Urlaub und Auszeiten sind möglich, auch wenn der „ungebetene Gast“ Demenz mit am Tisch sitzt
Die Alzheimer-Gesellschaft Dortmund bietet Ausflüge, Kochkurse und Kaffeeklatsch an

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Pflegende Angehörige haben zumeist kaum noch soziale Kontakte. Vor allem dann, wenn Demenz - der „ungebetene Gast“ - mit am heimischen Tisch sitzt. Die Dortmunder Alzheimer-Gesellschaft organisiert daher Informations- und Entlastungsangebote für pflegende Angehörige. Ein wichtiger Termin ist dabei das Sommerfest - zugleich inoffizielles Jahrestreffen für Mitglieder und Freunde des engagierten Vereins.

Urlaubsreisen werden durch die Demenz zum Problem

Ein wichtiges Gesprächsthema ist dabei die bevorstehende Urlaubsfahrt des Vereins. „Normale“ Urlaubsfahrten kommen zumeist nicht mehr in Frage. Die Eheleute Engels fahren erstmals mit: Osnabrücker Land statt Kroatien - eine Umstellung und Herausforderung für Dieter Engels (79) und seine an Demenz erkrankte Frau Erika (76).

Sie nehmen schon seit einigen Jahren am Freizeittreff und auch am Chor „Dementi“ teil. Doch ihren Urlaub haben sie immer - teils über Monate - in Kroatien verbracht, wo die Familie eine Wohnung hat. „Die Kinder wollen nicht mehr, dass wir so weit fahren. Meine Ehefrau ist mir auch schon ein Mal ausgebüxt“, berichtet Dieter Engels.

„Wir sind gerne darunter gefahren und im Haus kannte sie sich auch aus.“ Doch schon die Fahrerei wird zunehmend ein Problem: Statt „in einem Rutsch“ durchzufahren, stand zuletzt eine Zwischenübernachtung an. „Ich wäre zur Not auch mit zwei Zwischenübernachtungen nach Kroatien gefahren“, räumt der 79-Jährige ein. Doch die Probleme potenzierten sich - es ging einfach nicht mehr.

Daher hätten sie sich entschieden, auf ihren Urlaub am Meer zu verzichten. Auch wenn seine Frau das neue Hotel nicht kennen würde, kennt sie zumindest viele der Mitfahrenden: „Aus unserer Gruppe fahren alle mit. Da kennt sie die Leute und die Ansprechpartner. Wir sind ja schon sechs Jahre in der Gruppe - von Anfang an“, berichtet er über den „Freizeittreff“ - so nennt sich die „Frühgruppe“ für an Demenz Erkrankte und ihre Angehörige.

Sie genießen die Aktivitäten, die von Ulrike Klepczynski, Beate Baars und Angelika Mehring organisiert werden. „Die Fahrten und Ausflüge sind sehr schön“, berichtet Erika Engels. Zuletzt waren sie auf einer Farm mit Lamas. Auch gesellige Treffen, Kino, Kegeln und Museumsbesuche und Ausflüge gehören zum Programm. „Wir wollen die Normalität leben und die Demenz in den Hintergrund treten lassen. Aber wir nehmen Rücksicht auf die Probleme“, erklärt Ulrike Klepczynski. „Wir wollen für ein paar Stunden die Demenz vergessen lassen. Es soll sich nicht alles darum drehen - die Menschen sollen auch Spaß haben und genießen.“

Das tut Dieter Engels, wenngleich er dabei auch immer schaut, wie sich die anderen dementen Partner entwickeln. „Man kann das dann mit dem eigenen Partner vergleichen. Ich muss ja zu Hause auch alles machen - den Haushalt, putzen, einkaufen und kochen“, berichtet der 79-Jährige. Ihm fällt das zunehmend schwerer, da er im vergangenen Jahr selbst einen Schlaganfall hatte. Daher ist er froh, zwei Mal pro Woche häusliche Unterstützung zu bekommen. Seine Frau geht zudem zwei Mal wöchentlich in die Tagesbetreuung - eine wichtige Entlastung.

Betreuter Urlaub im Osnabrücker Land eröffnet neue Freiräume

Auf Entlastung ist auch die gemeinsame Urlaubsreise angelegt, die die Alzheimer-Gesellschaft seit mehr als 20 Jahren anbietet. Zunächst gingen die Fahrten an die Ostsee. Doch einen Mehrwert für die Teilnehmenden hatte das nicht: Zum einen war die Fahrt sehr weit und belastend, zum anderen ist die Infrastruktur gerade in Strandnähe nicht für Rollatoren und Rollstühle geeignet, berichtet Johanna Kossmann vom Vorstand der Alzheimer-Gesellschaft, die die Fahrten organisiert.

Insofern war vor 15 Jahren die Wahl für das Osnabrücker Land ein Glücksgriff: Nur 1,5 bis zwei Stunden Anfahrt und ein Hotel, welches sich auf alle Bedürfnisse der Gruppe eingestellt hat. „Die Salinen sind Garant für gute Luft. Und das Hotel und das Drumrum ist ideal für unsere Gruppe“, berichtet Kossmann.

Vom 30. September bis 11. Oktober 2019 findet die nächste Reise statt. 35 Zimmer vorbestellt - zwei Zimmer sind noch frei. Bei der Reise sind ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer dabei. Es gibt - je nach Bedarf - eine Eins-zu-Eins- oder Eins-zu-Zwei-Betreuung. „Oft finden sich kleine Grüppchen und die machen auch ganz viel gemeinsam“, berichtet die Organisatorin.

Die Gruppe hat in dem Hotel einen eigenen Speisebereich, aber nimmt am normalen Büfett-Betrieb teil. „Die Betreuer gehen auf Wunsch mit den zu Pflegenden, die Angehörigen können dann alleine gehen. Und auch die Ausstattung der Zimmer ist mittlerweile an unsere Bedürfnissen ausgerichtet.“

Immer mehr Zimmer sind barrierefrei. Die Betreuung wird individuell organisiert. Sie beginnt in der Regel beim Frühstück. Die Übernahme der Pflege davor ist aber auch möglich. „Oft so im Hamsterrad drin, da muss man die pflegenden Angehörigen spüren lassen, dass man auch mal schwimmen gehen kann, statt die Angehörigen ankleiden zu müssen“, verdeutlicht Johanna Kossmann.

Auch ehemals pflegende Angehörige sind herzlich willkommen

Auch darum dreht es sich beim Grillnachmittag. Die Mitreisenden lernen hier oder bei anderen Veranstaltungen die ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer kennen, die sie bei der Reise unterstützen. Trotz des umfangreichen Angebotes ist der Urlaub erschwinglich: Für Alleinstehende kostete die Fahrt 850 Euro, ein halbes Doppelzimmer kostet 780 Euro - inklusive Transfer, Vollverpflegung und Tischgetränke. Die Betreuung und die Pflege können über Pflegekasse abgerechnet werden. „Wir beraten da individuell bei Anmeldung und es gibt auch ein Vortreffen“, so Kossmann.

Ebenfalls mitfahren können Menschen, die bereits früher dabei waren, mittlerweile aber ihren Partner verloren haben, oder die jetzt vollstationär gepflegt werden. Sie sollen deshalb nicht ausgeschlossen werden - denn über die Jahre hätten sich gute soziale Kontakte entwickelt - oft die einzigen. Denn durch die Pflege seien viele der früheren Kontakte abgerissen. Mit diesem Angebot sind wir einmalig. Das gibt es nur bei uns“, macht Marlis Langkeit deutlich. Ansonsten gibt es nur Trauergruppen.

„Aber das Beständige gibt es zumeist nicht, dass sie weiter aufgefangen werden, sie sich organisieren und wohlfühlen können. Alleine gehen sie nicht kegeln, aber wenn einer einen Hut aufhat, dann geht das“, verdeutlicht die stellvertretende Vorsitzende der Alzheimer-Gesellschaft. „Hier sind Freundschaften entstanden, die man im Alter nicht mehr so schnell schließt - oder die man über die Jahre und Jahrzehnte verlernt hat“, weiß Langkeit. „Bei uns sehen sie, dass man kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn der Partner im Heim ist. Man darf trotzdem in Urlaub fahren.“

Neues Angehörigen-Café im Hansmann-Haus mit parallelen Betreuungsangebot

Diese und andere Themen spielen übrigens auch im Angehörigen-Café eine Rolle, das die Dortmunder Alzheimer-Gesellschaft nach den Sommerferien startet. Ab dem 5. September findet das niederschwellige Angebot jeden Donnerstag ab 15 Uhr im Wilhelm-Hansmann-Haus statt, kündigt Marlis Langkeit an. Das Angebot war eingeschlafen. Die Aktiven wollen es aber wiederbeleben.

„Der Bedarf ist da. Es ist nicht eine Beratung. Die Menschen wollen sich auch mal über allgemeine Themen austauschen, nicht nur über Pflege und Probleme. Denn viele soziale Kontakte gehen verloren“, weiß sie aus eigener Erfahrung. „Hier können Angehörige sie neu knüpfen - denn hier gibt es mehr Verständnis. Es ist ein Kaffeeklatsch und ein sozialer Austausch.“

Pflegende Angehörige können zu dem offenen Gesprächskreis kommen und - falls nötig - den zu pflegenden Angehörigen in die parallel stattfindende Betreuungsgruppe geben. Auch dort gibt es einen Kaffeeklatsch für die Demenz-Erkrankten. Danach gibt es zumeist eine kleine Hockergymnastik, eine Kurzgeschichte als Basis für ein Gedächtnistraining. Zum Abschluss wird dann noch gesungen und es gibt Koordinationsübungen, falls noch Zeit bleibt.

Ein weiteres neues Angebot ist der Kochkurs, der im Oktober starten soll. Er richtet sich an alleinstehende bzw. pflegende Männer, die sich durch die Demenz-Erkrankung ihrer Partnerin nun selbst oder sogar beide versorgen müssen. Sechs Termine von Oktober bis November sind vorgesehen.

Kochkurs, Urlaubsfahrten, Angehörigen-Café oder auch das Grillfest - diese Angebote der Dortmunder Alzheimer-Gesellschaft werden von Ehrenamtlichen geplant und organisiert, betont deren Vorsitzender Mirko Pelzer. Wer mitmachen will, die Arbeit auch finanziell unterstützen oder an einem der Angebote teilnehmen will, kann sich bei der Dortmunder Alzheimer-Gesellschaft melden.

INFOBOX:



Alzheimer Gesellschaft Dortmund e. V.
im Eugen-Krautscheid-Haus
Lange Straße 42
44137 Dortmund
Telefon: 0231-7 24 66 11
Telefax: 0231-7 24 66 22
email: alzheimerdortmund@aol.com
www.alzheimer-dortmund.de

Spendenkonto:
Sparkasse Dortmund
IBAN DE98440501990001102222
BIC DORTDE33XXX

Autor:

Alexander Völkel aus Dortmund-City

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