Hilfe! Kunst oder Reklame für die Tanzschule Bobby Linden?

Der BochumStep zum Steigerlied

Schrittfolgen mit Fußabdrücken aus Neonröhren unter der Brücke am Bergbaumuseum? Die neueste Reklame für die Tanzschule Bobby Linden? Aber die heißt doch jetzt Aki Brand und liegt an der Brücke Kortumstraße und nicht am Bergbaumuseum. Ver(w)irrte Bochumer fragen sich, was soll das?

Ganz einfach: Die Lichtinstallation ist ein Meilenstein im Stadtverschönerungsprogramm von Stadtbaurat Kratzsch: Denn der von der Stadt beauftragte Künstler hat für diese Brücke zu dem Steigerlied einen hippen Tanz, den BochumStep, dazu kreiert, wie das heute im Musik-Biz so üblich ist und hat dann die Tanzschrittfolgen als Neonlampen unter die Brücke tackern lassen.

Wenn man durch die Brücke geht, sollte eigentlich der umkomponierte Steigersong erklingen und die durch die Brücke spazierenden Menschen spontan zum Tanzen animieren. Doch dieser hörbare Teil der Installation fiel (leider?) dem Rotstift zum Opfer. Geblieben sind nur die Neonleuchten, die aussehen, wie eine schlechte Tanzschulreklame für Bobby Linden, die an der falschen Brücke hängt. Aber auch das hat schon unvorstellbare 100.000 Euro gekostet. Aber mehr war halt nicht drin, die Stadt muss sparen... .

Unsere Stadt hätte sich aber vermutlich auch den David von Michelangelo vors Rathaus stellen lassen, weil’s aber dann doch zu teuer gewesen wäre, leider ohne Kopf. Hier gibt es ja auch einen Platz des Europäischen Versprechen, der mal 24 Steinplatten mit je rund 600 Versprechenden haben sollte, aber bereits nach einer ging der Stadt die Kohle aus. Statt 24 Platten gibt es auf dem Platz jetzt 23 leere sinnlose Platzhalter ohne Platten. Sozusagen ein Mahnmal für die permanenten Fehlkalkulationen und die Unfähigkeit der Stadtoberen in Finanzangelegenheiten.

Aber die Stadt will unter dem Label „Kunstlichttore“ noch weitere Brücken aufpeppen. Sobald wieder Geld da ist, wird auch dieses in Licht aber leider wohl nicht in Erleuchtung investiert. Was können wir noch erwarten?

Die Brücke an der Gussstahlstrasse wird mit rotem Filz ausgekleidet und bekommt eine schummrige Beleuchtung, die von der Brücke herabhängenden Leuchten sollen Kondomen nachgebildet werden. Einige mit Noppen, einige ohne. Die Installation nimmt so direkten Bezug zu den benachbarten Bordellbetrieben. Dies geschieht allerdings gegen den ausdrücklichen Widerstand des ehem. Fraktionsvorsitzenden der SPD H.-D. Fleskes, der einen Bezug der Brücke zum in der Stadt herrschenden roten Filz unbedingt vermeiden wollte.

Ein weiteres Highlight wird die Beuys-Brücke sein, für diese wird ein Zug der städtischen Feuerwehr mit Hilfe ihrer überdimensionalen C-Rohre eine riesige triefende Fettecke unter eine Brücke spritzen. Weiterhin will man - als Reminiszenz an das Beuys-Werk an der Düsseldorfer Kunsthalle - an diese Brücke ebenfalls ein Ofenrohr anschrauben. Die Installation soll an Josef Beuys erinnern, der Ende Februar 1969 über diese Brücke einmal mit dem Zug gefahren sein soll, als er von Düsseldorf zu einer Ausstellung nach Berlin unterwegs war.

Eine weitere Brücke soll an die Zerstörungen der Stadt während des 2. Weltkrieges erinnern. So soll durch die Detonation eines Blindgängers unterhalb der Brücke ein Krater von 20m Durchmesser geschaffen werden. Die daraus resultierende Zerstörung der Brücke soll mit dem Krater eine Synthese bilden. Für dieses Objekt wird eine der bereits gesperrten Brücken ausgewählt, für deren Sanierung der Stadt ohnehin das Geld ausgegangen ist. Das Kunstwerk garantiert, dass weitere Erhaltungsmaßnahmen für die Brücke in Zukunft entfallen. Der Künstler will die Zerstörung der Brücke als dynamischen Prozess initiieren, zu dessen Höhepunkt die Brücke in etwa drei Jahren einstürzen wird. Die Beleuchtung erfolgt entsprechend üppig mit 4 originalen Flak-Scheinwerfern der Marke „Varta-Volkssturm“.

Die Weiterentwicklung des aktuellen Zustandes vieler Bochumer Brücken plant ein weiterer Künstler. Die beiden Fußwege, die unter dem Bauwerk hindurchführen, sollen jeweils mit einer Pinkelrinne versehen werden. Die Durchmesser der Kanalisationsrohre werden dazu aufgedoppelt, um den erhöhten Abwassermengen, auch bei dem zukünftig zu erwartenden Andrang, Stand halten zu können. Von der Brückenkonstruktion sollen Stalaktiten aus Urinstein in einer Vielzahl und Größe herab wachsen, die selbst die Tropfsteinhöhle in Attendorn als mageren Abklatsch erscheinen lassen. Außerdem erfolgt die Beleuchtung durch 8 kubische Lüster, die optisch Klosteinen nachempfunden sind. Am Eingang der Brücke begrüßt die Besucher als Kontrast zum sonstigen Ambiente eine farbenfroh gestalte 4m hohe WC-Ente. Der Künstler legt wert darauf, dass die Installation nicht nur optisch eine hohe Strahlkraft entfaltet, sondern auch nachhaltig den Geruchssinn anregen wird.

Highlight aller Brücken-Installation sollte eigentlich ein Tor sein, dass post mortem von Wassily Kandinsky gestalten werden sollte. Aufgrund eines unglücklichen Versehens im Kulturdezernat wurde jedoch nicht Kandinsky, sondern Wassily Kantschweski, wohnhaft Postraße 11 in Hofstede, mit dem Kunstwerk beauftragt. Im Büro des Kulturdezernenten war eine handschriftliche Notiz des Dezernenten falsch gedeutet worden. Kantschweski aber nahm sich der Aufgabe, eine Brücke seiner Stadt kunstvoll zu beleuchten gleichwohl gerne und gewissenhaft an, kaufte im neuen Bauhaus gegenüber dem Mediamarkt 8 Neonröhren und spaxte sie fachgerecht unter die Brücke. Es entstand ein in seiner Schlichtheit und klaren Linienführung kaum zu überbietendes Meisterwerk der postmodernen Kunst. Er beglich die von ihm für die Röhren ausgegebenen 16,82 Euro aus eigener Tasche und spendete das Künstlerhonorar von 100.000 Euro in Gänze der Marienkäfer-Gruppe des Kinderhortes Hofstede Süd.

Dazu befragt, meinte der ansonsten sehr wortkarge Bochumer mit russischen Wurzeln: „Wir leben doch da, wo dat Herz noch zählt und nicht das große Geld. Die Brücke war kackenduster, da musste Licht rein, mehr nich.“

Volker Steude, BÄH-Bürger
(ruhrblogxpublik)

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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