Eine Frage des Gewissens - 135 Mio. für die STEAG?

STEAG-Hauptverwaltung | Foto: Wiki05, Wikipedia

In der heutigen Ratssitzung zeigt sich, mit welcher Ernsthaftigkeit und welchem Verantwortungsbewusstsein die Mitglieder des Rates unserer Stadt ihrem Amt nachgehen. Heute entscheidet der Rat über den Kauf des 2. Teils der STEAG.

51% der STEAG besitzt ein Konsortium aus finanzschwachen Ruhrgebietsstädten, darunter Bochum, bereits, jetzt sollen die restlichen 49% erworben werden, weil sich dafür kein Investor findet und auch angeblich keine Hoffnung mehr besteht, diesen zu finden. Allein dieser Fakt zeigt, wie schlecht es um die STEAG bereits steht.

135 Mio. hat die Stadt Bochum 2010 über die Stadtwerke bereits in die STEAG investiert, jetzt sollen weitere fast 135 Mio. folgen. Dafür verspricht die STEAG aktuell eine Ausschüttung von 5,5 Mio. pro Jahr. Das ist eher mäßig. Wenn man bedenkt, dass fast der gesamte Deal durch Kredite finanziert werden muss, ist das kein gutes Geschäft. Steigt der Zins für die Kredite wie erwartet, zahlt die Stadt bald drauf. Die STEAG ist Betreiber von acht Steinkohle- und zwei Raffineriekraftwerke, dass ist in Zeiten der Energiewende kein zukunftsweisendes Geschäftsmodell.

Die Grünen, die sich immer wieder vehement für die Energiewende einsetzen, haben dem Deal ursprünglich unter der Bedingung zugestimmt, dass die STEAG ökologisch umgebaut werden soll. Davon ist schon lange nicht mehr die Rede. Um den privaten Investor, der diesen Umbau finanzieren sollte, hat sich nie jemand wirklich bemüht.

Damit Grüne überhaupt dem 2. Teil des STEAG-Deals zustimmen können, müssten sie jetzt ihre ökologische Grundüberzeugung über Bord werfen.

Auch die meisten Bürger sehen keinen Vorteil in einer Beteiligung an der STEAG. Die ursprüngliche Begründung, dass dadurch die Strompreise bei den Stadtwerken sinken könnten, hat sich ebenfalls als nicht haltbar heraus gestellt. Niemand prognostiziert mehr sinkende Strompreise aufgrund des STEAG-Kaufs.

Als Begründung dem Kauf der weiteren Tranche zuzustimmen, wird daher jetzt angeführt: Kaufen wir noch in diesem Jahr, wird der Deal 20,7 Mio. günstiger als wenn wir erst 2016 kaufen. Denn leider hat man sich beim Kauf der ersten 51% der STEAG-Anteile bereits etwas blauäugig verpflichtet bis 2016 die anderen 49% zu kaufen, wenn sich dafür kein Investor findet und hat dazu gleichzeitig vereinbart, dass bis 2016 sukzessive der Kaufpreis steigt. Da die Zinsen zudem aktuell niedrig sind, wollen die Stadtwerke also unbedingt jetzt schon kaufen.

Kurz gedacht spart man ggf. also 20,7 Mio., doch kann sich die Stadt langfristig das Geschäft leisten? Die Wahrscheinlichkeit, dass die STEAG auf Dauer zu einem Verlustgeschäft wird, ist hoch, meint auch Wirtschaftsminister Duin (SPD) und erklärte, für diesen Fall werden die Ruhrgebietskommunen „eine Sparorgie hinlegen müssen, die ihresgleichen sucht. Wenn dort richtig die Verluste von den Kraftwerken reinregnen und die Städte Wertberichtigungen vornehmen müssen, dann wird das eine Katastrophe. Da schließt dann auch noch das letzte Hallenbad, weil die Kraftwerke so hohe Verluste produzieren“ (Interview Wirtschaftswoche).

Wer kann unter solchen drohenden Aussichten einem Kauf weiterer 49% der STEAG guten Gewissens zustimmen und will, wenn die Sache tatsächlich schief geht, persönlich für die Sparorgie verantwortlich gemacht werden?

Was passiert, wenn die Stadt Bochum dem Kauf der 2. Tranche nicht zustimmt? Die anderen Ruhrgebietskommunen können die Stadt Bochum aus dem Deal rauskaufen. Wenn sie, wie sie immer vorgeben, den Deal für so gewinnbringend halten werden sie unserer Stadt die Anteile abkaufen. Das wäre dann immer noch für alle billiger als bis 2016 zu warten und dann den auch für die anderen Stadtwerke höheren Kaufpreis zu zahlen.

Zudem bekommt die Stadt, wenn sie jetzt den Kauf abbläst, noch 2 Jahre Zeit sich endlich ernsthaft auf die Suche nach einem privaten Investor zu machen. Bisher fehlte es überhaupt an dem Versuch aus dem Geschäft wieder auszusteigen. Ehe man in aller Not kauft, sollten aber alle Möglichkeiten, das STEAG-Abenteuer zu beenden, ausgeschöpft worden sein.

Ob der Deal am Ende ein Gewinn- oder ein Verlustgeschäft wird, können heute selbst die Fachleute nicht vorhersagen. Die Erwartungen, die 2010 beim ersten Deal geweckt wurden, sind alle unerfüllt geblieben. Die Kritiker haben Recht behalten, die wirtschaftliche Entwicklung hat sich bei der STEAG nicht positiv, sondern negativ entwickelt.

Dass das Risiko groß ist, dass das Geschäft schief geht, muss nun allen, die im Rat sitzen, bewusst sein. Der Stadtrat ist aber kein Spielkasino, das Risiko STEAG kann sich unsere Stadt, die schon am finanziellen Abgrund steht, nicht leisten.

Ein verantwortungsbewusster Stadtrat wird also dem Kauf der 2. Tranche nicht zustimmen.

Die meisten Stadträte verfügen allerdings nicht annähernd über die erforderlichen speziellen Fachkenntnisse, um die weit reichenden Folgen des Deals wirtschaftlich beurteilen zu können. Sie verstehen weder das komplizierte Finanzierungskonstrukt noch die englischen Verträge. Sie haben bereits die Komplexität des Geschäftes bei der Zustimmung zum 1. Kauf unterschätzt und haben sich von den mittlerweile überholten Prognosen der vermeintlichen Fachleute beeindrucken lassen.

Im normalen Leben wie im Stadtrat gilt: Wenn ich von einer Sache nichts verstehe, dann lasse ich die Finger davon und enthalte mich lieber. Guten Gewissens für ein Geschäft die Hand zu heben, von dem ich nicht ansatzweise selbst beurteilen kann, ob es die Stadt nicht vielleicht in den Abgrund reißt, wäre gegenüber den Wählern unredlich.

Die Entscheidung, Kauf des 2. STEAG-Anteils oder nicht, ist also eine Gewissensentscheidung. Jeder Stadtrat muss für sich selbst entscheiden, kann er für diese Entscheidung die persönliche Verantwortung übernehmen oder nicht. Bei dieser Entscheidung darf es keinen Fraktionszwang geben. Jedes Ratsmitglied muss für sich ganz persönlich entscheiden, kann ich diese oder jene Entscheidung gegenüber den Bürgern verantworten oder enthalte ich mich lieber, weil mir für diese Entscheidung einfach die notwendigen Informationen und Kenntnisse fehlen.

Gerade in diesem Fall ist eine Enthaltung eine verantwortungsbewusste Entscheidung. Denn pflichtbewusstes Handeln bedeutet auch, nur dem zuzustimmen, dessen Folgen man absehen kann und das man guten Gewissens vertreten kann.

In diesem Sinne ist zu hoffen, dass alle Stadträte sich ihrem Gewissen mehr verpflichtet fühlen als ihrer Partei.

Volker Steude
Die STADTGESTALTER - politisch aber parteilos

BoWäH - Bochum und Wattenscheid ändern mit Herz

Autor:

Dr. Volker Steude aus Bochum

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