Ausstellung in der Zeche Hannover zeigt, wie polnische Displaced Persons nach der Befreiung vom Nationalsozialismus ins Leben zurückfanden

Ein Titelbild der Zeitschrift "Moda" aus dem Jahr 1945. | Foto: LWL
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Wer in der Zeche Hannover die Ausstellung „Zwischen Ungewissheit und Zuversicht. Kunst, Kultur und Alltag polnischer Displaced Persons in Deutschland 1945-1955“ besucht, traut zunächst seinen Augen kaum: Der Entwurf für ein Titelblatt der Zeitschrift „Moda“ aus dem Jahr 1945 mag so gar nicht zum Bild von Elend und Krankheit passen, das man durchaus zurecht mit der Lage der Displaced Persons - meist kurz DPs genannt - nach dem Zweiten Weltkrieg verbindet. Die Titelzeichnung erinnert mit ihren Frauen in Badeanzügen und Sommerkleidern nämlich durchaus an heutige Frauenzeitschriften.

Genau darum geht es in der Ausstellung: um das Ringen der DPs um ein Stück Normalität, um ein Leben mit kulturellen Angeboten und Unterhaltung, aber auch um eine Auseinandersetzung mit ihrem im Nationalsozialismus erlittenen Unrecht. Am Ende des Zweiten Weltkriegs hatten die Westalliierten in Deutschland etwa acht Millionen ehemalige Zwangsarbeiter, Zivilarbeiter und KZ-Häftlinge befreit. Diese DPs wurden in Sammellagern untergebracht und nach Möglichkeit schnell in ihre Heimatländer zurückgebracht.

Viele polnische DPs konnten nicht in ihre Heimat zurückkehren

Unter den DPs befanden sich mehr als eine Million Polen. Der Ostteil Polens war an die UdSSR gefallen und die kommunistische Regierung in Warschau verfolgte ihre Gegner mit Gewalt. Für die meisten polnischen DPs kam eine Rückkehr daher nicht in Frage. So saßen sie in deutschen Sammelunterkünften fest, ohne eine klare Zukunftsperspektive zu haben. Trotz der oft verheerenden Versorgungslage entwickelten sie ein beachtliches Kulturleben, von dem die Ausstellung und der begleitende Katalog Zeugnis ablegen. Dazu gehörte natürlich auch ein reges religiöses Leben. Für Kinder und Jugendliche wurde Unterricht in der Muttersprache organisiert. Insgesamt kam der Frage nach der Identität der DPs große Bedeutung zu.
Eigens erstellte Zeitungen informierten über den Lageralltag und politische Entwicklungen. Plakate in der Ausstellung in Hordel dokumentieren das reiche Theaterangebot für Kinder und Erwachsene. Die Erinnerung an den polnischen Widerstand und andere NS-Opfer wurde gepflegt. So erinnert das LWL-Museum an das Buch „Geopfertes Volk. Der Untergang des polnischen Judentums“, das 1946 auch in deutscher Sprache erschien, nachdem es bereits 1945 auf Polnisch publiziert worden war. Basierend auf Augenzeugenberichten, wurde es als Beweismaterial beim Nürnberger Kriegsverbrecherprozess anerkannt. Wer mehr über dieses wichtige Dokument wissen möchte, wird im Katalog fündig.

"Heimatlose Ausländer" in der jungen Bundesrepublik

Ausgewählte DPs erhielten die Möglichkeit, in die USA, nach Kanada, Israel, Südamerika, Großbritannien oder Frankreich auszuwandern. Rund 100.000 polnische DPs blieben in Deutschland zurück – vor allem alte, kranke und schwache Menschen. Die junge Bundesrepublik erteilte ihnen den Status von „Heimatlosen Ausländern“. Gerade in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wurden Siedlungen errichtet, um diesen Menschen eine dauerhafte Bleibe zu schaffen. Schon im Laufe der fünfziger Jahre entstanden dort neue Vereine, die die polnische Kultur und Tradition pflegten.
Übrigens: Auch Hollywood-Star und Stilikone Audrey Hepburn hat einen – zugegebenermaßen sehr indirekten – Bezug zu den polnischen DPs in Deutschland. Auch dazu erfährt man mehr auf der Zeche Hannover.

Infos
Die Ausstellung „Zwischen Ungewissheit und Zuversicht. Kunst, Kultur und Alltag polnischer Displaced Persons in Deutschland 1945-1955“ ist noch bis zum 30. Oktober im LWL-Industriemuseum Zeche Hannover, Günnigfelder Straße 251, zu sehen.
Mittwochs bis samstags ist die Schau von 14 bis 18 Uhr, sonn- und feiertags von 11 bis 18 Uhr geöffnet.
Der gleichnamige Katalog (ISBN 9783837516869) ist im Klartext-Verlag erschienen.

Autor:

Nathalie Memmer aus Bochum

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