Gerontopsychologin: Alzheimer-Patienten brauchen eine Aufgabe

Gerontopsychologin Gabriele Baumert

Immer wieder etwas vergessen, schließlich seine Geldbörse im Kühlschrank finden – Klassiker bei älteren Menschen, die an Demenz leiden. „Älter“, das bedeutet in diesem Fall ab Mitte siebzig und darüber. Doch gibt es Demenz auch bei jüngeren Menschen? Eine Sprockhövelerin hat sich des Themas angenommen und ihre Masterarbeit vorgelegt.

Die Psychologin Gabriele Baumert (49) studiert an der TU Dortmund einen relativ neuen Studiengang. Sie beschäftigt sich mit „Alternden Gesellschaften“. Ihre Masterarbeit hat sie zum Thema „Lebenssituation und Versorgungsstruktur von jüngeren Menschen mit Demenz“ geschrieben und vor einem Jahr mit Hilfe des STADTSPIEGEL Menschen mit der Diagnose Alzheimer gesucht, die nicht älter als 60 Jahre sein sollten.
„Viele dieser Menschen stehen noch mitten im Leben. Sie sind manchmal sogar berufstätig, manchmal leben noch Kinder im Haushalt. Ich möchte in einer qualitativen anonymisierten Untersuchung herausfinden, wie diese Menschen leben“, erklärt Gabriele Baumert. Mit zehn Menschen hat sie zum Teil stundenlange Interviews geführt. Ihre Ergebnisse liegen jetzt vor.
Die ersten Anzeichen für eine mögliche Demenz sind vergessene Wörter. „Meine Interviewpartner waren zwischen 53 und 68 Jahren alt, wobei der 68jährige seit acht Jahren mit seiner Diagnose lebt. Für manche Menschen endete spontan nach der Diagnose die Berufstätigkeit. Sie sind zuhause und haben auf einmal keine Aufgabe mehr. Doch genau das ist unglaublich wichtig“, beschreibt die Gerontopsychologin ihre Ergebnisse.
Alle Gesprächspartner lebten zuhause, alle haben Angehörige, aber nicht alle einen Partner. Vier Frauen leben als Single, sind aber in der Selbsthilfegruppe aktiv. Die Selbsthilfegruppe „Hoffnung“ wird ebenfalls von Gabriele Baumert geleitet, die jetzt auch in Sprockhövel ein solches Treffen anbieten wird.
„Der Einfluss der Angehörigen auf den Kranken ist sehr groß. Wenn der Angehörige hektisch reagiert, den Kranken ständig unterbricht und kritisiert, dann zieht er sich immer mehr zurück. Viele Kranke haben durchaus Potential und möchten in die Gemeinschaft integriert werden, auch wenn sie nicht mehr in der Lage sind, alles mitzumachen.“
Allerdings, und auch das weiß Gabi Baumert, verändert sich für die Angehörigen ihr Leben komplett. „Sie müssen vieles aufgeben und sich auf den Kranken einlassen. Das ist in einer Zeit der Kleinfamilie oft kaum möglich und führt zu vielen unterschiedlichen Betreuungspersonen in einem Haushalt. Es gibt aber auch Fälle, in denen die Ehepartner sich liebevoll unterstützen und die Situation gut funktioniert.“
Die Menschen, mit denen sie gesprochen hat, haben sich alle durch Einsicht in ihre Krankheit ausgezeichnet. „Sie wissen, was sie haben und das die Krankheit fortschreitet und nicht heilbar ist. Um ihre Lebensqualität zu verbessern und sie teilhaben zu lassen, muss man vermehrt Erkenntnisse sammeln über jüngere Menschen, die an Alzheimer leiden. Für sie gibt es nicht viele Angebote, aber es gibt mehr Menschen, als man glaubt. Und wer noch aktiv Golf spielt, der setzt sich eben nicht auf einen Stuhl und will Gymnastik machen, in dem er ein Bein regelmäßig anheben muss.“
Gabriele Baumert wünscht sich als Erkenntnis aus ihrer Forschungsarbeit mehr Aufgaben für diese Menschen und mehr Angebote. „Sie wollen nicht einsam irgendwo sitzen und die Gefahr der Depression erleben. Sie wollen dabei sein, mitlachen. Und kleine Dinge tun, die sie eben noch verrichten können.“

Kontakt, Information und Beratung gibt es bei der Alzheimer Gesellschaft Hattingen und Sprockhövel e.V., Oststraße 1, 685620, Montag bis Freitag 10 bis 13 Uhr sowie Montag und Donnerstag 16 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung; Freiwilligenbörse Sprockhövel, Hauptstraße 44, jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat von 15 bis 17 Uhr ; E-Mail: alzheimerhattingensprockhoevel@web.de

Die Selbsthilfegruppe „Hoffnung“, trifft sich jeden ersten Mittwoch im Monat, auch in den Ferien, in der Oststraße 1 von 14.30 bis 16 Uhr unter der Leitung von Gabriele Baumert. Neu ist ein Treffen in Sprockhövel, jeden ersten Montag im Monat, 16 bis 18 Uhr, in der Freiwlligenbörse in Sprockhövel (Hasslinghausen), Dorfstraße 13.

Kontakt: E-Mail vongabi@gmx.de

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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