Ehemaliger Strafrichter fährt betrunken Auto

Trunkenheit am Steuer und unerlaubtes Entfernen vom Unfallort sind kein Kavaliersdelikt. Dass Justitia auch vor „hohen Tieren“ nicht Halt macht, konnte jetzt ein ehemaliger Strafrichter am eigenen Leib erfahren – als Angeklagter vor dem Hattinger Amtsgericht.
Geschehen war all dies am Neujahrsmorgen gegen 4.40 Uhr im Hüttengelände. Der Angeklagte schilderte, er habe am Silvestertag gegen Mittag ein Glas Glühwein getrunken. Dann sei er in der Altstadt gewesen, habe dort aber nichts getrunken. Danach sei er zum Einkaufen gefahren und dann nach Hause. Am Abend sei er dann von seinem Zuhause in Witten nach Bochum zur Ruhr-Uni gefahren und habe sich dort ein Konzert angehört. Von dort habe ihn der Weg zu Bekannten geführt. Welche, will der ehemalige Strafrichter nicht sagen, denn die Bekannten kennen diesen Vorfall nicht. Dort habe er nur zum Essen etwas getrunken und danach nichts mehr. Jedenfalls habe er das geglaubt und Säfte getrunken. Den späteren Promillegehalt von 1,13 beim Blutalkoholtest kurz nach dem Unfall könne er nur so erklären, dass ihm die Bekannten auf der Feier Getränke mit Alkohol verabreicht hätten, was er nicht bemerkt habe. Er habe auch nichts geschmeckt.
Der Angeklagte will auf der Feier auch noch Akkordeon gespielt haben und zog dann weiter. Er habe nicht nach Hause gewollt, sondern zu einer weiteren Feier. Auf dem Weg dorthin sei er durch das Hüttengelände gefahren und auf der Höhe der Ruhrallee kam es zu dem Unfall mit Sachschaden. Dort kam dem Angeklagten, der nach Zeugenaussagen Schlangenlinien fuhr, ein Fahrzeug entgegen. Eine Mutter hatte aus Holthausen von einer Party ihren Sohn, dessen Freundin und ein weiteres Pärchen abgeholt, weil die jungen Leute kein Taxi bekamen. Auf der Ruhrallee bemerkten diese fünf Insassen das entgegenkommende Fahrzeug und hörten plötzlich einen Knall – und der Außenspiegel ihres fahrzeuges war abgerissen und der Spiegel des anderen Fahrzeuges ebenfalls beschädigt. Der Angeklagte will den Unfall nicht bemerkt haben, nur ein kleines Geräusch gehört haben, dem er keine Aufmerksamkeit schenkte. Auch nicht der Tatsache, dass er mit Lichthupe angeblinkt wurde, nachdem die fünf Insassen des anderen Fahrzeuges feststellten, dass der Mann nicht stehen blieb und seine Fahrt fortsetzte. Das Fahrzeug mit den fünf Insassen wendete und fuhr hinter dem Fahrzeug her und rief zeitgleich die Polizei an. Genau vor der roten Ampel gegenüber der Polizeiwache an der Hüttenstraße erreichte das Fahrzeug den Pkw des Angeklagten, der zeitgleich von drei Streifenwagen geblockt wurde.
Dem Angeklagten wurde der Führerschein entzogen und er erhielt einen Strafbefehl, gegen den er Einspruch einlegte. Und so sitzt der ehemalige Strafrichter nun auf der Anklagebank.
In seiner Darstellung bestreitet er nicht, vor Ort gewesen zu sein. Aber er will von dem Unfall nichts mitbekommen haben und erklärt den Promillegehalt mit der Aufnahme von Alkohol, von dem er ebenfalls nichts gewusst haben will. In einer halbstündigen Sitzungsunterbrechung bereitet er fünf weitere Beweisanträge vor. So will er unter anderem die Ärztin vorladen, die seine Promillegrenze festgestellt hat, außerdem einen Ortstermin am Unfallort, eine Straßenplanbeiziehung, eine Feststellung der Wetterverhältnisse und ein Gutachten eines rechtsmedizinischen Instituts.
Die Staatsanwaltschaft sieht keinen Grund, die Beweisanträge zuzulassen. Sie hat nach der Vernehmung der Zeugen keinen Zweifel mehr daran, dass der Angeklagte unter Alkoholeinfluss gefahren ist und dabei den Unfall verursacht hat. Dass er von dem Unfall nichts mitbekommen haben will, hält sie ebenso für eine Schutzbehauptung wie die Geschichte mit den alkoholischen Getränken, deren Genuss er nicht bemerkt haben will.
Auch das Gericht lehnt die Beweisanträge aufgrund der bisherigen Beweisführung ab.
Die Staatsanwaltschaft hält eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 Euro für angemessen. Außerdem soll der Führerschein weitere neun Monate gesperrt bleiben – für den Angeklagten besonders bitter, weil er schlecht laufen kann. Der Angeklagte selbst plädiert auf Freispruch.
Der Vorsitzende Richter Johannes Kimmeskamp verurteilt den überraschten Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Bewährungszeit beträgt zwei Jahre, die Sperre für den Führerschein wird weitere sechs Monate betragen. „Sie sind ein erfahrener Strafrichter und Sie versuchen zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist. Für mich ist entscheidend, dass Sie sich nie wieder betrunken hinter das Steuer setzten.“

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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