Zum internationalen Tag des Ehrenamtes
Interläden: Oberhausens größten Wundertüten fehlen Ehrenamtler

Foto: Uli Preuss
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Wer in Friedensdorf-Geschäften kauft, schlägt drei Fliegen mit einer Klappe. Die Kunden unterstützen die Friedensdorfarbeit, bekommen dafür schicke oder nützliche Kleidung und das noch zu günstigen Preisen. Doch die Interläden brauchen Ehrenamtler. Die werden nämlich immer weniger.

Dicht gedrängt stehen die Menschen an diesem Morgen. Es ist Monatsanfang, Weihnachtsmonat noch dazu, und es hat Geld gegeben. Wer auf seine Euros achten muss, kauft jetzt und hier und schätzt dabei das Angebot des Friedensdorf-Interladens an der Lothringer Strasse.

Schon um 10 Uhr wartet eine kleine Traube Kunden vor dem Secondhandladen. „Gestern“ erinnert sich immer noch sichtlich beeindruckt Mitarbeiterin Heike Bäumken, „hatten wir über 300 Kunden.“ Der älteste Interladen des Friedensdorfes bietet auf gut 400 Quadratmetern einfach alles. Ob Kleidung, komplettes Geschirr, gut funktionierende Haushaltswaren oder Schuhe, es gibt ein breites Angebot im Interladen. Manche nennen den Secondhandladen deshalb wohl auch die größte Wundertüte Oberhausens. Und die will verwaltet werden. Drei Festangestellte und eine Aushilfe arbeiten mit fast 40 ehrenamtlichen Helferinnen eingespielt Hand in Hand. Die meisten Ehrenamtler hier sind Frauen, ein paar Männer arbeiten hinter den Kulissen, räumen, sortieren, schleppen. 40 Helfer oder 24 weitere im zweiten Laden in Sterkrade, das klingt viel, ist es aber nicht. „Viele Helfer können eben nur wenige Stunden in der Woche“ beschreibt Friedensdorf-Sprecherin Claudia Peppmüller den Grund für die Personalnot des Friedensdorfes. Eine Not, der die Friedensdorfführung jetzt mit einer Suche nach neuen Helfern begegnen will. Die nämlich werden immer weniger.

Dabei scheint es beglückend zu sein, hier helfen zu dürfen. Das bestätigt auch Elissavet Bücker. Seit fünf Jahren hilft sie ein- bis zweimal in der Woche. „Dieses Land hat so viel für mich getan, da wollte ich etwas zurückgeben“, sagt die Mutter dreier Kinder, die vor 40 Jahren aus dem griechischen Thessaloniki kam und in Oberhausen heimisch wurde. Im riesigen Keller unter dem Ladenlokal hat sie gerade Kleider sortiert. Die werden in Säcken aus dem Lager in Dinslaken mehrmals in der Woche angeliefert oder kommen täglich gleich als Spende im Laden an. Geholfen hat ihr dabei Hugo Reinhold. Der 68-Jährige war Postbote, bevor er in den Vorruhestand ging, um danach gleich im Interladen auszuhelfen. Es sei ein gutes Gefühl, auf diese Art für die Friedensdorf-Kinder da zu sein, bestätigt auch er.
Ein paar Kilometer weiter ist es wohl auch die Liebe zum Mitmenschen, die Helferinnen wie Christine Schmidt umtreibt. An der Steinbrinkstraße in Sterkrade scheinen die vielen Kleiderangebote ein wenig hochwertiger zu sein. Lederjacken für 10 Euro, feine Kostüme für 20, sogar edle Pelze für bis zu 80 Euro sind zu finden. Mittelpunkt im Schaufenster ist heute ein Brautkleid, in dem noch das erste Preisschild klebt. Was vor Jahresfrist über 2000 Euro kostete und nur einmal getragen wurde, ist jetzt frisch gereinigt für 70 Euro zu haben.

Das sei ein zweiter Grund, warum Secondhandware so wichtig sei, weiß die 56-Jährige, die neben ihrer Friedensdorfarbeit noch als Verkäuferin tätig ist. Man müsse doch nicht immer neue Sachen kaufen, guterhaltene, gebrauchte Kleidung reiche oft aus. Ganz besonders bei Pelzen. Nachhaltig nennt Christine Schmidt das und natürlich umweltbewusst. Und tatsächlich, ein Blick in die Runde beweist es: Wer hier kauft, ist auf der Suche nach einem schicken Schnäppchen – sei es als Weihnachtsgeschenk oder für sich selbst. Da geht neben Kleidung das Villeroy & Boch-Service ebenso über die Ladentheke wie Tannenbaumschmuck in Trendfarbe. Der ist seit dem Advent auf dem Hof des Ladenlokals zu finden. Da wo im Sommer ein kleines Cafe geöffnet hat, stehen nun drei Weihnachtsmarktbuden.
Weihnachtsgeschenke, das ist gerade auch der Grund, warum sich bei „Friedas Welt“ die Kundinnen die Klinke in die Hand geben. Im Ortsteil Schmachtendorf gleich am Marktplatz gibt es pfiffige Deko- und Geschenkartikel, vom leckeren Feigenlikör über den Porzellanengel bis hin zur schrägen Kommode, die früher mal ein funktionstüchtiger Vesparoller war.

Seit fast drei Jahren gebe es Friedas Welt, weiß Mitarbeiterin Aniela Wistuba. Hier ist auch das Reich von Ehrenamtlerin Jutta Rickers (67) und ihrer Kollegin Astrid Holletschek. Die 65-Jährige war Lehrerin der Grundschule an der Oranienstrasse. Schon zur aktiven Schulzeit habe sie viel mit dem Friedensdorf zu tun gehabt, erklärt sie. So hätte die Schule Sponsorenläufe ebenso veranstaltet wie Basare für die Friedensdorfkinder.

Dass sie heute nach ihrer Pensionierung wieder dem Friedensdorf helfe, hätte sie einer ehemaligen Kollegin zu verdanken, die ebenfalls in „Friedas Welt“ arbeite. „Das alles macht großen Spaß“, sagt sie und erinnert sich besonders gerne an Bastelworkshops und die Tortenwerkstatt. Beide Kurse finden mit anderen Gruppenveranstaltungen hinten im Laden statt. Gleich unter den Bildern von STOAG-Mitarbeiter und Fotograf Ralf Hallay. „Hier wird auch am 14. Dezember die Lesung von Andrea Russo stattfinden“, macht Astrid Holletschek aufmerksam. Und man merkt, dass „Friedas Welt“ eine ganz lebhafte ist. Immer ist was los, so auch jetzt am Wochenende. Draußen beeindruckt dann der Schmachtendorfer Nikolausmarkt. Drinnen haben die Ehrenamtlerinnen von Freitag bis Sonntag bis zum späten Abend geöffnet. Dabei ist natürlich auch Astrid Holletschek. Für sie, die längst zwei erwachsene Töchter hat, ist das Ehrenamt für das Friedensdorf ihr ganz persönliches Rundum-Wohlfühlpaket geworden.

Text und Fotos: Uli Preuss

Öffnungszeiten:

Alt-Oberhausen, Lothringer Straße 21

Montag – Freitag: 10:00 bis 18:00 Uhr

Samstag: 10:00 bis 14:00 Uhr

Sterkrade, Steinbrinkstraße 207

Mo, Di, Do, Fr: 09:30 bis 18:00 Uhr

Mittwoch: 9:00 bis 18:00 Uhr

Samstag: 9:00 bis 14:00 Uhr

Friedas Welt

Oberhausen Schmachtendorf, Buchenweg 10

Montag bis Freitag von 09:00 - 13:00 Uhr und 14:30 bis 18:00 Uhr

Mittwoch nur von 9.00 - 13.00 Uhr

Samstags von 09:00 - 14:00 Uhr

Autor:

Claudia Peppmüller aus Dinslaken

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