(M)eine kleine Herzensgeschichte
Freude schenken

Es sind die kleinen Dinge, die das Leben groß machen.

Solche Sätze wie dieser wären mir in meiner Zeit als Teenager und junger Erwachsener sicher nicht eingefallen. Erst jetzt, wo sich immer mehr dieser Situationen erbieten, die dieses Bewusstsein hervorrufen, lassen sich solche Geschichten schreiben. Es braucht wohl erst ein gewisses Alter, um darauf aufmerksam zu werden.

Es wird derzeit sehr viel Herzblut verwendet bei der Aufgabe, es meiner Mama in ihren neuen vier Wänden schön herzurichten. Es wird gemeinsam geplant, gezeichnet, bemustert, umgeplant, bestellt, gekauft usw. - denn das gesamte Interieur wird neu sein: Möbel, Leuchten und sämtliche Accessoires. Nur die wirklich liebgewonnenen Dinge aus ihrem bestehenden Hausstand finden ihre Plätze im neuen Zuhause. So ist es ihr Wunsch. Mit dabei zahlreiche Erinnerungsstücke aus ihrem Leben. 80 Jahre bergen viele solcher Erinnerungen.

Aktuell beschäftigen wir uns mit den Bildern, die ihre Wände verzieren sollen. Davon gibt es eine ganze Menge: Gobelins, die sie in vergangenen Zeiten selbst stickte, und zahlreiche Fotos von ihrer Familie, ihren Geschwistern, ihren Eltern und ihren Großeltern, die schon lange verstorben sind. Nur ein Bild vermisst sie: Ein Foto ihrer Oma, also meiner Uroma.

Sie wirkt etwas traurig, wenn sie die Tatsache beschreibt, dass es gar kein Bild von dieser Frau gibt, da sie als Kind sehr viel Zeit bei ihr verbracht habe - eine schöne Zeit, an die sie sich jetzt mehr denn je erinnert.

Ich sah darin eine Aufgabe - meine ganz persönliche Herzensaufgabe: Ich wollte ihr diesen Wunsch erfüllen, dass auch das Bild ihrer geliebten Oma in der neuen Patchwork-Bildergalerie seinen Platz finden soll. Strategien, die zum Ziel führen könnten, hatte ich einige; begann ich also mit der Umsetzung der vermeintlichen einfachsten. Ich kramte die Fotoalben heraus, also die ganz alten, die tief in den Schränken ihr Dasein fristeten. Ich blätterte sie mit meiner Mama durch, Seite für Seite. Babyfotos von ihr waren darin zu finden, farblos aber so schön. Und Bilder meiner Eltern, als sie ihre noch junge Liebe ganz facettenreich lebten - ebenso farblos und doch gingen sie mir ans Herz. Ihre Mutter tauchte dort auf und ihr Vater - noch als ganz junge Eltern fotograviert, ihre Schwestern und weitere Menschen, die ich gar nicht kannte. Und plötzlich erblickte ich ein Foto, ein ganz kleines, leicht beschädigt an der Oberfläche und vergilbt: Vier Menschen waren darauf zu sehen, die sich in den Armen hielten. Ein Bild, auf dessen Rückseite das Jahr 1938 gestempelt steht. Ich fragte Mama, wer diese Leute seien. Sie musste schon sehr genau hinsehen, um sie zu erkennen. Zu klein war das Bild, um es dabei einfach zu haben.
"Da ist sie", sagte sie, "die Frau mit dem weißen Kragen ist meine Oma Johanna." Sie schaute es sich eine ganze Zeit lang an. Ich konnte währenddessen nur erahnen, was sich in ihrem Kopf abspielen muss. Sie strahlte und freute sich über diesen Schatz.

Da wurde es also gefunden, das so vermisste Bild der Oma. Irgendwo in den alten Fotoalben, die schon lange keine Aufmerksamkeit bekamen.

Ich fertigte daraufhin zuhause ein digitales Replikat an, skalierte und sanierte es und bereitete den Ausschnitt vor, um ihn in einem schönen Bilderrahmen einzusetzen.

Es wird sie freuen, wenn sie nach ihrem Umzug dieses Bild in dem Reigen der zahlreichen Fotos und Bilder finden wird - vergrößert und aufbereitet.

Es sind manchmal die kleinen Dinge, die Freuden groß werden lassen. Momente, die das Herz berühren.

Autor:

Helmuth Plecker aus Kleve

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