MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst
Sigmar Polke - "Original + Fälschung" wieder im MKM zu sehen

Hoch gehängt: Blick in die Ausstellung: Sigmar Polke -  "Original + Fälschung" im MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst
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Erstmals seit 20 Jahren ist der Gemäldezyklus "Original + Fälschung" von Sigmar Polke wieder im MKM Museum Küppersmühle im Duisburger Innenhafen zu sehen. Die Arbeiten hängen im großen Oberlichtsaal des im September letzten Jahres eröffneten Erweiterungsbaus. Kein bißchen angestaubt, sondern frisch, provokant, ironisch aufgeladen und in ihrer Botschaft aktueller denn je laden sie ein zum großen Verwirrspiel und Enträtseln um Original und Fälschung.

Die insgesamt 38-teilige Serie wurde 1973 im Rahmen einer Rauminstallation im Westfälischen Kunstverein Münster erstmals gezeigt. Sie erregte in ihrer Doppeldeutigkeit und in den vielschichtigen Auslegemöglichkeiten große Aufmerksamkeit und bescherte Sigmar Polke den Durchbruch. Die Serie gehört zur umfangreichen Sammlung Ströher. Durch den Raumgewinn des Erweiterungsbaus kann der Zyklus nun wieder der Öffentlichkeit gezeigt werden.

Was ist Original, was Fälschung? Was ist authentisch, was kopiert oder verfremdet? Das große Themengeflecht um Wahrheit, Urheberschaft, Fiktion, Lüge, Manipulation, Aneignung, Diebstahl nimmt Polke ironisch überspitzt ins Visier und stellt damit auch die Frage nach Wahrnehmung und letztendlich nach dem Wert der Kunst im Kunstbetrieb.

Interpol-Steckbrief als Auslöser

Auslöser für die Auseinandersetzung bzw. Inspirationsquelle für diese Arbeit war der Diebstahl eines Rembrandt-Gemäldes und eine Interpol-Liste gestohlener Meisterwerke, nach denen Anfang der 1970er Jahre weltweit gefahndet wurde. Um diesen Interpol-Steckbrief entspann Polke und sein Künstlerkollege Achim Duchow eine "wahre Kunst-Räubergeschichte".
Polke ergänzt die Diebstahlgeschichte um einen fiktiven Fälscher, auf dessen Werke er künstlerisch reagiert, indem er diese noch weiter variiert und neu interpretiert. Dabei bedient sich Polke vielseitigen Maltechniken, jongliert meisterhaft mit typischen, malerischen Ausdrucksmitteln. So überzieht er Rembrandts Gemälde "Flucht nach Ägypten" mit dunklen Rasterpunkten, unter denen das Bild kaum noch zu erkennen ist. Assoziationen werden frei, denn Rasterpunkte lassen einen sogleich an Andy Warhol oder Roy Lichtenstein denken. In ähnlicher Weise dienen ihm Werke von Toulouse-Lautrec, Rubens, Gainsborough oder Antonello da Messina als weitere Vorlagen für neue Interpretationen, indem er sie mit Glimmer, Gold und Bronze übersprüht oder das Gemalte durch Schnitte à la Fontana zerstört.
Damit verunsichert und verwirrt Polke die Betrachter/innen und treibt so ein provozierendes Spiel mit Wahrnehmung und Erkennen und der Frage nach Urheberschaft. Wer ist nun Urheber des Werkes? Polke, der Fälscher oder der Künstler wie z.B. Rembrandt, der das Ur-Bild erschaffen hat?

Bunter Bilderkosmos

Neben diesen neun nach gestohlenen alten und neuen Meistern nachempfundenen Gemälden  gehören weitere Bilder mit ergänzenden, sogenannten Kommentarbildern zur Serie. Auch hier greift Polke tief in die Farb- und Materialkiste, mischt Maltechniken und Bildelemente frech miteinander, lässt es poppig werden auf Flower-Power-Tapeten und Blümchentischdecken als Malgründe. Affen auf Motorrädern, Bandmitglieder in karierten Sackos, Pommes und Fritz mit Wurstketten und nicht zu übersehen der mit Fell gerahmte "bayerische Landtag" wo offensichtlich alle Landtagsmitglieder durch Jagdtrophäen ersetzt über üppigem Buffet hängen. So geht auch Politsatire. Wer zu den Hauptwerken in den Kommentarbildern Rat und Aufklärung sucht, wird allerdings eher verwirrt oder ist bestenfalls amüsiert. Die Collagen aus Fotos, Zeitungsartikeln, Standfotos aus Filmen, Skizzen und Zeichnungen zeigen eine wild gemischte, bunte Welt oder auch mal rein gar nichts.

Das gibt Freiraum für eigene Assoziationen. Hier wird (nicht nur) die Kunst-Szene auf die Schippe genommen und ironisch hinterfragt. Bemerkenswert, dass Polke bereits vor ca. 50 Jahren das zum Thema machte. In der heutigen, digitalen Welt mit für alle verfügbarer Bilderflut ist die Frage nach Original und Fälschung besonders aktuell. Was ist wahr, was fake? Wer ist Urheber, wer bedient sich ungefragt eines Bildes?

Übrigens: In der ursprünglichen Installation waren zwischen den hoch aufgehängten Haupt- und den niedrig gehängten Kommentarbildern Spiegel in der Höhe der Betrachter/innen angebracht, so dass man sich selber beim Betrachten sah. Man wurde somit Teil der Installation und schaute sicher mal schmunzelnd oder überrascht oder gänzlich verdutzt. Es ist geplant, die verloren gegangene Spiegelreihe wieder zu ersetzen.

Passend zum Thema ist eine Abendveranstaltung mit dem Kunsthistoriker und Fälschungsexperten Hubertus Butin am 12.Mai 2022 geplant.

Jeden Donnerstag freier Eintritt für Duisburger/innen gegen Vorlage des Personalausweises
Öffnungszeiten und weitere Informationen unter www.museum-kueppersmuehle.de

Die Fotos entstanden während der Vorbesichtigung .

Biografie:
Wer noch mehr zum Künstler Sigmar Polke erfahren möchte, hier seine Biografie:
(aus dem Pressetext des MKM)
"Sigmar Polke wurde am 13. Februar 1941 in Oels, Schlesien, geboren. 1945 floh die Familie nach Thüringen und siedelte im Jahr 1953 nach Düsseldorf über.
Nach einer Glasmaler-Lehre bei der Firma Derix in Düsseldorf−Kaiserswerth (1959 bis 1961) folgte das Studium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf (1961 bis 1967) in den Klassen von Gerhard Hoehme und Karl Otto Götz. In diese Zeit fielen die ersten Ausstellungen (1963 Gruppenausstellung mit Gerhard Richter, Manfred Kuttner und Konrad Lueg in Düsseldorf, 1966 erste Einzelausstellung in der Galerie René Block, Berlin).
Das künstlerische Schaffen wurde begleitet durch die Lehrtätigkeit an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (1970/71; ab 1977 als Professor) und ausgedehnte Reisen, u.a. nach Afghanistan und Pakistan (1974) sowie Indonesien, Papua−Neuguinea, Australien, Singapur, Malaysia und Thailand (1980/81). Seit 1978 lebte und arbeitete Sigmar Polke in Köln, wo er am 10. Juni 2010 verstarb.
Sigmar Polkes Werk wurde in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland präsentiert (z.B. documenta 1972, Biennale in Venedig 1986), in einer Vielzahl von Publikationen gewürdigt und vielfach ausgezeichnet (1986 Goldener Löwe, 1994 Erasmus Preis, 1995 Carnegie Prize, 2002 Praemium Imperiale, 2010 Roswitha Haftmann Preis und viele mehr).
Arbeiten von Sigmar Polke sind in zahlreichen Museen und Privatsammlungen weltweit vertreten."

Autor:

Andrea Gruß-Wolters aus Duisburg

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