Glosse: Jamaika – Russland – Belgien

Jamaika-Touristenführer: Eisenberg

Man kann sie schon nicht mehr hören, diese Geographie-Metaphern: „Der Weg nach Jamaika ist lang.“ Oder: „Jamaika ist 8500 Kilometer entfernt.“ Wie wäre es mal mit: „Braucht Cem Özdemir nach Jamaika mal wieder Bonus-Meilen?“ Oder: „Die Parteien heben ab nach Jamaika – mit Air Berlin.“ Das trifft die Situation noch besser.

Schuld an dieser zukünftigen Chaos-Koalition ist die AfD. Das ist die Ironie der Geschichte: Diejenigen, die am lautesten gerufen haben „Merkel muss weg!“, sorgen letztlich dafür, dass kein Weg an einer weiteren Amtszeit dieser Kanzlerin vorbeiführt. Die „Alt-Parteien“ möchten die Rechten am liebsten schnell wieder loswerden, aber vielleicht braucht man da einfach eine Eigenschaft unserer Mutti: abwarten können. Einige Dinge erledigen sich von selbst. Jörg Haider von der FPÖ in Österreich ist damals zum Beispiel bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Von daher sollten die Grünen kein Tempo-Limit fordern, zumindest nicht für Alexander Gauland.
Ein Tempo-Limit ließe sich mit den Liberalen ohnehin nicht durchsetzen. FDP, oder wie man eher sagen könnte „Liste Christian Lindner“. Und weitere Namen stehen auf der Liste auch kaum drauf. Aber momentan ist es in Europa nun mal en vogue, Parteien zu wählen mit einem charismatischen Jüngling an der Spitze. Linder ist 38, wird jetzt wohl Minister; Macron ist mit 39 Jahren Präsident in Frankreich geworden; Sebastian Kurz wird mit 31 Jahren Kanzler in Österreich. Wenn das so weiter geht, braucht der Europäische Rat demnächst noch eine Krabbelgruppe. Alle Polit-Bengel haben ihren Parteien ein neues Logo verpasst oder den Namen geändert, und schon schließen die Wähler vom Design auf eine andere Substanz. Da kann man auch einen Hundehaufen lackieren und sagen: „Schmeckt jetzt besser!“

Eines muss man der Lindner-Liste allerdings lassen: Der Dialog mit Russland muss wieder aufgenommen werden. Klar, man kann fragen, was denn mit der Krim sei? – Geschenkt! Abgehakt. Die Wirtschaftssanktionen haben doch nichts gebracht, bis auf Verluste für Obstbauern. Die sollten ihre Äpfel wieder nach Russland verkaufen. Mit etwas Glück beißt der Putin selbst in so einen schönen deutschen Apfel und macht uns das russische Schneewittchen. Bei der Homophobie in Russland kann er dann lange auf seinen Retter warten, der ihn wachküsst.
Sicher, es gibt Bedenkenträger, die meinen, dass Putin noch mehr erobern wolle. Die NATO sei momentan gar nicht dafür gerüstet, die BRD zu verteidigen. Aber was könnte schon passieren: Dann wäre die Bundesrepublik demnächst russisches Terrain, und Putin setzte seinen Freund Gerhard Schröder als Landvogt ein. („Der Landvogt“ liefe dann auch als Vorabendserie im ZDF.) Das wäre dann irgendwie die absolute Mehrheit für die SPD und die Frage „Schulz oder Scholz?“ völlig obsolet. Dann wieder Gerd und keine Jamaika-Spielchen mehr.
Aber man kann natürlich noch so viel lästern über den Schröder, man sollte eher dafür dankbar sein, dass der letzte uns verbliebene Altkanzler eine so gute Connection zu Moskau hat. Am Ende bewahrt der Hannoveraner uns noch vor einer russischen Okkupation, weil er mit seinem Freund Wladi bei einem Whisky unter vier Augen redet. Die Deutschen aus der türkischen Gefangenschaft holt er schließlich auch raus, weil Testosteron weiß, wie Testosteron tickt. Dabei regiert der Gerd schon seit zwölf Jahren nicht mehr.

Summa summarum brauchen wir jetzt also einfach nur abzuwarten: Putin beißt in einen Apfel, Gauland fährt zu schnell, und Schröder kümmert sich um die Außenpolitik. Da muss man jetzt eigentlich gar nichts mehr machen. Und wer könnte das besser als eine Kanzlerin Angela Merkel. Aber sollte die Zeit doch gegen sie spielen, wird der Flug nach Jamaika wieder storniert. In Belgien wird gerade ein Platz im Exil frei.

Autor:

Benjamin Eisenberg aus Bottrop

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