MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst Duisburg
E.W. NAY - Retrospektive im Museum Küppersmühle

E.W. Nay - Retrospektive im Museum Küppersmühle
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Der Maler Ernst Wilhelm Nay (1902-1968) wäre im letzten Jahr 120 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass zeigt das MKM Museum Küppersmühle eine großangelegte Retrospektive. Nach der Hamburger Kunsthalle und dem Museum Wiesbaden ist das MKM im Duisburger Innenhafen nun die dritte Station dieser umfassenden, retrospektiv angelegten Ausstellung.

Mit E.W. Nay verbindet man sofort seine großflächigen Scheibenbilder, kräftige Farben, kreisrunde Farbformen, rhythmisch gegliederte Linien in freien Farbflächen. Er gilt als einer der bekanntesten Vertreter der deutschen Nachkriegs-Moderne. Anhand der rund 70 Gemälde aus fünf Jahrzehnten, das heißt aus allen seinen Schaffensphasen, hat man jetzt die Chance, auch einen unbekannten Nay kennenzulernen. Die Retrospektive beginnt mit seinem Spätwerk. Die Besucher/innen werden also mit seinen bekannteren Arbeiten begrüßt. Dann führt die Ausstellung chronologisch zurück durch die stilistisch und thematisch unterschiedlichen Stationen seines Werkes. Ein spannender Weg durch die Räume, in denen man die künstlerische Entwicklung Nays rückblickend bis zu seinen Anfängen nachverfolgen kann: vom Spätwerk zurück zu den Anfängen.

Der "fast unbekannte" Nay

E.W. Nay wird am 11. Juni 1902 in Berlin geboren. Nach Abitur und abgebrochener Buchhändlerlehre widmet er sich schon früh der Malerei. Er nimmt Abendkurse für Aktzeichnen, bewirbt sich als Autodidakt 1924 an der Hochschule für Bildende Künste bei Karl Hofer, der ihn in seine Malklasse aufnimmt. Schon während seines Studiums, das er 1928 abschließt, nimmt er an Gruppenausstellungen in Berlin, Hannover und München teil. 1931 erhält er den "Rompreis" der Preußischen Akademie der Künste, verbunden mit einem mehrmonatigen Stipendium in der Villa Massimo in Rom. Er malt gegenständlich, aber er experimentiert auch. Während mehrerer Aufenthalte an der Ostsee wird seine Bildsprache abstrakter und expressiver, surreale und abstrahierte Bildformen entstehen. Stilisierte Tierbilder sowie markante Dünen- und Fischerbilder zeigen seine Experimentierfreude.

In den 1930ern lernt Nay etliche Persönlichkeiten der deutschen Kunstszene kennen, die ihm in den weiteren Jahren, gerade auch in den schwierigen Kriegsjahren unterstützen. Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten darf Nay nicht mehr ausstellen. Zeitweise bleibt er noch Mitglied in der Reichskammer der bildenden Künste, was ihm immerhin die Beschaffung von Malmitteln erlaubt. In der Schau "Entartete Kunst" werden zwei Bilder von ihm angeprangert. Mit finanzieller Unterstützung u.a. des norwegischen Malers Edvard Munch kann Nay ab 1937 zwei Aufenthalte auf den Lofoten verbringen. Hier entwickelt er seine Malsprache weiter. Unter dem Einfluss der rauen Landschaft vereinfacht er die menschliche Gestalt zu reinen Farbzeichen in schroffer Natur. Die Lofoten-Bilder entstehen nach mitgebrachten Aquarellen später in seinem Berliner Atelier.

1939 wird Nay in den Kriegsdienst eingezogen. Ab 1940 nimmt er am Frankreichfeldzug teil, ist in Südfrankreich und in der Bretagne stationiert. Sogar in dieser Zeit malt er kleine Aquarelle und skizziert. Dem weiteren Kriegshorror kann er durch Fürsprache einflussreicher Freunde entgehen, indem er als Kartenzeichner in Le Mans seinen Dienst verrichten kann. Durch die Bekanntschaft mit dem französischen Bildhauer Pierre Térouanne kann er in dessen Atelier malen. Seine in dieser Zeit entstandenen Bilder zeigen die Zerbrechlichkeit einer vordergründigen Idylle. Seine Situation ist widersprüchlich und paradox. Er scheint ungehindert malen zu können, wird protegiert, unterhält Kontakte zu französischen Künstlern, sogar eine Parisreise ist möglich, bei der er Wassily Kandinsky trifft. Zugleich ist er aber auch Besatzer und Soldat des NS-Regimes.


Nay als Mitgestalter Deutscher Nachkriegs-Moderne

Nach kurzer Kriegsgefangenschaft wird Nay 1945 von den Amerikanern entlassen. Sein Berliner Atelier ist zerstört. Seine Künstlerfreundin Hanna Bekker überlässt ihm ein Atelierhaus in Hofheim am Taunus. In der ruhigen Abgeschiedenheit entstehen in den nächsten Jahren zwei bedeutende Werkgruppen: die Hekate-Bilder (benannt nach der Göttin der Magie) und die Fugalen-Bilder, die er aus der Kompositionsform der Musik, der Fuge, entwickelt. Durch Wiederholen oder Umkehren von Farbflächen erzeugt er dynamische Bänder und rhythmische Schwünge, die häufig um schwarze Punkte kreisen und den optischen Eindruck von Bewegung vermitteln.

In der Rhein-Main-Region kann Nay ein künstlerisches Netzwerk zu den dortigen Museen und Galerien aufbauen. Ab 1946/47 erhält er Einzelausstellungen u.a. in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München. Seine Arbeiten werden zudem von Museen und Sammlern gekauft. Seine Teilnahme an den Biennalen (Venedig 1948, 1950 und 1956 sowie 1951/1955 und 1959 Sao Paulo) lässt auf seine Bedeutung für die deutsche Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg schließen. 1950 wird Nay zum ersten Mal in einem amerikanischen Museum (Pittsburgh) gezeigt.

Bekanntes Spätwerk

Ab 1951 ist Köln sein Lebens-und Arbeitsmittelpunkt. Nay entdeckt das Motiv der Scheibe, legt mehrere übereinander und entwickelt eine Bildsprache, die an den Weltraum erinnert: die Scheibenbilder. Später legt er Ovale und Schraffuren über die Scheiben, es entstehen seine Augenbilder. Nach und nach mehren sich internationale Einzelausstellungen, so u.a. 1956 in der Londoner Tate Gallery, 1957 in New York (MoMA) und 1958 in Brüssel zur Weltausstellung. Außerdem erhält er zahlreiche Preise und Auszeichnungen. An der documenta in Kassel nimmt er 1955 und 1959 teil. Im dritten Jahr seiner Teilnahme 1964 werden drei Augenbilder an der Decke aufgehängt. Sie sorgen für rege Diskussion, denn nach Auffassung der jungen, politisch engagierten Generation jener Zeit ist die Abstraktion nur ein belangloses Ornament.

Neben seinem Kölner Atelier richtet sich Nay 1963 ein kleines Atelier in Oberbayern ein. Hier malt er viele seiner Augenbilder und seine sogenannten Späten Bilder. Darin vereinfacht Nay ab 1965 nochmals seine Bildsprache. Er lässt intensiv farbige Flächen und einzelne, gebogene Linien über die Leinwände laufen. Sie wirken zuerst gegenstandslos, erinnern aber häufig an Körper, Glieder, Augen oder Hände. So sind seine Arbeiten immer in einem Schwebezustand zwischen Figur
und Abstraktion.
Ernst Wilhelm Nay stirbt am 8. April 1968 an Herzversagen in seinem Kölner Atelierhaus.

Laufzeit der Ausstellung: 24. März - 06. August 2023
Es ist ein sehr schöner, umfangreicher Katalog im Wienand Verlag erschienen
Weitere Infos zum Besuch im MKM unter www.museum-kueppersmuehle.de

Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Hamburger Kunsthalle, dem Museum Wiesbaden, der Ernst Wilhelm Nay Stiftung und dem Museum Küppersmühle für Moderne Kunst Duisburg.

Die Fotos entstanden während der Pressevorstellung.
Weitere Informationen in den Bildunterschriften.
Ich wünsche viel Freude beim Anschauen.

Autor:

Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg

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