POINTEN AUS STAHL
Glosse: Coronanieren im Viruswahn

„I want you to panic!“ So hatte Greta das gar nicht gemeint. Was beim Klimawandel noch nicht ganz so gut geklappt hat, funktioniert jetzt umso besser mit Blick auf Sars-CoV-2. Das ist nicht der Name eines Androiden aus dem Star-Wars-Universum, sondern die Bezeichnung der Corona-Virus-Variante, die gerade die Nation erregt – in mehrfachem Sinne. Ein ganzes Land liegt in Infektionsketten.

Bald sind auch alle Experten im Heute-Journal und den Tagesthemen interviewt worden: Robert-Koch-Institut, Bundesärztekammer, Weltgesundheitsorganisation, Apothekerverband und die Gastwirte aus den Kneipen in Erkelenz. Natürlich müssen die Medien darüber berichten, aber trotzdem ist hier viel Panikmache im Spiel. Die Meldungen über die Anzahl der Infizierten und vor allem der Vielleicht-Infizierten ist kaum zu ertragen: 2 neue Fälle in Köln, 3 mehr in Frankfurt, 1,5 in Hannover und 1/3 in Wesel. Wer bietet mehr?
Menschen meiden Sozialkontakte und bleiben in selbstverordneter Isolationshaft zu Hause. Es ist schon parallel zum Virus ein neues Verb dafür im Umlauf: coronanieren. Viele sprechen nicht mehr mit Bekannten, weil die mal von jemandem gehört haben, der wen kennt, der mal vor 10 Jahren in Nord-Italien im Urlaub war. Andere sind in Quarantäne, weil sie die Karnevalsumzüge im Fernsehen geschaut haben.

Die Leute kaufen wie blöde Desinfektionsmittel, sodass es Engpässe gibt; Senioren schütten die Reste von angefangenen Sagrotan-, Sterillium- und Schülke-Fläschchen zusammen und haben eine letzte Desinfektionseinheit von zwei Zentilitern. Liebe Senioren, bitte nicht mit dem Schnapspinnchen verwechseln. Andere haben gar keinen Nottropfen mehr und baden alternativ vor lauter Verzweiflung in Fürst Bismarck oder Nordhäuser Doppelkorn. Einige riechen schon lange danach.
Bei Amazon sind die Preise für Desinfektionstücher auf eine unverschämte Höhe angestiegen, und die ersten Halloweenkostüme als Virus und als Hatschi-Alaaf-Oma sind bereits im Angebot. Bei uns im Ruhrgebiet könnte die RAG jetzt noch einmal richtig Kohle machen, wenn sie einfach die Restbestände der Staubschutzmasken bei Ebay reinsetzen würde. Weiße Masken wirken auch beruhigender als diese stylischer schwarzen, mit denen die Träger alle so aussehen, als seien sie Ninja-Kämpfer aus dem Videospiel „Mortal Kombat“. Vor diesem Hintergrund sollte man vielleicht mal über eine Burka-Pflicht in Deutschland nachdenken; wir brauchen eine neue Debatte: Hygiene-Nikab statt Kopftuchverbot.

Ferner verbuchen Zoo-Händler gerade den Umsatz ihres Lebens, weil viele Bürger gehört haben, man müsse jetzt Hamsterkäufe machen. Die Welt (also die Edel-BILD der Axel-Springer-Presse) präsentiert sogar eine „Überlebensstrategie für die Pandemie“. Darin heißt es unter anderem: „[...] wer nicht in seiner Wohnung oder seinem Haus bleiben kann [...], sollte parallel zum Essensvorrat auch einen passenden Campingkocher und passend dazu Gas- oder Benzinvorrat anlegen.“ Und: „Wer langfristig vorsorgen will und keinen Platz hat, kann einen Wasserfilter aus dem Outdoorbereich kaufen. [...] damit lässt sich etwa Oberflächenwasser trinkbar machen.“ Fehlt nur noch der Atomschutzbunker! Und es bleibt die Frage: Wann gibt es auf RTL 2 den ersten Thriller zur Epidemie mit dem Titel „Patient Null – Horror aus Heinsberg“? Wann reagiert Hollywood mit einem Remake von „Der Todeskuss des Dr. Wuhan-Schuh“? In den Hauptrollen Rotz George und Schniefstopher Lee.

Allein Horst Seehofer, der sonst gern etwas überhitzt wirkt, bleibt unter seiner Betriebstemperatur. Man wartet aber schon auf die unglücklich gewählte Schlagzeile: „Innenminister zeigt seinen Krisenstab“. Den will ich gar nicht sehen. Zum Glück sind die ersten Fälle in Deutschland erst nach Rosenmontag bekannte geworden. In der Haut von Jens Spahn möchte ich grundsätzlichen nicht stecken (bitte nicht falsch verstehen), aber schon gar nicht jetzt, denn man stelle sich nur einmal vor, man wäre der Gesundheitsminister mit Herkunft aus Nordrhein-Westfalen und müsste die Entscheidung treffen, aus Sicherheitsgründen den Karneval abzusagen. Dann gäbe es so oder so Tote in Berlin.

P. S.: Hier noch abschließend ein Gedanke für alle Fans von Verschwörungstheorien: Donald Trump hat das Virus als Biowaffe eingesetzt, um den Wirtschaftsstandort China zu schwächen. Also, ganz so unglaubwürdig wäre das jedenfalls nicht. Gesundheit!

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Die nächsten Show-Termine:

07.03.2020 - Haltern am See - Seestadthalle: Kiep
08.03.2020 - Bottrop - Martinszentrum: cAsA-Comedy-Festival
13.03.2020 - Oberhausen - Altenberg: Nachgewürzt
14.03.2020 - Oberhausen - Altenberg: Nachgewürzt
15.03.2020 - Geldern - Tonhalle: Nachgewürzt on Tour
19.03.2020 - Duisburg - Bib. Großenbaum: Kabarett in der Bib.
21.03.2020 - Bottrop - Kammerkonzertsaal: Comedy im Saal
22.03.2020 - Bottrop - Kammerkonzertsaal: Comedy im Saal
24.03.2020 - Kirchhellen - Hof Jünger: Kabarett im Hof
25.03.2020 - Kirchhellen - Hof Jünger: Kabarett im Hof
28.03.2020 - Darmstadt - habNeun-Theater: Solo
29.03.2020 - Weeze - Bürgerhaus Weeze-Wemb: Comedy & Currywurst

Mehr unter: www.benjamin-eisenberg.de

Autor:

Benjamin Eisenberg aus Bottrop

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