Vor fast genau 200 Jahren
Der Niederrhein steht fast ganz unter Wasser

zusammengetragen von Hansfried Münchberg

Von schon beklemmender Aktualität, angesichts der heutzutage per Fernseher in Echtzeit in Haus gesendeten Bilder aus den geschundenen Hochwasser-Gebieten in Slowenien und Österreich erscheint ein Bericht, den die "Bonner Zeitung " am 11.12.1824 abdruckte.

Über die Überschwemmung im Regierungs-Bezirke Düsseldorf während des Monats November 1824.

Im gegenüber liegenden Kreise Crefeld war gleich mit dem Anwachsen des Wassers ein breiter Distrikt des flachen Ufers unter Wassers gesetzt. Schon im Anfange des Monats November trat der Rhein oberhalb Uerdingen am Linner Kohlplatze aus seinem Ufer, und überschwemmte die südlich und westlich der holländischen Straße gelegene Gegend; dann überstieg die Flut den Straßendamm zwischen Uerdingen und Crefeld, nahe bei ersterem, machte selbes zur Insel und setzte die ganze westliche Gegend unter Wasser. In der Nacht vom 17. zum 18. Nov. überstieg die Flut auch die Hauptstraße von Neuß nach Uerdingen und zwar im Strümper Busch und bei Latum, so, daß am 18. Nov. die Orte Latum zum Teil, dann ganz Stratum, Haeshöfe, Vogelasch, die Städte Linn und Uerdingen unter Wasser standen. Der Schaden in diesem weiten überschwemmten Bezirke, und das Elend der darin wohnenden vielen Menschen war, zumal wegen der langen Dauer dieser Überschwemmung gewiß sehr groß. Aber das Elend der unterhalb gelegenen Gegend war noch größer.

Denn die in dem angrenzenden Kreise Geldern gelegenen Gemeinden Emmerich, Homberg, Baerl, Orsoy, Meurs, Budberg, Ossenberg und Neu-Büderich wurden größtenteils ganz unter Wasser gesetzt, und die Gemeinden Emmerich, Homberg, Baerl, Orsoy, Meurs, Budberg, Ossenberg Repelen, Rheinberg, Alpen, Veen, Xanten, Waardt und Marienbaum waren zum Theil inundirt. Dieses weite Gebiet des ehemaligen Fürstentums Meurs bildete wie zu Zeiten Julius Cäsars, einen großen See, woraus die Städte und Dörfer nur mit dem obern Teil ihrer Häuser hervorragten. Die Einwohner hatten sich zwar gegen das Andringen der Fluten tapfer verteidigt, allein sie mußten dem Elemente weichen. Sie hatten den Damm von Essenberg bis oberhalb Rheinhausen, auf eine Strecke von mehr als 4/2 Stunde, um 2 Fuß erhöht, bei 2000 Gebund Stroh, über 6000 Pfähle, und mehrere hundert Karren Erde herbeigeschafft, und so den Damm vom 6. bis 16. Nov. gegen den Einbruch geschützt. Aber am 16. Nov .Morgens 5 Uhr stürtzte die Fluth 1/2 Fuß hoch über den erhöhten Damm, und setzte in wenigen Stunden die ganze Gegend unter Wasser. Die Gebäude und Scheuern standen 3, 4 bis 6 Schuh, einige bis unter die Dächer unter Wasser. Wer nur immer konnte, rettete sich aus dieser anhaltenden Überschwemmung. Aber viele mußten hilflos in ihren vom Wasser unterwühlten, von den fortwährenden Stürmen bedrohten Gebäuden ausharren.
Ein Straßenbau=Beamter, der am 20.Nov. noch mehrere solcher Familien aus ihren Einsturz drohenden Häusern zu retten suchte, fand in einem ärmlichen Hause einen Vater mit zweien Kindern, der auf zweien zusammengeschobenen Tischen einen Ofen und zwei Stühle aufgestellt hatte, und in dieser Lage mit seinen Kleinen ausdauerte. Die Gefache der Holzwände waren eingestürzt; das Wasser strömte durch die Stube und die übrigen Utensilien schwammen darin herum. Die unglückliche Familie hatte einige Tage in dieser traurigen Lage zugebracht.

Bleibt zu hoffen, daß wir eine solche Katastrophe hier nicht wieder erleben müssen. Wer hätte im Ahrtal sich jemals vorstellen können, was dort im  Jahr 2021 passiert ist.

Quelle "Bonner Zeitung" 11.12.1924 , Deutsches Zeitungsportal

Autor:

Hansfried Münchberg aus Moers

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