Montagabend in Langenberg
Kritik an den Coronamaßnahmen veranlasst Menschen, auf die Straße zu gehen

Viele Menschen nehmen aus verschiedenen Beweggründen an der Demonstration teil. Die Treffen sind mittlerweile als öffentliche Versammlungen angemeldet.  | Foto: Bangert
  • Viele Menschen nehmen aus verschiedenen Beweggründen an der Demonstration teil. Die Treffen sind mittlerweile als öffentliche Versammlungen angemeldet.
  • Foto: Bangert
  • hochgeladen von Harald Landgraf

Bereits zum zehnten Mal ist der Kirchplatz in Langenberg am Montagabend Treffpunkt von Menschen, die mit der Coronapolitik und den damit verbundenen Schutzmaßnahmen hadern.

von Astrid von Lauff

Langenberg. Auch als Umgeimpfte sehen sie sich nicht als Gefahr für andere, auch wenn Experten und Wissenschaftler seit Beginn der Impfkampagne vom genauen Gegenteil überzeugt sind. Begonnen hat alles mit sogenannten „Spaziergängen“, jetzt sind es angemeldete Versammlungen, die von der Velberter Polizei begleitet werden. Es ist kurz vor 18 Uhr. Immer mehr Menschen versammeln sich vor der Alten Kirche, im Zentrum der historischen Altstadt von Langenberg. Dort, wo sich vor der Pandemie Menschen trafen um gemeinsam Karneval zu feiern, über den Büchermarkt zu bummeln oder einen Glühwein auf dem Martinsmarkt zu trinken, treffen sich Menschen um gemeinsam ihre Kritik an den aktuellen Coronamaßnahmen zu demonstrieren. Familien, junge und alte Menschen, Geimpfte und Ungeimpfte.

"Wir wünschen uns einen menschlicheren Umgang miteinander."

Sebastian Bachmann, offizieller Versammlungsleiter, füllt kleine Papiertüten mit Sand und Teelichtern und verteilt sie. „Begonnen hat alles mit kleinen Spaziergängen“, erzählt er. Anfangs waren wir zwanzig, dann schnell vierzig und mehr“, so Bachmann. Die Gesellschaft sei gespalten und man wolle der Spaltung entgegentreten. „Wir wünschen uns einen menschlicheren Umgang miteinander. Ich finde es erschreckend, wie schnell Grundrechte eingeschränkt wurden. Daran sollten wir uns auch nach Corona erinnern. Ich bin kein ‚Corona-Leugner‘, dennoch bin ich der Überzeugung, dass die Maßnahmen weder zielführend noch verhältnismäßig sind.“ Ein Statement, dass viele der Teilnehmer trotz hoher Corona-Fallzahlen, auch noch nach zwei Jahren Pandemie teilen. Sigrid Walter (Name v. d. Red. geändert) greift nach einem der selbstgebastelten Windlichter und beschreibt ihren Impuls „auf die Straße“ zu gehen als eine Art Intuition: „Schon sehr früh, am Anfang der Pandemie machte sich bei mir ein komisches Gefühl breit. Viele Dinge haben sich mir nicht erklärt. Ich habe recherchiert, mit Ärzten gesprochen, wollte mir mein eigenes Bild machen. Doch viele Fragen blieben offen“, so die 60-Jährige. Zur Frage, ob sie keine Angst habe, andere zu gefährden und das Pandemiegeschehen negativ zu beeinflussen, hat sie eine eindeutige Meinung. „Ich lebe eigenverantwortlich. Ich gefährde keine anderen Menschen. Auch heute Abend bin ich getestet. Ich würde mir wünschen, dass meine Überzeugung, mich nicht impfen zu lassen, akzeptiert wird und ich nicht als ‚Querdenker’ in eine Ecke gestellt werde.“

Durch die Gassen zum Bahnhof

Langsam setzt sich der Zug der Spaziergänger in Bewegung. Durch die schmalen Langenberger Gässchen geht es Richtung Bahnhof.
„Heute sind wir rund 100 Personen“, erzählt der 48-jährige Versammlungsleiter aus Langenberg. „Die Teilnehmerzahl schwankt – wir waren auch schon mehr. Inzwischen ist es mehr als ein Spaziergang. Die Treffen fallen nun unter den Begriff „Versammlung“ und sind angemeldet.“ Polizeibeamte und Vertreter des Ordnungsdienstes sind vor Ort. Zur Zeit sei es wichtig, dass die aktuellen Corona-Schutzverordnungen eingehalten würden, damit das „hohe Recht der Versammlungsfreiheit“ aufrecht erhalten werden könne, so Ulrich Löhe, Leiter der Pressestelle der Kreispolizei Mettmann.

Versammlungsfreiheit hohes Recht

Dieses „hohe Recht“ macht sich auch Helga Preis (Name geändert) zu Nutze. Sie ist zum ersten Mal in Langenberg dabei. Auch sie lässt die Argumente für eine Impfung, trotz aller offiziellen Expertenratschläge nicht gelten, hat zahlreiche Gegenargumente. Das Fehlen einer Aufklärung bezüglich alternativer Schutzmaßnahmen gegen den Virus mache sie wütend. „Gleich zu Anfang wurde die Impfung als einziger Weg aus der Pandemie aufgezeigt. Alternativlos. Das ist inzwischen widerlegt, aber eine globale Aufklärung über unser Immunsystem und seine Stärkung hat es nie gegeben. Dabei wäre das in der Pandemie besonders wertvoll. Eine Impfung kommt für mich nicht in Frage.“ Auch das Krankenhaussystem würde sie im Falle einer Erkrankung nicht belasten, da sie jede coronabedingte ärztliche Behandlung ablehne, erklärt sie auf Nachfrage. Trotz aller offiziellen Warnungen ist sie sich sicher, das höhere Risiko, ihre Mitmenschen als Umgeimpfte anzustecken, verantworten zu können. Die Kritik ist ihrer Meinung nach nicht gerechtfertigt: „Der Staat muss mich nicht schützen. Ich schütze mich und andere durch ein gesundes, sehr bewusstes Leben. Menschen, die verunsichert sind und Angst haben, haben die Möglichkeit sich impfen zu lassen. Allerdings glaube ich, dass Angst noch nie ein guter Berater war.“

Spaziergänger am Kirchplatz angekommen

Inzwischen sind die „Spaziergänger“ über die Hauptstraße wieder am Kirchplatz angekommen. „Die Menschen hier sind weder rechts noch links“, so Anne Bleyle (Name geändert). Die 54-Jährige ist geimpft. Eine Booster-Impfung kommt für sie nicht in Frage. Die Frage nach ihrem Beitrag zur gesellschaftlichen Solidargemeinschaft kann sie nicht nachvollziehen. „Wer kein klares, inneres ‚Ja‘ zur Impfung hat, sollte nicht gezwungen werden. Da greift kein Argument und auch kein gesellschaftlicher oder moralischer Druck, wie der Appell, ‚solidarisch handeln zu müssen’. Und ganz sicher keine Impfpflicht.“

Langsam lösen sich die kleinen Gesprächsgruppen unter den Laternen vor der Alten Kirche auf. Vereinzelt gibt es ein „Dankeschön“ an die Polizeibeamten vor Ort, dann kehrt in der Langenberger Altstadt wieder Ruhe ein. Lang zieht sich die Schlange: An diesem Tag waren über 100 auf den Beinen.

Die Lesermeinung ist gefragt:

Schreiben Sie uns eine Mail als Leserbrief mit Ihren Kontaktdaten an redaktion@stadtanzeiger-niederberg.de Was meinen Sie?

Autor:

Lokalkompass Niederberg aus Velbert

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

6 folgen diesem Profil

2 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.