Flüchtlinge: Feldbetten in der Kirche

So klein noch und hat ein nicht leichtes Schicksal, dieses Flüchtlingsbaby in der Kirche in Winz-BaakFoto: privat
  • So klein noch und hat ein nicht leichtes Schicksal, dieses Flüchtlingsbaby in der Kirche in Winz-BaakFoto: privat
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von Nicole Schneidmüller-Gaiser

Es ist ihnen schwer zu vermitteln, den 50 Menschen aus Syrien, dem Irak und den Kurden, warum sie noch immer nicht am Ende ihrer Reise angelangt sind. Die Wochen und Monate auf der Flucht, in Auffanglagern und in Notunterkünften liegen hinter ihnen, der Antrag auf Asyl läuft - doch "am Ziel" sind sie noch immer nicht. Aber immerhin an einem Zwischenstopp, der ihnen von den freundlichen Mitgliedern der Evangelischen Kirchengemeinde Winz-Baak so angenehm wie möglich gemacht wird.

Seit dem Martinstag stehen Feldbetten in der Hattinger Kirche. Ein weiteres Zuhause auf Zeit für die Flüchtlinge - und eine neue Erfahrung für die Gemeinde.
Es fehlt ein Kinderbett. Der Dolmetscher, der arabisch spricht, hatte nur ein paar Stunden Zeit. Und so ganz nebenbei findet auf dem Gelände der Evangelischen Kirchengemeinde Winz-Baak heute ja auch noch der Martinsumzug statt - etwa 300 Eltern und Kinder stehen um das Lagerfeuer auf dem Hof, während sich drin in der Kirche die Flüchtlinge auf eine weitere neue Umgebung einstellen.
Interkulturelle Begegnung - das ist in Hattingen kein neues Thema, sondern lang gelebter Alltag. Die beiden Muslima, die schon in Hattingen geboren wurden, und heute mit ihren Kindern am Martinsumzug teilnehmen, sprechen türkisches Kurdisch. "Das klingt etwas anders als das arabische, das ist wie deutsch und bayrisch", erklären sie lachend. Spontan erklären sie sich bereit, in den nächsten Tagen immer mal vorbeizukommen, um beim Übersetzen zu helfen. "Das ist wunderbar", freut sich Pfarrer Bodo Steinhauer.
Am Montag bekam die Gemeinde einen Anruf der städtischen Sozialdezernentin, Beate Schiffer. Für 50 Personen, Familien mit Kindern, würde händeringend Raum gesucht, bis andere Unterbringungen zur Verfügung stünden. Die Presbyterinnen und Presbyter der Gemeinde stimmten nach intensiver Beratung noch am selben Tag einstimmig ab - und ermöglichten so einen offenbar NRW-weit bislang einmaligen Vorgang: Die Unterbringung von Menschen in einer noch bespielten Kirche.
Kirchenbänke und Altartisch wurden beherzt an den Rand der schlicht-eleganten, weißen Kirche geräumt; die Feldbetten stehen so, dass jede Familie einen kleinen Bereich für sich hat. Auch im angrenzenden Gemeinderaum finden noch Menschen Platz. Ein Caterer versorgt die Gäste mit Essen und Trinken; und schon während des Einzugs standen die ersten Spender vor der Tür, die mit Kinderkleidung und Spielzeug helfen wollen.

Gottesdienst wird nicht verlegt

„Für die nächsten Tage richten wir uns darauf ein, ein wenig Orientierung und Betreuung anzubieten“, so Bodo Steinhauer. Dolmetscher, die Arabisch oder Französisch beherrschen, könnten dabei helfen; sie sollten sich bei Bodo Steinhauer unter der Rufnummer 0179 / 4931445 melden. Übrigens: Der Gottesdienst vom kommenden Sonntag muss nicht abgesagt werden – die Teilnahme am Friedensgebet mit sechs Religionen findet, wie schon lange geplant, im Foyer der Realschule Grünstraße statt. Die Verlegung des Gottesdienstes an andere Orte, etwa ins Gemeindehaus, ist in Winz-Baak kein Tabu; und auch die katholischen Geschwister haben schon ihre Kirche als Predigtstätte angeboten.
Wie lange dieses Provisorium halten muss – das weiß momentan keiner. In Winz-Baak machen sie das Beste aus der Situation. Bodo Steinauer nimmt das gelassen hin: „Für unsere Gäste ist die Ungewissheit doch viel schlimmer als für uns.“

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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