Rest-)Blut in sich
B) ist Schweiz-Liebhaber und macht dort oft Urlaub
C) hat sämtliche Konten in der Schweiz
D) benutzt nicht nur den stadteigenen Büro-PC, sondern nimmt sich Arbeit mit nach Hause, wo der aus der Schweiz mitgebrachte Privat-PC leider kein ß hat
E) ist Fan der Sendereihe „strassen stars“ im Hessischen Fernsehen
F) hat früher mal beim „Strassenverkehrsamt Duisburg“ gearbeitet.

Was meinen Sie, welche der Antworten A bis F könnte zutreffen? Oder haben Sie selbst eine Erklärung, die alle anderen in den Schatten stellt (Schatten hätten wir ja die nächste Zeit genug)? Dann nur heraus damit! Sie leisten damit wertvolle Hilfe bei der wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe, das Sommerloch erträglich und in Grenzen zu halten.

Die Stadt Hamminkeln leistet sich schon länger eine Gleichstellungsbeauftragte, und das ist so auch gut und sinnvoll. Eventuelle Forderungen nach Schaffung der Stelle einer/-s Gleichschreibungsbeauftragten, wie sie nach diesem Beitrag laut werden könnten, möchte ich jedoch weder gutheißen noch unterstützen. In diesen Zeiten knapper Kassen und Etats könnte da so mancher Mitarbeiter selbst seinen kleinen Teil zur Problemminderung beisteuern. Zum Beispiel durch vertrauliche Befragung von Kolleg(inn)en und/oder die Bitte um Kontrollsichtung. Oder durch einfaches (aber vorheriges) Nachschauen in Wörterbüchern oder dienstlichen Anleitungen.

Um den Hamminkelnern aber nichts Unverdientes zu unterstellen: Das Bild Nr. 14 wurde nicht in Hamminkeln aufgenommen, sondern ca. 500 km näher zur Schweiz. Allerdings immer noch in Deutschland. Die Kinder, die an diesem Schild vorbei zur Schule gehen, lernen dann wenigstens gleich hinterher in der Schule: So dürft ihr es nur schreiben, wenn ihr a) groß seid und auf einem Amt arbeitet oder b) noch ca. 100 km weiter gen Süden zieht.

P.S.: Mit Sicherheit ist das beschriebene Phänomen nicht auf Hamminkeln beschränkt, wie die beiden letzten Bilder hier schon zeigen. Aber warten Sie mal ab, bis ich mir – als zweites Betrachtungsobjekt zur Sommerlochbekämpfung – das für seine Eseleien bekannte südliche Nachbarstädtchen Hamminkelns vornehme. Und das ist immerhin seinem „Sohn“ Konrad Duden verpflichtet.

Nachtrag:
Wegen weiterer Fundstücke habe ich zu diesem Artikel noch eine Fortsetzung geschrieben; Sie finden sie hier.

Autor:

Theo Grunden aus Hamminkeln

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