Ohne Rückkehr.Von der Deportation Hattinger Juden

Lange Zeit war der Zamošc[-Transport von 1942 sowie das Schicksal der fast 800 Deportierten beinah völlig unerforscht. Lokale Meldungsunterlagen vermerkten auf Anweisung der Gestapo lediglich „unbekannt verzogen“.
Nach nunmehr siebzig Jahren ist es westfälischen Archivaren in interkommunaler Zusammenarbeit gelungen, den Opfern des Transportes ein Gesicht zu geben. Entstanden ist das Gedenkbuch „Ohne Rückkehr“, an dem auch der Hattinger Archivar Thomas Weiß beteiligt war. Er berichtet von den 15 Hattinger Opfern, die genauso wie die anderen Juden nicht überlebten.
Im Hattinger Stadtarchiv werden seit vielen Jahren 13 Fotos aufbewahrt, die eine Deportation von Juden vom Hattinger Bahnhof zeigten. Vermerkt ist auch, dass dies im Jahr 1942 geschah. „Wir wussten sonst aber nichts und konnten die Fotos keinem bekannten Transport zuordnen“, so Thomas Weiß. Erst eine Tagung und der Kontakt ins sauerländische Hallenberg brachte den entscheidenden Hinweis. Im dortigen Archiv fand sich die Gestapo-Anweisung vom 25. März 1942 für den Transport nach Zamošc. Der Ort in Polen, der noch heute existiert, war kein Vernichtungslager, sondern ein Ghetto. Von dort wurden die Juden in die Vernichtungslager Belcek, Sobibor und Majdanek gebracht.
„Ohne Rückkehr“ war der Weg auch für die 15 Hattinger Juden, die sich gemeinsam mit den Juden aus anderen Städten in Dortmund im Sammellager einfinden mussten. Ihre Wohnungen in der Hattinger Gewehrfabrik waren versiegelt worden. Gepäck durften sie zunächst mitnehmen, doch schon bald wurden sie von den Koffern getrennt – nicht ohne, dass diese sorgsam beschriftet wurden. „Diese Menschen glaubten tatsächlich, sie würden in den Osten geschickt, um dort Pionier- und Aufbauarbeit zu leisten. Viele von den Männern hatten im Ersten Weltkrieg für Preußen gekämpft und sie glaubten an den Rechtsstaat. Sie glaubten an das Volk der Dichter und Denker und es war ihnen unmöglich zu glauben, dass man von anderen Menschen in einem solchen Staat auf bestialische Art und Weise ermordet werden könnte.“
Auch Alfred Markus aus Hattingen, 35 Jahre Arbeiter auf der Henrichshütte, konnte sich das nicht vorstellen, als er am 28. April 1942 deportiert wurde. Auch seine Wohnung wurde versiegelt und vom Hattinger Bahnhof ging es über die Sammelstelle in Dortmund nach Zamošc. 65 Stunden mit dem Zug nach Osten. Es sollte eine Fahrt ohne Wiederkehr werden.
Zunächst im Ghetto lebend, wurde das Lager Ende 1942 geräumt. Nur noch eine Handvoll der fast 800 deportierten Juden aus dem Regierungsbezirk Arnsberg war noch am Leben. Von ihnen gibt es kein Grab, keine Schicksale.
Im Juli 1942 verließ ein weiterer Transport mit älteren Juden Hattingen. Das Ziel war Theresienstadt und die Vernichtung. Danach war Hattingen „judenrein“.
Von den 791 Juden des Zamošc-Transportes konnte man mit diesem Gedenkbuch 768 von ihnen einen Namen geben. Stadtarchivar Thomas Weiß wird am 2. Mai im Alten Rathaus einen Vortrag zum Thema halten.
„Siebzig Jahre danach geht es zum einen um das Gedenken, zum anderen aber auch um die Sensibilität, die wir uns bewahren müssen. Denn der Nährboden für dieses Regime und das Morden war die Ausgrenzung von Menschen und das dürfen wir nicht mehr zulassen.“

Ohne Rückkehr. Schriftenreihe der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache Dortmund, Band 1, Hrsg. Ralf Piorr, Klartext-Verlag, Essen, ISBN 978-3-8375-0333-3.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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