Die roten Kranzschleifen wurden beschlagnahmt - Erinnerung an das Zechenunglück auf Lothringen

Der Vater von BürgerReporterin Hildegard Grygierek, Gustav Wawer (verstorben), hat dieses Bild der Zeche Lothringen gemalt, das sie in den Lokalkompass eingestellt hat. | Foto: Grygierek
  • Der Vater von BürgerReporterin Hildegard Grygierek, Gustav Wawer (verstorben), hat dieses Bild der Zeche Lothringen gemalt, das sie in den Lokalkompass eingestellt hat.
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Von BürgerReporter Günter Gleising.

In zahlreichen Berichten wird dieser Tage an das große verheerende Grubenunglück auf der Zeche Lothringen von 1912 erinnert. Bei einer Schlagwetterexplosion am 8. August kamen in 350 Metern Tiefe 144 Bergleute ums Leben, viele wurden verletzt.

Sicherheitsmängel und eine unzureichende Wetterführung (Frischluftzufuhr) waren die Hauptursachen für die Explosion. Weniger das Unglück selbst, sondern die Tatsache, dass Kaiser Wilhelm damals Bochum einen Kondolenzbesuch abstattete, machte die Ereignisse im Deutschen Reich bekannt und führte zu zahlreichen beschönigenden und „deutsch-national“ gefärbten Berichten, die zum Teil heute noch die Grundlage der Geschichtsbetrachtungen sind.

Ausgeblendet werden vielfach soziale und politische Hintergründe. Da ist zunächst der Hinweis auf die Namensgebung angebracht. Die Benennung der Zeche erfolgte nach dem Krieg gegen Frankreich (1870/71) und der Annexion von Lothringen ins Deutsche Reich. Der Name sollte die großdeutschen Ansprüche des Kaiserreiches deutlich machen, die schließlich zum 1. Weltkrieg führten.

In den Berichten zum 100. Jahrestag wurden kaum die Ursachen und Hintergründe des Unglücks benannt oder auf die damaligen Arbeitsbedingungen hingewiesen. Noch im März 1912 hatten die Bergleute des Ruhrreviers mit einem Streik, der gewaltsam unterdrückt worden war, auf ihre katastrophalen Lohn- und Arbeitsbedingungen hingewiesen.
Selbst bei den Trauerfeierlichkeiten durften die Bergleute nur eine Randrolle spielen, wurden ihre Meinungsäußerungen unterdrückt. Rote Kranzschleifen beispielsweise mussten vor Beerdigungsbeginn in alter autoritärer preußischer Tradition entfernt werden oder wurden von der Polizei von den Gebinden gerissen und beschlagnahmt.

So ist es noch heute in einem Bericht des Amtmanns von Harpen im Landkreis Bochum im Stadtarchiv zu lesen. Der Bericht der Bergarbeiter Zeitung vom 17. August 1912 kritisiert das große Aufheben um die von der Zechengesellschaft gespendeten 50.000 Mark und setzt diese Summe mit der Gewinnsteigerung um 42 % auf fast 1,5 Mio. Mark allein im 1. Halbjahr 1912 ins Verhältnis. Die Zeitung schreibt, dass die getöteten Bergleute allein im 1. Halbjahr einen Reingewinn von 122.000 Mark erbracht haben und die Zechen davon die 50.000 Mark als „Wohltat“ den Hinterbliebenen „gespendet“ hätten. Zu erwähnen ist auch, dass sich die Verhältnisse nach dem Unglück auf Lothringen nicht verbesserten. Im Gegenteil: Vielmehr wurden die Arbeitshetze und Vorgaben für die Steigerung der Kohleförderung zur Kriegsvorbereitung extrem erhöht. Seit Kriegsbeginn 1914 wurde die Arbeitsleistung auch mit Einsatzkräften von Polizei und Militär erzwungen.

Autor:

Ernst-Ulrich Roth aus Bochum

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