Strukturwandel am Beispiel der Henrichshütte als neue Ausstellung
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Museumsleiter Robert Laube und Kuratorin Delia Pätzold mit der Stoffbahn aus dem Kunstprojekt von Egon Stratmann. Foto: Pielorz
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Um die wechselvolle Geschichte der Henrichshütte vom Kaiserreich über die Weltkriege und die Zeit des Wiederaufbaus bis zum Strukturwandel geht es in einer Sonderausstellung im Keller der Gebläsehalle, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) am Freitag, 24. Mai, 19 Uhr, im Hattinger Industriemuseum eröffnet. Den roten Faden bilden dabei die Umbrüche in ihrer Geschichte. Der Titel BOOM! steht sinnbildlich sowohl für Wachstum und Expansion als auch für den großen Knall, der zur Sprengung des Gasometers 1994 gehörte – bis hin zu neuen Entwicklungen auf dem Hüttengelände.
„Vor dem Hintergrund, dass jedes Ende auch eine Chance für einen Neuanfang bietet, haben wir die Ausstellung so konzipiert, dass die großen Umbrüche wie Besitzerwechsel, neue Technologien, Kriege, aber eben auch das Ende der Henrichshütte die Meilensteine darstellen“, erklärt Kuratorin Delia Pätzold das Ausstellungskonzept. Die Welperanerin wurde 1988 geboren und erlebte die Hütte daher schon nicht mehr als aktiven Stahlstandort – „baut“ dafür aber heute mit an den Konzepten des Museums für die Zukunft. Bevor es zur Ausstellung in den Keller geht, berühren überirdisch die roten Stoffbahnen des Hattinger Künstlers Egon Stratmann, die er zum Ende der Hütte im Rahmen des Hüttenkampfes auf dem Gelände zum Einsatz brachte. In der Ausstellung selbst veranschaulichen Filmdokumente, Fotos und Objekte den Wandel der Henrichshütte.
Ihr Gründer, Graf Henrich zu Stolberg-Wernigerode blickt in die Augen der Besucher. Die neuen Besitzer Henschel & Sohn, die Kriegszeiten, der wirtschaftliche Boom der Hütte, die Vorstellung der Alliierten, die „Waffenschmiede“ nach dem Zweiten Weltkrieg zu zerstören, die Verlegung des Ruhrverlaufes für diese Hütte 1959, ihr Aus in den achtziger Jahren – aber eben auch der Wandel des Geländes und damit auch des Museums sollen hier wieder erlebbar werden. „Nach dem Aus für die Stahlproduktion erwarb die Landesentwicklungsgesellschaft LEG 1989 zunächst die Hälfte des ehemaligen Hüttengeländes, später auch den Rest. Der Gewerbe- und Landschaftspark Henrichshütte entstand und heute arbeiten auf diesem Gelände rund 2000 Menschen in achtzig Betrieben. Auch unser Museum hat sich von der Asservatenkammer der Vergangenheit zum Forum für die Menschen entwickelt, auf dessen Gelände viele Veranstaltungen und Ausstellungen stattfinden“, blickt Museumsleiter Robert Laube von der Vergangenheit in die Zukunft.

Besucher können viel entdecken

Besonderheiten in der Ausstellung gibt es viele. So werden erstmalig Zeichnungen aus den frühen Jahren der Hütte gezeigt, die das Landschaftsbild jener Zeit abbilden. Es gibt eine Baumrindenscheibe von einem im letzten Jahr gefällten Baum, an dessen Ringen große Hüttenereignisse dokumentiert sind. Mit der „Cupola“ – dem „Fenster zum All“ kommt noch ein besonderes Objekt zum Einsatz. Es wurde 2000 von der VSG Energie- und Schmiedetechnik in Hattingen in der Endphase der Hüttenproduktion gefertigt und ist eine baugleiche Version der Beobachtungskuppel der internationalen Raumstation ISS.
Es gibt also viel zu entdecken. Mindestens bis Anfang November bleibt die Ausstellung den Besuchern erhalten Öffnungszeiten sind Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr. Jeden Samstag um 15 Uhr findet eine neunzigminütige Führung statt. Außerdem gibt es ein Schulprogramm ab Klasse 5. Die Ausstellung ist übrigens nicht abgeschlossen. Sie soll durch persönliche Objekte mit Aura wachsen. Dahinter verbergen sich beispielsweise Exponate wie der Locher von Hüttenarbeiter Heinz Timmerhoff. Er beschwerte sich immer darüber, dass sein Locher ständig von anderen Mitarbeitern benutzt wurde und daher oftmals verschwand – bis er ihn mit einer Kette an den Fensterrahmen seines Büros schmieden ließ. Dieser Locher findet sich nun in der Ausstellung.
Wer Vergleichbares beisteuern kann – Birgit Schulz hat unter der Rufnummer 02324/9247151 ein offenes Ohr. „Es ist für uns wichtig zu zeigen, dass wir nicht nur in der Vergangenheit leben, sondern im Strukturwandel auch Zukunft sehen. Wir müssen als Museum neue Wege gehen und zukünftige Generationen, die die Henrichshütte nicht mehr im Betrieb erlebt haben, mitnehmen auf diesem Weg. Wandel ist Arbeit, aber kein Schicksal“, so Museumsleiter Robert Laube.
Ein praktischer Hinweis zum Schluss: Wer die Ausstellung in den Sommermonaten besucht, sollte eine Jacke nicht vergessen. Kann frisch werden im ungeheizten Kellergewölbe.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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