Malerei von Günther Blau - Magie des Alltäglichen

Detailansicht aus Günther Blau, Kathrinchen, 1974
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Das Von der Heydt-Museum zeigt mit rund 70 Werken die erste große posthume Ausstellung des 1922 in Wuppertal-Elberfeld geborenen Malers.

Günther Blau begann 1940 sein Studium der Bildhauerei an der Düsseldorfer Akademie, doch der Zweite Weltkrieg durchkreuzte seine Zukunftspläne. Als Soldat in Russland verlor er mit gerade einmal 20 Jahren verletzungsbedingt ein Bein - für einen Bildhauer war er damit berufsunfähig.
1946 begann er daher mit dem Studium der Malerei an der Münchener Akademie. Die Kunst zog ihn schon 1947 zu Studienaufenthalten nach Italien, dem Land das er seither immer wieder besuchte. Wichtige Impulse für seine weitere künstlerische Entwicklung erhielt er 1952 bei Wilhelm Schnarrenberger und Kurt Wehlte an der Karlsruher Akademie. Hier wurde er auf die Kunst der Neuen Sachlichkeit aufmerksam, welche die deutsche Kunst zwischen den Weltkriegen geprägt hatte.
Seit 1954 hatte der stille und zurückgezogen lebende Künstler immer wieder Ausstellungen und wurde mit Auszeichnungen geehrt. So erhielt er u.a. 1977 den Eduard von der Heydt-Preis der Stadt Wuppertal. Günther Blau hat noch bis 1997 gearbeitet und ist 2007 in Marburg verstorben.

Mit seinem malerischen und grafischen Werk zählt Günther Blau zu den Vertretern des Realismus, einer Stilrichtung, die erst in den 1970er Jahren zu breiterer Anerkennung gelangte.

Blaus Werk ist vom genauen Hinschauen geprägt. Mit Lupe und feinsten Pinseln schafft er moderne magische Bilder in einer geradezu altmeisterlichen Maltechnik. Die harten Untergründe für seine eher kleinformatigen Gemälde erlauben ihm, mit Öl- oder Temperafarbe malerisch zu zeichnen. Schatten werden in feinsten Schraffierungen angelegt, Spiegelungen als Doppelbild völlig ausgemalt, seine akribische Genauigkeit lässt sogar kleinste Details erkennen.
Er entwickelt eine malerische Perfektion, die selbst dem Tristen und Alltäglichen magische Wirkung verleiht und geheimnisvolle Seiten unter dem äußeren Schein sichtbar macht.

Der Museumsdirektor Dr. Gerhard Finckh weist darauf hin, wie vollkommen abweichend die Wege der Schicksalsverarbeitung sein können.
Josef Beuys, geboren 1921 und wie Günther Blau ebenfalls auf der Krim kriegsverletzt, zog das Erlebte ins Große, entwickelte mit der Honigpumpe und der Sozialen Skulptur die Große Geste. Beuys Arbeiten wurden immer monumentaler und abstrakter, er entwickelte Phantastereien zur Rettung der Menschheit und stieg in seiner Bekanntheit in die internationale Liga auf.
Günther Blau hingegen führte die Verarbeitung der grausamen und chaotischen Kriegserlebnisse zurück zur peniblen Ordnung, zur Liebe zum Detail und damit auch zu den Menschen. Blau bleibt an den einzelnen Dingen verhaftet, durch genaues Hinschauen wollte er die in der NS-Zeit verloren gegangene Empathie wiedergewinnen.
Damit war Günther Blau ein Außenseiter der deutschen Nachkriegskunst, die dem Mainstream des Informel der Ecole de Paris und dem amerikanischen Abstrakten folgte.

In der thematisch gegliederten Ausstellung begrüßt Günther Blau die Besucher, indem er sie "unter die Lupe nimmt". Die Selbstbildnisse verweisen durch die Betonung des Augenausdrucks auf die Bedeutung des Sehens für den Künstler. Frau Dr. Antje Birkhälmer, stellvertretende Museumsdirektorin, erläutert, wie Blau an den rätselhaften und gespenstischen Visionen teilhaben lässt, die noch von seinen Kriegserlebnissen herrühren. So malt er sich in "Selbstbildnis mit Kreuzen" als den das Schlachtfeld überlebenden Maler mit dem Eisernen Kreuz seines gefallenen Freundes und dem lauernden Tod als seinem alter Ego.

Im zweiten Ausstellungsraum wird der Übergang seines Realismus zu einem plastisch wirkendem Illusionismus erkennbar. Mit altmeisterlicher Perfektion werden Lichtreflexe und Spiegelungen, Glanz und Schimmer von Oberflächen wiedergegeben. Blau verfällt trotz weiterer familiärer Schicksalsschläge nicht in Depressionen, sondern fordert in seinen Bildern auf, sich bewusst dem Leben zuzuwenden. In skurrilen Zusammenstellungen strahlen alltägliche Dinge des Gebrauchs große Ruhe aus, spielen fragil mit Lichtreflexen und zeigen die Schönheit und Zerbrechlichkeit des Lebens.

Blaus Zeichnungen und Gouachen auf Papier zeigen Natur-, Stadt-, und Industriemotive als Themen, die ihn auch in seiner Malerei beschäftigt haben. Frau Dr. Birthälmer erklärt, dass Günther Blau Zeichnungen häufig auch zur Vorbereitung von Gemälden angefertigt habe. Diese Papierarbeiten seien aber so akribisch und zeichnerisch perfekt ausgeführt, dass sie den Bildgegenstand umtasten und ergründen und so dessen Eigenleben offenbaren. Daher seien die Zeichnungen als eigenständige Kunstwerke anzusehen.

In weiteren Ausstellungsräumen finden wir Stadtansichten die Blaus ganz spezieller Sicht folgen. Dargestellte Situationen wirken surreal und lassen offen, wo die Grenze zwischen dem real Erlebten und der Phantasie verläuft.
Mit malerisch ruhigen Ruinen und verwundeten Ziegelmauern im geheimnisvollen Mondlicht verhüllt er und lenkt zugleich den Blick aufs Wesentliche - dem wieder erwachenden Leben in der Nachkriegszeit mit seinen Spannungen und Diskrepanzen.

Bäume erscheinen bei Günther Blau nicht nur als Vanitassymbol, sondern auch als Sinnbild für den Lebenskampf, den starken Lebenswillen.

Auch Industriemotive sind Günther Blau besonders wichtig - nicht mit dem wummernden Arbeitsbetrieb, sondern als verwaiste Arbeitsstätten und in reiner Maschinenästhetik.
In meisterlicher malerischer Umsetzung und gekonnter Lichtführung durchs Bild kann er die Tristesse mit subtiler Ästhetik abbilden.

Es verwundert niemanden mehr, dass Blaus Italien-Bilder nicht dem heiteren Bella Italia-Erleben folgen, sondern kleine Gassen und Häuseransichten in plastische Licht- und Schatten-Kontraste tauchen, Plätze und Treppen menschenleer und irreal erscheinen lassen. Das Bröckelnde und Brüchige erscheint seltsam vertraut und zugleich entrückt in einer melancholisch-poetischen Atmosphäre.

Günther Blaus Perfektion entführt uns in derart realistische Szenerien, dass es schon wieder magisch surreal wirkt.
Die beeindruckende Ausstellung läuft vom 8. Juli bis 24. August 2014 und repräsentiert einen Querschnitt aus Günther Blaus Lebenswerk.

Als Highlight findet am 17. Juli 2014 um 18 Uhr eine Sonderführung durch die Ausstellung mit der Ehefrau des Malers, Frau Ruthild Blau, und der stellvertretenden Museumsdirektorin, Frau Dr. Antje Birthälmer statt.

Weitere Infos unter www.von-der-heydt-museum.de.

Autor:

Dorothea Weissbach aus Oberhausen

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