Bewährungsstrafe wegen 19,90 Euro

Der Angeklagte hat ein unbescholtenes Leben geführt und ist bereits sechzig Jahre alt. Doch jetzt sitzt er auf der Anklagebank, weil er für 19,90 Euro ein Paar Schuhe mitgehen ließ.

Die Tat als solches gibt er auch zu, doch mit Diebstahl will er nichts zu tun haben und erzählt dem Gericht eine passende Geschichte: „Ich war mit meiner Verlobten in der Innenstadt unterwegs. Die Menschen haben ihr übel mitgespielt. Zweimal wurde in ihre Wohnung eingebrochen, Pizza in ihren Briefkasten geworfen und eine Schlange vor ihrer Haustür abgesetzt. Sie ist mit den Nerven am Ende und bekam einen Weinkrampf in der Stadt. Ich habe sie beruhigt und dann haben wir uns getrennt, weil ich noch nach Schuhen gucken wollte. Wir hatten dann vor dem Schuhgeschäft einen Treffpunkt vereinbart und ich ging, um Schuhe auszusuchen.
Ich habe dann Schuhe in der Hand gehalten und weiß nur noch, dass ich auf einmal Sirenen hörte und glaubte, mit meiner Verlobten wäre wieder etwas geschehen. Ich bin dann raus aus dem Laden und da ging die Alarmanlage los, weil ich die Schuhe ja noch hatte. Das weiß ich aber gar nicht mehr, ich hatte einen völligen Blackout. Ich bin dann einen Tag später nochmal mit einem Blumenstrauß in den Laden gegangen und habe mich bei der Verkäuferin entschuldigt.“
Das Schöffengericht zweifelt stark an der Darstellung des Angeklagten und die Aussage der Zeugin, der Verkäuferin aus dem Schuhgeschäft, sieht auch etwas anders aus.
„Ich habe den Herrn zunächst als Kunde angesprochen und wollte ihn bedienen. Er sagte, er warte noch auf seine Frau, um ihr die Schuhe zu zeigen. Wenig später sehe ich, wie er zum Ausgang geht, einen Stoffbeutel an der Hand und da ging schon der Alarm los. Ich bin hinter ihm her und Passanten haben ihn aufgrund meiner Rufe festgehalten. Er schlug mit dem Stoffbeutel um sich. In dem Stoffbeutel waren die Schuhe. Der Beutel gelangte dann unter eine Bank und ich hob ihn auf und nahm ihn mit. Wir sind zurück in das Geschäft und irgendwie gelang es dem Mann, noch einmal in den Besitz des Stoffbeutels zu kommen. Er schlug erneut um sich, traf mich aber nicht. Dann kam das Sicherheitspersonal und die Polizei.“
Eine Sirene wie der Angeklagte will die Frau nicht gehört haben.
Staatsanwaltschaft und Schöffengericht sind sich einig: Das war räuberischer Diebstahl. Diebstahl deshalb, weil er mit den Schuhen zum Ausgang ging ohne zu Bezahlen. Und räuberischer Diebstahl, weil er durch das Schlagen mit dem Stoffbeutel versuchte, die Ware zu behalten. Sein Verteidiger plädierte auf Freispruch, weil die psychische Situation des Angeklagten nicht ausreichend gewürdigt würde und er nicht die Absicht hatte, die Schuhe zu stehlen. Das Schöffengericht kommt zu einem Urteil von sechs Monaten Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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